Interview mit Torsten Janwlecke

Phoenix Contact: »Wir haben jeden Grund, optimistisch zu sein«

13. April 2024, 8:00 Uhr | Corinna Puhlmann-Hespen
Torsten Janwlecke, Phoenix Contact: »Klimaschutz, insbesondere die Dekarbonisierung, hat in unserem Unternehmen den allerhöchsten Stellenwert. «
© Phoenix Contact

Wie blickt man bei Phoenix Contact auf den Klimaschutz? Torsten Janwlecke, COO und Mitglied der Geschäftsführung, erläutert im Interview, wie heute Nachhaltigkeit die gesamte Strategie des Unternehmens beeinflusst und warum er durchweg optimistisch ist. 

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Markt&Technik: Phoenix Contact ist eines der Unternehmen, die den Begriff der 'All Electric Society' geprägt haben. Welchen Stellenwert hat Klimaschutz heute in Ihrem Unternehmen?

Torsten Janwlecke: Klimaschutz, insbesondere die Dekarbonisierung, hat in unserem Unternehmen den allerhöchsten Stellenwert. Mit unserem Zielbild einer ‚All Electric Society‘ haben wir unsere gesamte Unternehmensstrategie darauf ausgerichtet. Sie gibt uns die Leitplanken für unser tägliches Handeln vor – auch, weil wir davon überzeugt sind, dass nur noch die Unternehmen zukunftsfähig sind, die ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Geschäftsmodell haben. 

Wir liefern nicht nur die Produkte für die Energiewende, sondern stimmen auch unsere eigenen Aktivitäten darauf ab. Dazu gehört, dass wir die Elektrifizierung unserer Energieversorgung massiv vorantreiben. Bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes stehen auch unsere eigenen Produkte im Fokus. Wir erhöhen unsere Recycling-Quoten und suchen permanent nach neuen Materialien, insbesondere nach alternativen Kunststoffen, die zum Beispiel auf nachwachsenden Rohstoffen anstatt auf Erdöl basieren. 

All diese Aktivitäten verfolgen wir mit großem Tempo und hohem Commitment.

Wie bewerten Sie den tatsächlichen Einfluss Ihres Unternehmens bzw. Ihrer Branche auf den Klimaschutz?

Der Beitrag, den wir leisten können, ist riesig. Mit unserer Verbindungs- und Steuerungstechnik tragen wir zum einen dazu bei, dass Erzeuger von regenerativen Energien wie Windkraftanlagen, Solaranlagen oder Wasserkraftwerke funktionieren und effizient laufen. Zum anderen ermöglichen unsere Automatisierungslösungen zusätzlich, dass unterschiedliche Sektoren miteinander gekoppelt werden, um Verbräuche zu optimieren. Beide Aspekte sind die Kernelemente der All Electric Society.

Können Sie uns einen Einblick geben, wie Sie Ihre Produkte – beispielsweise die Steckverbinder – umweltfreundlicher gestalten können?

Wir arbeiten an mehreren Stellen, um unsere Produkte nachhaltiger zu machen. Ein wichtiger Faktor ist der Rückführungsgrad metallischer Komponenten. Bei uns in der spanenden Metallverarbeitung liegt die Rückführquote unserer Abschnitte bereits bei über 80 Prozent. Durch die Wiederverwertung sparen wir enorme Mengen an Neumaterialien und senken so unseren Carbon-Footprint. Auch bei den Kunststoffen spielt das Thema Recycling eine wichtige Rolle. Jedoch können wir aufgrund von Zulassungen nur eine gewisse Quote von Regranulat einsetzen. Diese Quote durch veränderte Verfahren der Materialrückführung zu erhöhen, ist ein Ziel für die Zukunft. 

Eine weitere wichtige Aktivität ist, nachwachsende Rohstoffe zu finden, deren Öle wir für Kunststoffe nutzen können, weil wir damit auf dem 1,5-Grad-Pfad des Pariser Abkommens und unseren ESG-Verpflichtungen bleiben können. Zudem vereinfacht der Einsatz von natürlichen Materialien auch die spätere Entsorgung der Kunststoffe.

In die Zukunft geblickt: Wo sehen Sie noch weitere Hebel, um CO2 zu reduzieren und Ressourcen zu schonen? 

