Zum 70-jährigen Jubiläum präsentiert sich Bürklin mit einem modernen neuen Markenauftritt, der Nachhaltigkeit und Digitalisierung in den Fokus rückt. Auf Bewährtes setzt der Distributor laut CEO Jürgen Lampert mit seinem klaren Bekenntnis zum Standort bei München.
Markt&Technik: Was sind die Hauptziele von Bürklin bei der Neupositionierung anlässlich des 70-jährigen Jubiläums?
Jürgen Lampert: Im Rahmen meines Eintritts in die Organisation wollten wir gemeinsam mit dem Führungsteam sowie allen Mitarbeitenden, Lieferanten und Kunden ein gemeinsames Verständnis darüber entwickeln, wofür Bürklin wirklich steht. Deshalb haben wir breit abgestützt erarbeitet, wer Bürklin wirklich ist und was wir repräsentieren möchten. Anlässlich unseres 70-jährigen Jubiläums haben wir beschlossen, uns neu zu positionieren, um klarzustellen, welche Rolle Bürklin in der Distribution spielt. Unser Ziel war es, den Markt davon zu überzeugen, dass die Stärken von Bürklin nach wie vor bestehen und dass wir uns weiterentwickelt haben.
Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit und Digitalisierung in der neuen Positionierung?
Es scheint ja, als wäre das Thema für Sie sehr wichtig, wie ich Ihrer Pressemitteilung zum neuen Markenauftritt entnehmen konnte.
Genau, Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind für uns zwei zentrale Säulen. Wir haben bewusst die Nachhaltigkeit vor der Digitalisierung erwähnt, weil wir als Distributor eine gesellschaftliche Verantwortung tragen. Nachhaltigkeit ist in der Distribution zwar schon ein Thema, aber wir glauben, dass hier noch viel mehr getan werden kann. Wir sind im Herzen Europas und Deutschlands positioniert und sehen es als unsere Aufgabe an, hier voranzugehen. Was die Digitalisierung betrifft, so hat die Pandemie gezeigt, wie wichtig dieser Bereich ist. Mit unserem Webshop möchten wir die nächste Stufe erreichen und unseren Kunden ein modernes, digitales Einkaufserlebnis bieten.
In Ihrer Pressemitteilung heißt es weiter, dass das Engagement bezüglich der Nachhaltigkeit kontinuierlich weiter ausgebaut wird. Können Sie uns mehr darüber erzählen, wie Bürklin den durch den Versand verursachten CO2-Ausstoß für alle Kunden weltweit kompensiert?
Täglich versenden wir viele Pakete innerhalb Deutschlands und weltweit, was natürlich zu einem gewissen CO2-Ausstoß führt. Wir sind frühzeitig in Gespräche mit unseren Paketdienstleistern gegangen, um unseren Kunden möglichst CO2-neutrale Versandoptionen anbieten zu können. Leider sind viele Dienstleister noch nicht so weit, aber wir haben wertvolle Diskussionen angestoßen. Ab 2024 kompensieren wir den CO2-Ausstoß unserer Sendungen durch die Unterstützung von Umweltprojekten weltweit. Das bedeutet, dass wir für jedes versendete Paket eine Gebühr zahlen, die in Projekte wie Aufforstung investiert wird.
Das klingt nach einem umfassenden Ansatz. Können Sie einige der Projekte nennen, die Sie unterstützen?
Ja, wir unterstützen verschiedene Projekte, vor allem in Südamerika und Afrika. Diese Projekte sind sehr breit gefächert und umfassen unter anderem Aufforstungsinitiativen.
Nachhaltigkeit ist also ein zentraler Bestandteil Ihrer Strategie. Welche Maßnahmen hat Bürklin ergriffen, um die Energieversorgung des Unternehmens klimaneutral zu gestalten?
Unser Firmengebäude, das wir 2011 übernommen haben, ist nahezu klimaneutral. Wir haben eine Photovoltaikanlage installiert und kühlen das Gebäude mit einer Grundwasserwärmepumpe. Unsere Fenster sind dreifach verglast und aus Holz, und auch die Außenanlagen sind nachhaltig gestaltet. Beispielsweise ist unser Parkplatz nicht gepflastert, sondern begrünt. Zudem haben wir im Rahmen der Neupositionierung einen Firmenwald im Norden von München angelegt, der für Firmenveranstaltungen genutzt wird und ein weiteres Zeichen unseres Engagements für Nachhaltigkeit ist.
Was sind die wichtigsten Elemente des neuen Markenauftritts von Bürklin?
