Wie steht es bei den Kleinunternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern um die Digitalisierung? reichelt elektronik hat 500 dieser Unternehmen in Deutschland befragt, um ein Stimmungsbild einzufangen - und berichtet über eigene Erfahrungen.
Ungefähr 2,5 Millionen Kleinunternehmen (bis zu 50 Mitarbeitende) gibt es in Deutschland. Viele dieser Firmen – egal ob etwa Familienbetriebe oder Existenzgründer - stammen aus verschiedenen Branchen und bilden damit ein vielfältiges Bild deutschen Unternehmertums ab. Unter deutschen Kleinunternehmen gibt es heute kaum eines, das keine digitalen Instrumente verwendet. Am wichtigsten sind den Unternehmen Kommunikationsanwendungen: externe Kommunikation über Mail und Social-Media-Kanäle (35 Prozent) oder der Austausch intern im Team über Messenger und andere Dienste (32 Prozent). Und auch auf dem digitalen Wunschzettel der Kleinunternehmen dreht sich alles um Kommunikation. Besonders hoch im Kurs steht dabei smarte Telefonie (21 Prozent).
Flexibilität und räumliche Unabhängigkeit sind für Kleinunternehmen ebenfalls erfolgsentscheidend. 32 Prozent haben bereits in Homeoffice-fähige Zugänge auf Unternehmensdaten wie ein VPN investiert, weitere 21 Prozent wünschen sich das für ihr Unternehmen. Jedes fünfte Kleinunternehmen (21 Prozent) arbeitet sogar mit einer Cloud.
[Darum werden kleine Unternehmen digital
Auffällig ist, dass kleine Unternehmen zwar eine Fülle an digitalen Tools und Angeboten nutzen, es jedoch keines gibt, das sich bisher in allen Unternehmen durchgesetzt hat. Sie setzen pragmatisch auf Einzellösungen je nach Bedarf.
Dabei reagieren viele Unternehmen (75 Prozent) auf das geänderte Verhalten von Kunden. Diese wollen vor allem mehr Informationen zu Produkten (59 Prozent), schnellere Lieferungen von Artikeln und Services (56 Prozent) sowie schnellere Antworten auf Nachfragen (54 Prozent). Digitalisierung hilft den Unternehmen dabei, diese Ansprüche zu erfüllen. So sagen 68 Prozent, Digitalisierung habe sie wettbewerbsfähig gehalten, und beinahe ebenso viele bestätigen, dass sie durch Digitalisierungsmaßnahmen sogar neue Kunden oder Aufträge gewonnen haben.
Digitalisierung am Beispiel reichelt elektronik
Für reichelt ist Digitalisierung ja aus zwei Perspektiven interessant. Inwieweit ist sie Bestandteil des Umsatzes, weil die Kunden – ich gehe davon aus, auch Kleinunternehmen – Komponenten für ihre Digitalisierung bei Ihnen kaufen?
Ulf Timmermann: Tatsächlich ist unsere Perspektive auf die Digitalisierung allumfassend, denn auf dieser beruht auch die Gesamtstrategie von reichelt elektronik. Die Digitalisierung ist seit spätestens 1996 mit dem Umzug nach Sande State of the Art. Damals haben wir uns vom Papier getrennt und unsere Prozesse in die digitale Welt verlegt – Kunden konnten sogar online eine Bestellung aufgeben. Ferner halten wir alle Kanäle offen, sind per Telefon erreichbar und bearbeiten immer Kundenanfragen, die noch per Fax geschickt werden. Unser Fokus liegt darauf, unseren Kunden nicht nur effiziente und innovative Lösungen anzubieten, sondern auch ein authentisches und persönliches Erlebnis zu ermöglichen.
Wie hoch ist der Anteil an Firmenkunden bei reichelt?
Timmermann: Der Kundenstamm von reichelt besteht zu 70 Prozent aus Firmenkunden. Das breit gefächerte Angebot spricht Techniker sowohl privat als auch in Betrieben besonders an. Während Corona ließ sich ein besonders hoher Absatz von Produkten für die Homeoffice-Ausstattung wie Patchkabel, Router, Konferenzsysteme oder Ähnliches beobachten. Viele Unternehmen haben erkannt, dass die Digitalisierung für eine gesteigerte Resilienz vorangetrieben werden muss. Und obwohl man zunächst annehmen könnte, dass sich dieser Trend nun verlangsamt, da sich alle während Corona mit den verschiedensten Artikeln ausgestattet haben, ist das Gegenteil der Fall. Jetzt investieren die Firmen verstärkt in qualitativ hochwertigere Produkte, die, beispielsweise bei Kopfhörern, einfach bequemer und ergonomischer sind. Außerdem gibt es jetzt wieder mehr Auswahl bzw. die Produkte sind wieder verfügbar. Fazit: Die Digitalisierung ist nicht nur Bestandteil unseres Umsatzes, sie ist ein großer Treiber für Wachstum.