Neben den angesprochenen Aktivitäten der Dekarbonisierung unserer Betriebe und im Bereich der Materialien sehen wir noch Potenzial in der Harmonisierung unserer Fertigungs- und Absatzstruktur. Wir haben noch keine gute geografische Balance zwischen unseren Kunden und unseren Fertigungen. Dabei geht der Trend zur Dezentralisierung der Fertigungsstruktur. Das lokale Bedienen von lokalen Märkten wird einen Beitrag dazu leisten, dass es weniger Warenbewegungen gibt, Transportketten kürzer werden und somit Emissionen gesenkt werden.

Beschäftigen Sie sich auch mit dem Thema PFAS, also den Ewigkeitschemikalien in speziellen Kunststoffen, deren Verbot diskutiert wird?

Ja, wir beschäftigen uns sehr intensiv mit der Thematik. Zum einen wollen wir dazu beitragen, gesundheitsgefährdende Stoffe aus unseren Produkten zu entfernen. Zum anderen aber halten wir eine pauschale Regulierung bis hin zu einem PFAS-Verbot, wie sie von der Gesetzgebung derzeit angestrebt wird, für unmöglich. Daher beobachten wir die Entwicklungen sehr genau – sowohl im Hinblick auf die Regulierungen als auch auf die betroffenen Materialien. 

Gibt es aus Ihrer Sicht noch Handlungsbedarf, beispielsweise im Bereich der Normung, um umweltfreundlichere Technologien schneller in den Markt bringen zu können? Was ist Ihr Appell an Politik, Verbände oder Gesellschaft?

Ich glaube, dass Normierungen und Standardisierungen absolut notwendig sind, zum Beispiel wenn es um die Harmonisierung von ökologischen Daten und die damit einhergehenden Dokumentationspflichten geht. Wichtig ist, dass solche Dinge weltweit möglichst einheitlich geregelt sind. Hier sehe ich Verbände in aktiver Rolle und die Gesetzgebung in der Pflicht.

Zudem begrüßen wir die verschiedenen politischen Transformationsinitiativen hin zu mehr regenativer Energie. Es ist wichtig, an solchen Vorhaben festzuhalten, auch wenn die wirtschaftliche Lage mal etwas schwieriger ist. Es ist immer noch günstiger, den ökologischen Umbau der Gesellschaft zu fördern, statt nachher Klimaschäden zu beseitigen.

Zum Schluss gefragt: Die Konjunktur schwächelt. Welche Erwartungen haben Sie an das Geschäftsjahr 2024?

Für uns ist es sehr wichtig, in diesem Jahr zurück in die Wachstumsspur zu finden. In den letzten Monaten waren wir mit sinkenden Aufträgen konfrontiert und haben uns auf kostensenkende Maßnahmen konzentriert. Dabei darf uns aber das Verzögern von Investitionen auf mittel- und langfristige Sicht nicht die Zukunftsfähigkeit nehmen. Deshalb halten wir weiterhin an unserer Strategie der All Electric Society fest. Denn mit der umfassenden Elektrifizierung aller Bereiche haben wir einen Markt, der ohne jeden Zweifel wieder für Wachstum sorgen wird. 

Ich bin zuversichtlich, dass wir in der zweiten Jahreshälfte wieder steigende Auftragseingänge erwarten können. Und dann müssen wir bereit sein, wieder aus dem Sattel zu kommen, schnell mehr zu produzieren und liefern zu können. Die Herausforderung wird es sein, diesen Umschwung – vom Bremsen zum Beschleunigen – zu managen. Aber: Das ist nicht das erste Mal, und in der Vergangenheit haben wir als Unternehmen häufig von solchen Phasen profitiert.

Es gibt also Grund, optimistisch in die Zukunft zu blicken?

Es gibt jeden Grund, optimistisch zu sein! Man darf nicht vergessen, dass die Dekarbonisierung und die Energiewende, die weltweit auf allen Ebenen forciert wird, der Elektronikindustrie voll in die Karten spielen. Der Bedarf an aktiven Komponenten – von Halbleitern über die Verbindungstechnik bis zur Automatisierungstechnik – wird massiv steigen. Insofern fühle ich mich in diesem Wachstumsmarkt perfekt aufgestellt. 

Die Fragen stellte Corinna Puhlmann-Hespen.

 


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