Mit unserem neuen Markenauftritt wollen wir zeigen, dass wir uns weiterentwickelt haben. Wir haben einige Themen modernisiert, beispielsweise unsere Farben und den Schriftzug, der nun internationaler und moderner gestaltet ist. Trotz dieser Änderungen bleiben wir unseren traditionellen Farben Gelb und Blau treu. Wir möchten unseren Partnern, Kunden und Mitarbeitenden signalisieren, dass wir ein modernes Unternehmen sind, das sich kontinuierlich verbessert und innovativ bleibt.
Warum war ein neuer Markenauftritt überhaupt notwendig?
Bürklin gibt es seit 70 Jahren, und viele Ingenieure sind mit unserer Marke aufgewachsen. Unser letzter Markenauftritt wurde vor etwa elf oder zwölf Jahren aktualisiert. Mit dem neuen Auftritt wollen wir zeigen, dass wir uns perfektioniert haben und unser Sortiment sowie unsere Services modernisiert haben, insbesondere durch unseren neuen Webshop und verbesserte Kundenservices.
Welche strategische Bedeutung hat der Webshop für Bürklin?
Der Webshop ist unser primärer Kanal zum Markt und bildet die Basis für alle anderen Vertriebskanäle. Wir haben spezielle Vertriebsinnendienst-Teams, die sich um die Bedürfnisse unserer Kunden kümmern, und bieten auch ein Angebot-Service sowie Customer-Services am Telefon. Unser Webshop ist speziell auf die Bedürfnisse unserer Kunden in Deutschland zugeschnitten, und wir entwickeln ihn kontinuierlich weiter, um auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben.
Wie verteilen sich prozentual die Kanäle des Auftragseingangs? Kommt inzwischen der Großteil der Aufträge über den Webshop?
In den letzten zwei Jahren ist unser digitaler Anteil stark gestiegen, insbesondere nach der Einführung des neuen Webshops. Der digitale Kanal ist mittlerweile unser wichtigster Vertriebskanal. Wir haben maßgeschneiderte eProcurement-Lösungen für unsere Kunden entwickelt und versuchen, alle Prozesse digital darzustellen. Der Anteil traditioneller Bestellungen ist auf weniger als 50 Prozent gesunken, und wir erwarten, dass dieser Anteil weiter abnehmen wird, da immer mehr Kunden digital mit uns zusammenarbeiten möchten.
Welche typischen Mengen kaufen Kunden bei Bürklin? Sind es nach wie vor Kleinmengen für das Prototyping oder auch größere Produktionsmengen?
Bürklin ist hauptsächlich im Bereich der Entwicklung und des betrieblichen Unterhalts tätig, wobei wir sowohl Kleinmengen als auch größere Mengen bis zu Herstellerverpackungseinheiten verkaufen. In den letzten zwei Jahren haben wir aufgrund der knappen Verfügbarkeit von Bauteilen auch sehr große Mengen verkauft, sogar nach Asien. Unser Kerngeschäft bleibt jedoch die Bereitstellung von Kleinmengen für Entwicklung und Prototyping.
Und welche Rolle spielt die künstliche Intelligenz in Ihrem Unternehmen? Setzen Sie bereits KI-basierte Anwendungen ein, zum Beispiel im Webshop?
Künstliche Intelligenz wird in unserem Webshop noch nicht in dem Maße eingesetzt, wie wir es uns wünschen. Es ist jedoch die nächste Stufe des Ausbaus. Derzeit nutzen wir KI für Preisgestaltung, Disposition von Artikeln und Content-Bearbeitung. KI ist ein wichtiges Thema für uns, sowohl zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit als auch zur Optimierung unserer internen Prozesse.
Wie sieht das aktuelle Vertriebsgebiet von Bürklin aus? Planen Sie eine weitere Expansion in Europa oder weltweit?
Unser Hauptmarkt ist der DACH-Bereich, also Deutschland, Österreich und die Schweiz. Wir sehen hier noch viel Potenzial für Wachstum. International möchten wir hauptsächlich über unsere digitalen Kanäle expandieren und haben bereits internationale Vertriebsmitarbeiter vor Ort. Eine weitere Internationalisierung ist geplant, aber wir wollen dies zunächst digital angehen, bevor wir über die Eröffnung neuer Vertriebsbüros nachdenken.
Bürklin ist ja traditionell ein Familienunternehmen. Wie sieht die aktuelle Organisationsstruktur von Bürklin aus?
