Mit dem neuen Geschäftsbereich »Business Supplies« läutete Conrad Anfang des Jahres eine neue Ära für sein B2B-Geschäft ein und hat diesen Bereich mit riesen Schritten ausgebaut: mit neuen Hersteller, Akquisitionen und einem neuen Einkaufsportal will Conrad zur festen Größe im B2B-Segment werden.
Mit Conrad Business Supplies hat Conrad Anfang des Jahres das B2B-Geschäft neu strukturiert. Wie sieht Ihre Bilanz nach einem halben Jahr aus – wie greift der Ansatz im Feld?
Holger Ruban: Insgesamt sind wir in Europa im mittleren zweistelligen Bereich gewachsen. Wir konnten in kürzester Zeit entscheidende Key Accounts gewinnen und unsere Absätze im Besonderen im Komponentenbereich durch ein Zusammenspiel von Produktaufnahmen, Marketingmaßnahmen und den Vertrieb stark ausbauen. Unsere Mitarbeiter sind sehr motiviert, und von unseren Kunden und der Industrie im Allgemeinen ernten wir durchweg positives Feedback.
Ihr CEO Jörn Werner sagte im Interview im April dieses Jahres über das B2B Geschäft, »Wir müssen die Marke schärfen« – inwieweit ist das bislang gelungen?
Melanie Lauer: Wir haben begonnen, das B2B-Segment strategisch zu positionieren und sämtliche Kommunikationskanäle dem Anspruch unserer Business-Supplies-Kunden angepasst. Ein nächster großer Sprung wird das Re-Design unserer B2B-Website www.conrad.biz. Wir sind gerade dabei, diese nicht nur in der Optik, sondern auch im Inhalt auf die Bedürfnisse der Entwickler, Instandhalter und Handwerker abzustimmen.
Der Bereich Business Supplies ist ja neben dem Filialnetz und dem Distanzhandel ein eigener Vertriebskanal – dennoch gibt es sicher Synergien. Wie ist zum Beispiel das Filialnetz ins B2B-Geschäft eingebunden?
Holger Ruban: Wir nutzen unsere Filialen teilweise als Back-up-Lager. So bieten wir Eil-Lieferungen für B2B-Kunden an. Befinden sich Kunden also in einem 150-km-Radius einer unserer Filialen, und ist die Ware hier vorrätig, so kann auf Wunsch eine Belieferung innerhalb von nur drei Stunden erfolgen. Direkter Zugriff auf die Ware – so z.B. auf den Großteil der von uns angebotenen Evaluation Boards – ist natürlich auch für unsere B2B-Kunden in den Filialen möglich. Hier profitieren diese nicht nur von einer persönlichen technischen Beratung, sondern können selbstverständlich auch per Rechnung bezahlen.
Und welche Rolle spielt der eCommerce im B2B-Geschäft? Das Online-Geschäft war ja einer der Punkte, die Conrad laut Herrn Werner deutlich ausbauen wollte und will?
Melanie Lauer: Das eCommerce-Geschäft ist integraler Bestandteil der gesamten Business-Supplies-Strategie. Wir werden weiterhin unsere Online-Kanäle ausbauen. Dieser Ausbau umfasst zum einen die Internationalisierung unseres eProcurement-Angebotes, aber natürlich auch die laufende Optimierung der Webseiten. Einen ersten Schritt gehen wir mit dem zuvor erwähnten Re-Design von www.conrad.biz. Hier werden unsere Kunden künftig schnellen Zugriff auf unsere Servicelandschaft haben. Aber auch Microsites und Produktkonfiguratoren, wie der kürzlich realisierte Mikrocontroller-Entwicklungs-Kits-Finder auf www.conrad.biz/Mikrocontrollerkitsfinder, spielen hier eine zentrale Rolle.
Wird eProcurement also künftig den Katalog ablösen?
