Welche produkttechnischen Herausforderungen sind mit dem Thema »erneuerbare Energien« in erster Linie verbunden? Leistung, Zuverlässigkeit, extreme Temperaturwechselbereiche?
Als wichtigste Eigenschaft kommen die Zuverlässigkeit und Langlebigkeit zum Tragen, da die Anwendungen im Bereich alternativer Energien ja bekanntermaßen eine Lebensdauer von vielen Jahren oder gar Jahrzehnten anstreben. Hier spielt auch die Festigkeit gegenüber extremen Temperaturwechseln im Laufe der Applikationslebenszeit eine entscheidende Rolle. Auch erhöhte Anforderungen an die Leistungsdichte und Überlastfähigkeit sind beispielhaft für das Segment der alternativen Energieerzeugung, -übertragung und -umwandlung. Darüber hinaus gibt es keine besonderen Anforderungen zum Beispiel nach »grünen« Bauelementen über das bekannte und geforderte Maß von RoHS und REACH hinaus. Hier unterscheidet sich der Bereich »alternative Energien« nicht von den allgemeinen Anforderungen der Elektronikindustrie.
Speziell im Zusammenhang mit Off-Shore-Windkraftanlagen wird Salzwasserverträglichkeit immer wieder als spezielle neue Herausforderung genannt. Wie wird dieses Problem gelöst?
Die Salzwasserverträglichkeit wird in der Regel von Kunden bei ihren spezifischen Anlagen speziell für die sehr großen Bauelemente wie Hochleistungskondensatoren spezifiziert und entsprechend getestet und gefertigt. Die generellen Elektronikapplikationen werden durch den Kunden vor Ort geschützt. Hierfür finden die üblichen Bauelemente entsprechend der gängigen Industriestandards Einsatz. Aber nicht nur die wohl vordergründige Salzwasserfestigkeit, sondern vielmehr Probleme wie Blitzschlag, erhöhte oder andauernde Vibration, sichere Start- und Stopp-Vorgänge, bedingt durch die hohe Energiedichte, gilt es, in diesen Applikationen vorrangig zu lösen.
Wie langfristig sind die Liefervereinbarungen im Bereich erneuerbarer Energien? Sind sie vergleichbar mit denen im Schienenverkehr oder für Kraftwerke?
Hier muss man klar zwischen den Anwendung unterscheiden: Bauelemente für Solarenergieanlagen, Biomasseanlagen und auch die Steuerungselektroniken für die Windkraftanlagen werden wie normale Industrieelektronik behandelt. Hierbei liegen besonders bei Solaranlagen die Lieferanforderungen eher in Richtung kurzfristiger Planung mit kürzest möglichen Lieferzeiten. Im Gegensatz dazu werden die teuren und oft auch kunden- und anwendungsspezifischen Hochleistungsleistungskomponenten in der Regel entsprechend den Forderungen der Kundenprojekte längerfristig vereinbart.
Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie produkttechnisch für den Bereich der erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren?
Eine Verkleinerung oder kompaktere Ausführung der Bauteile ist zwingend erforderlich, nicht so sehr aus Platzeinsparung heraus, als vielmehr zur Verringerung der Verluste und Leitungswege. Je kleiner und kompakter ein Bauteil, desto geringer sind die Verluste und um so schneller ist es schaltbar. Dies ist bereits im Bereich der Steuerungs- und Inverterelektroniken festzustellen und wird sicherlich auch vermehrt bei den Hochleistungsbauelementen folgen. Wobei hier natürlich die Physik eine erhebliche Rolle spielt, betreffend Materialeinsatz und Baugrößen. Hier werden neue Lösungen weiterhelfen, wie zum Beispiel unsere jüngsten Leistungsdickschichtwiderstände. Sie stellen eine sinnvolle Alternative zu normalen Drahtleistungswiderständen dar, weil sie hochspannungsfest und induktionsfrei sind.
Welche Auswirkungen der eingeleiteten Energiewende sehen Sie mittel- und langfristig?
Zusätzlich zur Energieerzeugung sehen wir einen hohen Bedarf an Energiemanagement und Verteilung. Die Stichworte lauten hier Smart Grid, die Energieübertragung von der Erzeugung zum Verbraucher und die intelligente Steuerung von Verbrauchern in Haushalten und Industrie. Langfristig wird wohl jeder Verbraucher, egal ob im privaten Haushalt, in öffentlichen Einrichtungen oder der Industrie, individuell über das Datennetz steuerbar sein - und das heißt nicht nur ein- und abschaltbar, sondern in seinen Leistungsdaten regelbar und softwaretechnisch und fehlermäßig fernwartbar. Nicht zu vergessen sind in diesem Zusammenhang die intelligenten Energiemessgeräte, die Smart Meter. Diese Anwendungen werden schon in naher Zukunft viele neue Anwendungen und Bedarfe für Bauelemente liefern und neue Lösungen von den beteiligten Herstellern fordern. Wir sind hier mit unserem breiten Portfolio vom Hochleistungskondensator und -widerstand über Strommesswiderstände, Leistungsinduktivitäten und Zwischenkreiskondensatoren bis hin zu Präzisionswiderständen, sowohl mit Standard-, als auch kundenspezifischen Bauelementen sehr gut aufgestellt.
Würden Sie abschließend von einer gewissen Renaissance klassischer passiver Bauelemente-Lösungen für Großanlagen sprechen?
Die genannten Applikationen haben zu einer Wiederbelebung der passiven Bauelemente im Segment der Leistungselektronik geführt, zum einen durch neue Produkte im Kondensatorbereich, zum anderen kann man besonders bei den Drahtwiderständen wirklich von einer Renaissance sprechen: Nach vielen Jahren sinkenden Bedarfs ist eine neue, breite Nachfrage nach leistungsfähigen und hochbelastbaren Widerständen jenseits des SMD-Spektrums entstanden.