Was spricht dann in summa für einen quarz-, silizium- oder keramikbasierten Oszillator? Und können Sie dies an Einsatzfällen möglichst anschaulich erläutern?
Dunger: Hier müssen wir zunächst grundsätzlich unterscheiden, ob wir über einen Keramikresonator, Schwingquarz, einen quarzbasierten Oszillator oder einen siliziumbasierten Oszillator sprechen. Leider werden diese klar voneinander abzugrenzenden Begrifflichkeiten gerne miteinander vermischt und sorgen damit für teils erhebliche Missverständnisse. Weitere Schlagwörter wie MEMS-Oszillatoren, MEMS-Resonatoren und SAW-Oszillatoren, Quarzschwinger oder schlicht Taktgeber machen die Verwirrung dann komplett. Grundsätzlich gilt die Unterscheidung in zwei Produktgruppen: die Gruppe der Quarze und Resonatoren und die Gruppe der Oszillatoren. Silizium wird nur in Oszillatoren verwendet und oft unter dem Begriff MEMS-Oszillatoren vermarktet. Keramik findet grundsätzlich nur in einfachen Resonatoren Verwendung, und keramikbasierte Oszillatoren gibt es nicht am Markt.
Danke für den Hinweis. Was spricht nun für einen quarzbasierten und was für einen siliziumbasierten Oszillator?
Dunger: Ob ein quarzbasierter oder siliziumbasierter Oszillator zum Einsatz kommen soll, ist heute meist eine Frage der Überzeugung des Entwicklers. Was die Performance der unterschiedlichen Produkttechnologien betrifft, so sind beide technisch mittlerweile nah beieinander, wenn man einmal von der nach wie vor schlechteren Kurzzeitstabilität des MEMS-Oszillators absieht. Kommerziell, also preislich, sind beide Technologien ebenfalls vergleichbar, auch wenn dies oft als Vorteil der MEMS-Produkte herausgestellt wird. Den theoretischen Preisvorteil spielt der MEMS-Oszillator erst bei sehr großen Produktionsmengen aus, welche aber insbesondere im europäischen Markt selten benötigt werden. Auch in Deutschland sind alle Anbieter mit einer hoch diversifizierten Applikations- und Anwenderschaft konfrontiert, welche selten einen hohen Grad an Produkt- und Technologiestandardisierung zulässt. Wir sprechen in diesem Zusammenhang oft von „High Mix – Low Volume“.
Sie präferieren also weiterhin den Quarz-Oszillator?
Dunger: Tendenziell wird ein Entwickler zunächst die Technologie präferieren, welche er seit Jahren kennt und beherrscht, wenn keine anderen zwingenden Gründe dagegen sprechen. Daher ist der quarzbasierte Oszillator immer noch klar im Vorteil. Ja – und ich weiß, der MEMS-Oszillator kann viel mehr Schock und Vibration vertragen als der quarzbasierte. Aber wer braucht 20.000 g, wenn keines der anderen Bauelemente auf der Schaltung dies überlebt? Argumente wie dieses sind doch in den meisten Fällen ein schönes Marketing-Argument für den MEMS, aber wahrscheinlich auch nicht wirklich mehr.
Gibt es trotz alledem konkrete Einsatzfälle, bei denen siliziumbasierte Frequenzprodukte wie MEMS-Oszillatoren den Quarz-Taktgebern mittelfristig den Rang ablaufen werden oder bereits abgelaufen haben?
Dunger: Ich fange mal andersherum an: Insbesondere Marktsegmente wie Telekommunikation und Datenübertragung sind nach wie vor nicht prädestiniert für den Einsatz von MEMS-Oszillatoren, da deren derzeitige Performance in puncto Kurzzeitstabilität, Phasenrauschen und Jitter im Vergleich zu hochwertigen quarzbasierten Oszillatoren wie präzisen TCXOs und extrem genauen OCXOs den hohen technischen Ansprüchen nicht genügen. Beide originären Anbieter von MEMS-Oszillatoren – Discera (heute Micrel) sowie auch SiTime – sind erwiesenermaßen bisher nicht in der Lage gewesen, die etablierten quarzbasierten Oszillatortechnologien nur ansatzweise zu ersetzen. Der Absatz befindet sich nach wie vor – gemessen am Marktvolumen von Oszillatoren – auf einstelligem Prozentniveau. Ebenso mussten beide Anbieter mittlerweile durch Übernahme (SiTime kürzlich von MegaChips) gestützt werden, da MEMS-Oszillatoren bis dato keine ausreichenden Deckungsbeiträge in den klassischen Absatzmärkten erwirtschaften konnten. Unterm Strich ist also deutlich erkennbar, dass MEMS-Oszillatoren sich bis dato zwar ihren inzwischen festen Platz im Angebotsspektrum für Timing-Produkte erarbeitet haben, jedoch von einer Übernahme des Marktes oder auch Dominanz meilenweit entfernt sind.