Holger Ruban: eProcurement wird vom Kunden bevorzugt – das ist die Erfahrung bei Conrad. Es gibt noch einige sehr traditionelle Kunden, die gedruckte Kataloge, Telefongespräche und sogar Fax-Bestellungen bevorzugen. Andere Kunden schätzen die automatisierte Bestellung und gehen zu Bestellformen wie Online-Shops, Web-Portal-Zugriff, Punch-out-Kataloge und verschiedene eProcurement-Lösungen über. In Zeiten sich schnell weiterentwickelnder Kommunikationstechnik muss man dem Kunden heute einfach mehrere Bestellkanäle bieten.
Markt&Technik traf zum Gespräch die führenden Köpfe von Conrad Business Supplies: Holger Ruban, Director Conrad Business Supplies, Shawn Silberhorn, Supplier Business Development Manager, und Melanie Lauer, Head of European Marketing von Conrad Business Supplies.
Was mir bislang aufgefallen ist: Conrad hat in der Tat sein Produktspektrum besonders bei den Bauelementen in den letzten Monaten rasant vergrößert, durch Franchiseerweiterungen oder neue Hersteller – so zumindest wirkt es in der Außenkommunikation. Können Sie eine »Hausnummer« nennen, um wie viele Produkte und Hersteller Sie das Bauteile-Spektrum erweitert haben?
Shawn Silberhorn: Wir haben innerhalb der letzten drei Monate über 120.000 neue Produkte gelistet. Vor allem im elektromechanischen Bereich konnten wir unser Angebot deutlich erweitern. So haben wir beispielsweise eine Komplettlistung von Wago, Weidmüller, Knipex und Rigol vorgenommen. Momentan arbeiten wir mit Hochdruck am massiven Ausbau des IC-Portfolios und der Embedded & Analog Design Development Tools. Außerdem werden wir unseren Kunden in Kürze eine interessante Auswahl beliebter Analog-ICs und Mikrocontroller anbieten können. In Erweiterung befindet sich zudem unser Microchip- und Bourns-Angebot. Neu bei uns sind außerdem Produkte von Würth Elektronik.
Wie stehen die Hersteller Ihrer B2B-Strategie gegenüber?
Shawn Silberhorn: Die konsequente Umsetzung unserer neuen Strategie hat auch die Hersteller überzeugt. Besonders interessant ist die starke Positionierung Conrads im Bildungsbereich. Das ist natürlich ein idealer Ausgangspunkt für Hersteller, um in einem frühen Stadion eine Kundenbindung herzustellen. Wir konnten innerhalb der letzten Monate wertvolle strategische Partnerschaften realisieren und erhalten gerade im Bezug auf die Neuaufnahmen rege Unterstützung.
Mehrere Distributoren bieten wie Conrad Eigenmarken – woher kommt die technische Fertigkeit, diese Produkte zu entwickeln, und bieten sie Vorteile gegenüber bekannten Marken?
Shawn Silberhorn: Eigenmarken sind nicht immer selbst entwickelt. Manchmal handelt es sich dabei um White-Labels, die in Asien eingekauft und anderenorts mit einer Marke versehen werden. Dennoch bieten sie in der Regel einen guten Standard in Sachen Qualität und Preis, weil Distributoren sonst ihren Namen durch schlechte Qualität beschädigen würden. Das bedeutet aber auch, dass zwei oder mehr Distributoren genau das gleiche Produkt anbieten können, das dann unter verschiedenen Marken vertrieben wird. Auch Conrad bietet Eigenmarken. Wir haben mit dem Conrad Technical Centre (CTC) allerdings eine Abteilung gegründet, in der qualifizierte Ingenieure für die Forschung & Entwicklung als auch für die Qualitätsüberwachung zuständig sind. Damit ist sichergestellt, dass wir über die richtige technische In-House-Expertise verfügen, um innovative und hochqualitative Produkte selbst zu entwickeln. Die Fertigung ist ausgelagert an zuverlässige Partner, die seit Jahren mit uns zusammenarbeiten. Conrads Eigenmarken wie Voltcraft, Toolcraft, C-Control, Conrad Energy, Sygonix etc. sind etwas günstiger und nur über Conrad erhältlich. Neben dem günstigeren Preis sind sie in Sachen Qualität durchaus konkurrenzfähig zu bekannten Marken. Um das zu gewährleisten, haben wir das Conrad Quality Control Center (CQC) gegründet, das für die Überwachung und ständige Verbesserung aller Produkte auf Basis der DIN-Standards verantwortlich ist:
Nun wird in der »Katalogdistribution« verstärkt diskutiert, inwieweit ein Katalogdistributor ins Volumengeschäft geht. Einer gibt offen zu, dass er Produktionsvolumina beliefert, der Rest hält sich eher bedeckt. Dennoch ist es ein offenes Geheimnis, dass auch von Katalogdistributoren immer mal wieder – kleinere – Volumenbestellungen vor allem von mittelständischen Fertigern bedient werden. Wie steht Conrad dazu?
