Durchatmen vor den Booms der 2020er

Achterbahnfahrt bei den Passiven

14. März 2019, 11:01 Uhr | Engelbert Hopf
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Automotive, bedrahtete Bauelemente und Downsizing

Beim Thema Automotive geht es ja in erster Linie um High-Cap-MLCCs. Spiegelt sich hier das Ranking aus der letzten Frage wider?
In gewisser Weise ja. Bei Murata sind es wohl knapp 50 Prozent der MLCC-Produktionskapazität, Samsung dürften nach den zur Verfügung stehenden Informationen über 50 Prozent liegen. Bei TDK und AVX liegt dieser Anteil wohl bei rund 40 Prozent, bei Kemet bei knapp einem Drittel. Was diese Zahlen auch klar signalisieren: Der Anteil der Industriekunden liegt im Bereich MLCC wohl im einstelligen Prozentbereich. Und diese Kunden dürften stärker an Spezialitäten und High-Cap-MLCCs als an Standard-MLCCs interessiert sein. Zu den Unternehmen, welche die Situation der letzten zwei Jahre auf dem europäischen Markt für sich nutzen könnten, zählt neben Yageo beispielsweise Walsin, wenn sie die in Europa benötigten Produkte mit den hier üblichen Zertifizierungen liefern können.

Wir sprachen bisher über High-Runner und Leading-Edge-Produkte. Wie sieht die Situation eigentlich beim Thema bedrahtete Bauelemente aus? Oder verschwindet dieser Markt zusehends?
Nein, absolut nicht! Der Markt für bedrahtete Bauelemente ist nach wie vor sehr stabil. Er wächst nicht mehr, aber er schrumpft auch nicht spürbar. Das sind Produkte für den Bereich, wo sehr hohe Spannungen gefragt sind. Dort sind Schock- und Vibrationsfestigkeit oder auch Ausdehnungskoeffizienten entscheidende Kriterien. Dann sprechen wir dort auch über deutlich größere Kapazitäten bis zum Farad-Bereich. Dazu darf man auch nicht vergessen, dass bedrahtete Bauelemente häufig in militärischen Applikationen zum Einsatz kommen. Fazit: Der Markt für bedrahtete passive Bauelemente ist ein nach wie vor sehr stabiler Nischenmarkt!

Bei MLCCs wurde bereits deutlich, dass Industrieelektronik nur eine untergeordnete Rolle spielt. Was bedeutet das für europäische Hersteller in diesem Bereich? Macht es Sinn, in dieser Nische weiter auf Kapazitätsausbau zu setzen?
Ich denke, es hat da bei einigen Herstellern in den letzten zwei Jahren Diskussionen gegeben und ich glaube, der damit verbundene Entscheidungsprozess dürfte nicht einfach sein. Das Problem besteht ja auch darin, dass es schwierig ist, derzeit das entsprechende Fertigungs-Equipment zeitnah zu erhalten. Auch die Lieferzeiten der entsprechenden Maschinenbauer können derzeit bis zu 24 Monate betragen. Einige Hersteller stärken ja ihr Engagement im Bereich alternativer Technologien, wie etwa Polymerkondensatoren, Beispiele dafür wären etwa AVX oder Kemet sowie Panasonic. Entscheidend dürfte aber langfristig die Frage sein: Sind passive Bauelemente eine Kerntechnologie für in Europa hergestellte Industrieelektronik- und Automotive-Produkte? Fällt die Antwort darauf negativ aus, dann dürfte es schwierig werden. Sicher wird es immer Bedarf für Nischenprodukte geben, aber es werden Nischenprodukte bleiben.

Parallel zu den Lieferengpässen der vergangenen zwei Jahre sorgte das Wort Downsizing in der Branche für Furore. Buzzword oder radikaler Schritt, der dringend notwendig ist?
Aus unserer Sicht ein absolut notwendiger Schritt. Es lässt sich nicht leugnen, dass die Technologieentwicklung in Richtung kleinerer Geräte voranschreitet. Ob es nun faltbare Panels, implantierbare Hörgeräte oder elektrifizierte Applikationen im Automotive-Bereich sind, überall werden Kondensatoren zur Energiespeicherung benötigt. Und es gibt eben eine Reihe von Applikationen, bei denen das in Zukunft eher Bauelemente der Größe 008004 als 0805 übernehmen werden. Es gibt sicher Applikationen, die auch weiterhin andere Lösungen benötigen, aber die einfache und schnelle Entwicklungsmethode, bewährte Designs einfach zu kopieren und damit fortzusetzen, stößt eben an ihre Grenzen, wenn die Versorgungssicherheit für die dafür verwendeten Bauelemente nicht mehr gegeben ist.

Welche Sorgen drücken Entwickler nach Ihrem Eindruck derzeit am meisten?
In Gesprächen wird vor allem der Kostenanstieg der letzten Jahre genannt und die steigende Unwägbarkeit, ob und wann Bauelemente abgekündigt werden. Ein nicht unerheblicher Teil des Kostenanstiegs geht auf die Kosten von Redesigns zurück, die durch die MLCC-Allokation notwendig wurden. Besonders störend ist in ihren Augen, dass sie jetzt ihre Zeit auf Redesigns verwenden müssen statt auf Neuentwicklungen. Da kommt die Forderung nach mehr Planungs- und Versorgungssicherheit in Zukunft auf.

Sie sind schon sehr lange im Bereich der PEMCO-Distribution aktiv. Hat sich die Distribution in diesem Bereich in den letzten Jahren deutlich verändert?
Die Taktung ist in den letzten Jahren höher geworden, das Geschäft damit kurzlebiger und schneller. Die High-Service-Distribution in der heutigen Form gab es vor einigen Jahren noch nicht. Gleichzeitig läuft bei der Erstellung der BOM nach wie vor viel manuell. Aktuell wird viel von Partnerschaft geredet, es ist jedoch fast davon auszugehen, dass, wenn diese Phase überstanden ist, die Begehrlichkeiten, und zwar von allen Seiten, wieder zurückkehren werden.

Ändert sich das Geschäft und der Anspruch an das Business mit den Millennials?
Es fällt auf, dass Angehörige dieser Generation deutlich häufiger den Job wechseln, und das in einem Zeitrahmen von etwa zwei Jahren. Deutlich wird das in der aktuellen Situation dadurch, dass viele junge Entwickler und Einkäufer die Bedeutung von Allokation nicht kennen. Man hat den Eindruck, dass die klassische Vorgehensweise, aus Fehlern und Problemen eine zukünftige Strategie abzuleiten, heute nicht mehr in die Karriereplanung passt. Karriereschritte, die in der Vergangenheit fünf bis sechs Jahre dauerten, will man nun in der Hälfte der Zeit durchlaufen. Ob das wirklich zielführend ist, wird sich noch zeigen.


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