Bürklin ist nach wie vor zu 100 Prozent in Familienbesitz. Die Gesellschafter aus der zweiten und dritten Generation haben sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und werden durch einen Beirat unterstützt, der aus Familienmitgliedern sowie zwei externen Mitgliedern besteht. Ich bin der erste Geschäftsführer, der nicht aus der Familie stammt. Der Beirat unterstützt das Leadership-Team und mich strategisch, und wir berichten regelmäßig über unsere Fortschritte und strategischen Maßnahmen.
Wie beurteilen Sie die aktuelle wirtschaftliche Lage in der Branche? Sind Sie ebenfalls von den rückläufigen Umsätzen betroffen, die viele Distributoren derzeit beklagen?
Natürlich spüren auch wir die aktuelle wirtschaftliche Lage. Nach zwei oder drei Jahren des starken Wachstums erleben wir jetzt eine Phase der Konsolidierung. Wir haben jedoch eine sehr stabile Kundenbasis und nehmen die Ausschläge nach oben und eben auch nach unten weniger stark wahr als andere Marktteilnehmer.
Was muss ein Mittelstandsunternehmen wie Bürklin seinen Kunden bieten, um erfolgreich am Markt zu bestehen und auch weiterhin erfolgreich zu sein?
Unsere Stärke liegt darin, dass wir lokal und regional präsent sind. Wir sind in Deutschland ansässig, was uns zu einem der wenigen Distributoren mit Sitz und Logistik hier vor Ort macht. Diese Nähe zu unseren Kunden ermöglicht uns, agil und schnell zu reagieren – eine Qualität, die uns sowohl Kunden als auch Lieferanten zurückmelden. Wir können eng mit unseren Lieferanten zusammenarbeiten, neue Produkte testen und schnell auf Marktveränderungen reagieren. Unsere Präsenz in Deutschland und die damit verbundene Nähe zu unseren Kunden und Lieferanten ist ein entscheidender Vorteil, besonders in Zeiten globaler Unsicherheiten, wie wir sie in den letzten Jahren erlebt haben.
Wie wirkt sich Ihre Standortwahl auf Ihre Logistik und die Beziehung zu Ihren Kunden aus?
Die Entscheidung, unsere Logistik in Deutschland zu belassen, hat viele Vorteile. Es ermöglicht uns eine enge Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten und eine schnelle Lieferung an unsere Kunden. Natürlich hat dies auch Nachteile, insbesondere höhere Lohnkosten, aber wir glauben fest daran, dass die Vorteile überwiegen. Unser Engagement für den Standort Deutschland zeigt sich auch in unserer nachhaltigen Logistik und dem Bekenntnis zur lokalen Wirtschaft hier am Standort im Landkreis München. Dies ist eine Botschaft, die wir auch unseren Kunden vermitteln möchten, da sie zeigt, dass wir uns langfristig für den deutschen Markt und unsere Kunden hier engagieren.
Ihr Bekenntnis zum Standort ist eine starke Botschaft. Wie ordnen Sie das deutsche Lieferkettengesetz ein – an vielen Stellen regt sich Kritik. Wie beurteilen Sie das Gesetz?
Obwohl wir aufgrund unserer Mitarbeiterzahl nicht direkt vom Lieferkettengesetz betroffen sind, nehmen wir die Themen, die es adressiert, sehr ernst. Wir setzen uns für die Einhaltung hoher sozialer und ökologischer Standards ein, um sicherzustellen, dass alle ethischen Normen eingehalten werden. Dies stellt für ein mittelständisches Unternehmen eine Herausforderung dar, insbesondere im Vergleich zu großen Konzernen mit umfangreichen Compliance-Teams. Trotzdem sehen wir es als unsere Verantwortung, hier proaktiv zu handeln und bereits jetzt Maßnahmen umzusetzen, die eigentlich erst in Zukunft verpflichtend werden.
Wie sehen Sie die Zukunft der Distribution in Deutschland und weltweit?
Die Distribution wird immer wichtiger werden. Obwohl wir derzeit eine Phase der Konsolidierung erleben, glauben wir fest daran, dass der Markt langfristig wachsen wird. Besonders in Deutschland, wo die Bedeutung der Distribution traditionell weniger stark ausgeprägt ist, sehen wir großes Potenzial. Wir müssen uns auf innovative Lösungen und eine stärkere Vernetzung konzentrieren, um den sich wandelnden Anforderungen gerecht zu werden. Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Flexibilität und Schnelligkeit sind, und diese Lektionen werden uns in der Zukunft helfen, noch besser zu werden.