Holger Ruban: Wir haben eine starke Expertise im Bereich Niedrig- und Mittelvolumendistribution, und daher bleiben unsere Conrad-Electronic-Gesellschaften diesem Geschäftszweig treu, dennoch führen wir über 90.000 Industrieverpackungen. Unsere Neuakquisition SOS electronic s.r.o. hat sich dagegen auf kleinere und mittlere Projektgeschäfte spezialisiert und wird sie auch weiterhin abwickeln.
Damit geben Sie gleich das nächste Stichwort: SOS electronic s.r.o., Rapid electronics: Conrad hat alleine in den letzten drei Monaten zwei Unternehmen gekauft, um das B2B Geschäft zu stärken. Wird es in nächster Zeit weitere Akquisitionen geben?
Holger Ruban: Wir schließen natürlich nicht aus, dass wir auch zukünftig Unternehmen akquirieren. Diesen Schritt gehen wir allerdings nur dann, wenn wir hierdurch unsere geografische Expansion oder unser Werteangebot nachhaltig verbessern bzw. beschleunigen können.
Wo ergeben sich für Distributoren die größten Chancen, im MRO-Geschäft oder beim Design neuer Produkte?
Melanie Lauer: Entwickler benötigen neueste Produkte, sind an Produkteinführungszeiten gebunden und brauchen einen Support, der ihre Effizienz verbessert. Um die Entwicklergemeinde entsprechend zu unterstützen, müssen beste Qualität, neueste Entwicklungen und wichtige zugehörige Produkte geboten werden, wie z.B. Entwicklungstools innovativer und vertrauenswürdiger Marken. Für diesen Support sind auch Angebote wie das Leiterplatten-Prototyping und die Montage von Bedeutung. Conrad sieht zum Beispiel auch ein hohes Interesse an seinem Kalibrierungsservice, denn Kunden wollen die Anzahl an Zulieferern, mit denen sie zusammenarbeiten, weiter konsolidieren.
MRO-Kunden brauchen einen zuverlässigen Partner, der schnell liefert. So bleibt der Lagerbestand beim Kunden niedrig, was Zusatzkosten einspart. Diese Kosten lassen sich auch durch eine geringere Anzahl an Distributionspartnern senken. Die Einkaufsabteilung kann so mit weniger Personal besetzt werden. Zuverlässige eProcurement-Systeme, Genehmigungsabläufe und automatische Nachbestellung sind oft verlangte Funktionen. MRO-Kunden wollen eine große Auswahl an Produkten, die sie möglicherweise benötigen, z.B. Tools, Sicherheit, Technikartikel, Test- und Messgeräte sowie Büroausstattung. Mit Conrad als Distributionspartner steht genau ein Partner anstatt einer Vielzahl von Partnern bereit.
Ein Blick in die Zukunft: Wie sehen die weiteren Ziele aus für den Bereich Business Supplies?
Holger Ruban: Unser Ziel ist es nach wie vor, in den nächsten fünf Jahren einer der führendenden webzentrischen Elektronikdistributoren für Niedrigvolumina in Europa zu werden. Hierzu haben wir noch einige Hausaufgaben zu machen, sind aber auf einem sehr guten Weg.