Digitalisierung in der Firma, also reichelt: Könnten Sie die erwähnte Digitalisierung der Lagerhallen noch etwas weiter konkretisieren?
Timmermann: Vorab ist es wichtig zu erwähnen, dass reichelt elektronik seit 1996 ISO-9001-zertifiziert ist. Dadurch gewährleisten wir eine reibungslose Abwicklung all unserer Prozesse, unabhängig davon, ob sie digitaler Natur sind oder nicht. In den Lagerhallen unseres Distributionszentrums erfolgt alles vollständig digitalisiert. Das fängt schon beim Wareneingang an. Die Produkte werden mit der entsprechenden Artikelnummer versehen und eingescannt. Dies sorgt für mehr Effizienz bei der Einlagerung und Abwicklung eines Auftrags. Die Mitarbeiter melden sich mit ihrer Chipkarte in den verschiedenen Arbeitsbereichen an und erhalten über Bildschirme digitale Informationen zu den Aufträgen. Wenn beispielsweise ein Auftrag geändert wird, wird dies nicht mehr auf dem analogen Weg, sondern digital übermittelt. Wir haben alle relevanten Schritte für die Auftragsabwicklung im Blick und können den gesamten Prozess von der Bestellung bis zur Auslieferung verfolgen. Dank der Digitalisierung lässt sich der Auftragsfluss zu hundert Prozent auf Knopfdruck visualisieren. Außerdem wird jeder Artikel mit einer eindeutigen Charge und ID erfasst – da kann nichts durcheinandergeraten oder verloren gehen. Insgesamt sind wir in der Lagerverwaltung und dem Auftragsfluss bereits sehr weit fortgeschritten.
Welchen Stellenwert messen Sie der Digitalisierung beim Supply-Chain-Management von reichelt bei, Herr Reinwald?
Christian Reinwald: reichelt elektronik verfügte schon sehr früh über eine Applikation, den sogenannten Vendor, die es ermöglichte, aktuelle Preise und Verfügbarkeiten direkt beim Lieferanten abzufragen. Dank dieser erhöhten Transparenz sind wir nun in der Lage, zügig zu bestimmen, wo wir die Waren am effizientesten und kostengünstigsten beschaffen können. Besonders während der Corona-Pandemie hat sich die Bedeutung dieser digitalen Schnittstelle noch einmal verstärkt, da sich die Taktfrequenz enorm erhöht hat. Die volatile Lieferkettensituation erforderte schnelle Anpassungen, um Kundenzufriedenheit zu garantieren und Umsatzverluste zu minimieren. Unsere digitale Infrastruktur hat uns dabei geholfen, die Herausforderungen der unsicheren Liefertermine, Preise und Mengen zu bewältigen und eine reibungslose Versorgung sicherzustellen. Erfahrungen zeigen, dass erfolgreiches Supply-Chain-Management beim Lieferanten beginnt. Daher haben wir uns in den vergangenen zweieinhalb Jahren auf die Implementierung eines automatisierten Lieferantenportals via EDI-Schnittstelle konzentriert. Nun ist die Zahl der komplett digital angebundenen Lieferanten sprunghaft angestiegen, was uns nur Vorteile bietet. reichelt elektronik erhält dadurch alle Informationen quasi in Echtzeit und kann auch auf Kundenseite schnell reagieren.
Kann die Digitalisierung auch helfen, die allseits bekannten Probleme in den Lieferketten besser in den Griff zu bekommen?
Reinwald: Die End-to-End-Digitalisierung fördert eine bessere Transparenz, Steuerung und Effizienz über die gesamte Lieferkette hinweg, was letztendlich zu einer höheren Kundenzufriedenheit und Wettbewerbsfähigkeit führt. Das können wir mit unserer jahrelangen Erfahrung zu hundert Prozent bestätigen. Informationen lassen sich in Echtzeit erfassen und analysieren, was ermöglicht, Engpässe – Flaschenhälse – frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Zudem ermöglichen digitale Tools eine effizientere Kommunikation und Zusammenarbeit mit Lieferanten sowie Partnern. Digitalen Schnittstellen wie EDI oder SAP-OCI sowie automatisierten Prozessen helfen dabei, Liefertermine besser zu koordinieren und Lieferungen zu verfolgen. Dies trägt zur Reduzierung von Lieferverzögerungen, Fehlern und Kosten bei. Was man bei alldem nicht vergessen darf: Digitalisierte Prozesse stehen Synonym für schlanke Prozesse. Und die fördern die Aufmerksamkeit und den Spaß an der Sache, wohingegen Hürden wie unflexible und aufgeblasene Abläufe Sand ins Getriebe streuen.