Denn auch wenn es weltweit Tausende von Leuten gebe, die sich ein E-Bike für 60.000 Euro gern mal gönnen - die wirklich wichtige Zielgruppe liegt für PG etwas tiefer. »Wir betrachten die Blacktrails als unsere Formel 1, hier loten wir die technischen Grenzen aus und zeigen, was derzeit grundsätzlich entwicklungstechnisch möglich ist. Unser Kerngeschäft besteht darin, die E-Bikes in der Preisklasse zwischen 5.000 und 7.000 Euro zu verkaufen«, erklärt Manuel Ostner. Das ist rein vom Preis gesehen gar nicht so teuer, ein gutes Rennrad kostet zwischen 3.500 und 10.000 Euro, ein gutes Mountain-Bike kommt auf 3.000 bis 6.000 Euro. Die Bikes würden also auch den Preisrahmen der Fachhändler nicht sprengen.
Aber auf dieser Ebene will PG gar nicht in Wettbewerb treten, das Unternehmen hat nicht den Sportmarkt, sondern einen ganz neuen, jetzt entstehenden Markt im Visier.
Dazu ein kurzer Blick in die Vergangenheit: Die letzte große Value Innovation in der Fahrradwelt hatte das Montain-Bike gebracht. Erfunden haben es amerikanische Surfer, die sich ein Trainingsgerät basteln wollten, das sie an Land benutzen können. Was Ende der 70er Jahre und Anfang der 80er Jahre als Tüftelei begann, löste eine Revolution aus. Aus dem ursprünglichen Mountainbike entwickelten sich eine beachtliche Typenvielfalt wie Trekking-, Touring- und City-Bikes. Die Menschen erlebten das Fahrrad nicht mehr nur als günstiges Transportmittel von A nach B. Es wurde zum Kultobjekt und Lifestyle Produkt von Trend setzenden sowie gesundheitsorientierten Lifestylern.
Das E-Bike - viel mehr als ein Sportgerät
Das Interessante dabei: Selbst unter den stolzen Besitzern der klassischen Mountain-Bikes nutzen nur 13 Prozent ihr Fahrrad wirklich sportiv. Diese Zahl sagt Stocker viel: »Wir müssen die E-Bikes spannend verkaufen und dazu Lifestyle bieten.« Das erschöpft sich nicht nur darin, Prominente als Zugpferd zu gewinnen. Über Kooperationen mit auf dem Markt etablierten Firmen will PG sich einen Brand aufbauen, der Technik, Sport und Lifestyle verbindet. »Wir sind der etwas andere Radl-Hersteller, wir sitzen auf der Driver Position.«
Das funktioniert auch über Partnerschaften mit weiteren Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen - beispielsweise Banken und Versicherungen - die sich auf Basis der E-Bikes ein eigenes, modernes Image aufbauen können, indem sie etwa die Bikes ihren Angestellten zur Verfügung stellen, und damit zeigen, wie sich der Verkehr ökologisch sinnvoll umgestalten lässt.
In Regensburg konnte die Firma bereits Unternehmen und die Universität gewinnen, die dazu beitragen, mit den E-Bikes in ihre Heimatstadt den Verkehr in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken. Die Stadt Regensburg und der Bürgermeister unterstützten die Aktivitäten. Stocker: »Den Kommunen, die grundsätzlich knapp bei Kasse sind, drei E-Bikes und eine Ladestation hinzustellen, das wäre nicht der richtige Weg. Wir müssen Unternehmen gewinnen, die investieren. Sie können damit sowohl ihre eigenen Image-Ziele verfolgen als auch dazu beitragen, die Idee der intelligenten Mobilität weiter zu tragen - zum Nutzen aller. Das ist ein pragmatischer und skalierbarer Ansatz.«
Kein Wunder, dass Firmen verstärkt auf das PG Projekt »XY Rides Green« zurückgreifen, um sich den positiven Imagetransfer zu sichern.
Der Bauelemente-Distributor EBV beispielsweise beliefert den PG-Bike Motorenzulieferer Clean Mobile mit den entsprechenden elektronischen Komponenten, die erforderlich sind, um den Motor anzusteuern und das Batterie-Management durch zu führen. EBV hat schon länger einen Schwerpunkt auf den Markt der Erneuerbaren Energien gesetzt, nicht ohne Erfolg, denn schon heute generiert EBV einen wichtigen Teil des Geschäfts in diesem Sektor. »Wir sehen uns wie PG auf ihren Gebiet als Trendsetter in unserem Bereich und glauben, dass der Markt für E-Bikes - wie die Elektromobilität generell - schnell wachsen wird. Wir wollen wie bei den Erneuerbaren Energien von Anfang an mit dabei sein«, sagt Georg Kahle von EBV. Und weil EBV selber seine Mitarbeiter schon länger über verschiedene Programme zu umweltverträglichen Handeln motiviert, passt das Angebot im Rahmen von »EBV Rides Green« genau in dieses Konzept. EBV baut jetzt eine Ladestation am Firmensitz in Poing bei München auf und kauft vier E-Bikes, die sich die Mitarbeiter leihen können.
Und das ist genau das Stichwort für Stocker, für den die Zahl 13 Prozent noch eine weitere wichtige Botschaft enthält: »Wir müssen uns den Markt der übrige 87 Prozent erschließen, den der nicht sportiven Nutzer. Wir müssen ihnen zeigen, welche Vorteile der E-Motor-Antrieb bringt.«
Damit meint er beispielsweise die Mitarbeiter von Firmen wie EBV, denen der E-Antrieb erlaubt, durchaus größere Strecken zwischen Wohnung und Arbeitsplatz mit dem E-Bike täglich zu bewältigen. Und das bequem auch im Anzug, weil sie trotz schöner Durchschnittsgeschwindigkeit nicht ins Schwitzen kommen und zudem noch Laptop und Aktentasche auf ihrem Gefährt problemlos verstauen können. »Das schafft Lebensqualität und Erfolgserlebnisse, die Nutzer werden den Firmen dankbar sein, die ihnen dieses neue Lebensgefühl ermöglichen - und das mit guten Gewissen, denn sie tun etwas gegen den Verkehrsinfarkt unserer Städte und gegen CO2-Belastung«, freut sich Stocker.
Zu den Zielgruppen, die PG im Auge hat, gehören alle Altersgruppen, denen daran liegt, bequem, mit Spaß und mit Hilfe von intelligent eingesetzter High-Tech von A nach B zu kommen. Das Potenzial in Deutschland schätzt Stocker auf 15 Mio. Menschen. Derzeit stößt er bei Leuten ab 40 auf großes Interesse, die sich fit fühlen und das Besondere suchen. Meist sind es technisch interessierte Männer, die sich von dem zuverlässigen Elektronikantrieb und vom besonderen Design faszinieren lassen. Mit einem neuen Holland-E-Bike will PG ab September weitere Zielgruppen ansprechen.
Wie sehen die nächsten Schritte des Start-ups aus Regensburg aus, um die ehrgeizigen Wachstumsziele zu erreichen?
Zum Einen wird sich im Bereich der Technik noch sehr viel tun, etwa durch bessere Batterien. Zum anderen steht die E-Bike-E-Mobility erst ganz am Anfang. »Wir können noch gar nicht absehen, welche neuen Möglichkeiten die Elektromotoren für Zweiräder erschließen, wir sollten unserer Phantasie freien Lauf lassen, denn ich wette, dass hier noch ganz andere und neue Konzepte verwirklicht werden können, an die heute keiner denkt«, sagt Manuel Ostner.