Messung, Simulation, Virtualisierung

Methoden und Tools für die Entwicklung von Fahrzeugsystemen

13. September 2016, 13:29 Uhr | Stefanie Eckardt
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Physikalische Messungen

Umgekehrt bilden Messdaten aus Versuchen im Fahrzeug oder am Prüfstand eine wichtige Basis für Simulationen und Virtualisierungen. Auf der einen Seite können Messdaten als Referenz für die Kalibrierung von Funktionen in der virtuellen Umgebung verwendet werden. Auf der anderen Seite lassen sie sich sowohl zur Stimulation von Simulationen als auch für die Erzeugung datenbasierter Modelle nutzen, die es im Vergleich zu physikalischen Berechnungen oft erlauben, das Systemverhalten einfacher abzubilden und genauer vorherzusagen.
Die Ergebnisse von Versuchen am realen Objekt werden nach wie vor ausschlaggebend für die Freigaben bleiben. Denn Probleme, die nicht auf Fehler im System-Design oder auf Abweichungen der Implementierung vom Design zurückgeführt werden können, lassen sich nur anhand der Ergebnisse von Versuchen am Prüfstand oder im Fahrzeug identifizieren.
In der Vergangenheit wurden in der Regel isolierte Messungen durchgeführt, um damit einzelne Fragestellungen zu beantworten. Um aber das Verhalten komplexer Systeme zum Beispiel moderner High-Tech-Verbrennungsmotoren, Hybridantriebe oder fortgeschrittener Brems- und Fahrerassistenzsysteme sicher vorhersagen und beherrschen zu können, greift dieser Ansatz zu kurz: Hier ist es von großem Vorteil, möglichst alle Messaufgaben zusammenzufassen, das heißt alles auf einmal in einem Versuch am Prüfstand oder im Fahrzeug zu messen. Mit diesem Ansatz lassen sich einmal gewonnene Messdaten systematisch wiederverwenden, unterschiedliche Messgrößen einfach korrelieren, abhängige Funktionen optimieren sowie komplexe Fehlerbilder verstehen. Gleichzeitig können Messergebnisse, etwa für OBD-Abnahmen, lückenlos dokumentiert werden. Zudem ist es aus wirtschaftlichen Gründen in hohem Grade sinnvoll, Prüfstände und Versuchsfahrzeuge bestmöglich zu nutzen, indem möglichst viele Messaufgaben in einen Versuch integriert werden.
 

Bild 4. Das Steuergeräte- und Busschnittstellenmodul ES891 kommuniziert mit den angeschlossenen Steuergeräten über FETK- und serielle Busschnittstellen. Zusätzlich dazu werden Messdaten aus der Buskommunikation über CAN, FlexRay, LIN und von Messmodu
Bild 4. Das Steuergeräte- und Busschnittstellenmodul ES891 kommuniziert mit den angeschlossenen Steuergeräten über FETK- und serielle Busschnittstellen. Zusätzlich dazu werden Messdaten aus der Buskommunikation über CAN, FlexRay, LIN erfasst.
© ETAS

Alles Messen
Die Aufgabenstellung, die sich daraus für die Messungen im Fahrzeug ergibt, ist die lückenlose und zeitlich synchronisierte Aufzeichnung von Messsignalen aus unterschiedlichen Quellen. Im Zusammenspiel mit leistungsfähigeren Prozessoren, Datenbussen und Übertragungsprotokollen erlauben es Werkzeuge wie die Steuergeräteschnittstelle FETK oder die Steuergeräte- und Busschnittstellenmodule der ES800-Hardware, Fahrzeug- und Steuergerätedaten mit einer Rate von bis zu 120 MB/s aufzuzeichnen und mit äußerst exakten Zeitmarken zu versehen (Bild 4). Das ist die zentrale Voraussetzung dafür, dass Versuchsingenieure Messungen nicht nur auf eine einzelne Fragestellung hin auslegen, sondern deren Umfang ausweiten können. Um Zeit und Kosten zu sparen, muss es das Ziel sein, sämtliche Signale aus der Fahrzeugelektronik an möglichst wenigen Versuchstagen unterbrechungsfrei aufzuzeichnen. So kommen schnell Datenmengen im dreistelligen Tera­byte-Bereich zusammen. Dabei enthalten die Messdateien, um die es hier geht, mehrere zehntausend Signale, die in mehr als 60 unterschiedlichen Zeit­rastern aufgezeichnet werden können.

Ausblick
Durch den Einsatz virtueller Steuergeräte können die einzelnen Schritte

  • Design,
  • Prototyping,
  • Implementierung,
  • Verifizierung,
  • Integration und
  • Validierung

der Entwicklung neuer elektronisch gesteuerter Fahrzeugfunktionen einerseits nahtlos ineinandergreifen. Andererseits lassen sich virtuelle Steuergeräte beliebig vervielfältigen, wodurch sich Arbeitsschritte einfacher parallelisieren und Aufgaben besser verteilen lassen. Beide Faktoren können wesentlich dazu beitragen, sowohl die Software-Entwicklung zu beschleunigen als auch die Qualität der Software zu verbessern. Gleichzeitig sinken die Entwicklungskosten, weil Fehler oder Mängel im Design und der Implementierung frühzeitig erkannt und beseitigt werden können. Zudem verringert sich der Bedarf an aufwändigen Brettaufbauten, anspruchsvollen Hardware-in-the-Loop-Testsystemen, Prüfständen mit hohen Anschaffungs- und Betriebskosten sowie kostspieligen Testfahrzeugen deutlich. Software- und Hardware-in-the-Loop-Tests werden sich künftig immer weiter ergänzen – mit fließenden Übergängen. Werkzeuge wie Isolar-Eve und die Realtime-PC-Technologie von ETAS sind dabei ein Schlüssel, um die Brücke zwischen diesen Testmethoden zu schlagen.
Erprobungsfahrten werden dann hauptsächlich dazu dienen, die Datenbasis für die Simulationen am Rechner zu schaffen und dort vollzogene Validierungen abzusichern. Daten, die im Laufe der Entwicklung bei Simulationen und Versuchen gewonnen werden, können im Prinzip immer wieder für unterschiedliche Zwecke verwendet werden. Voraussetzung dafür, dass andere Ingenieure, Teams, Abteilungen oder Firmen die vorhandenen Daten effektiv nutzen können, ist, dass diese mit Hilfe von leistungsfähigen Datenbanken, Suchalgorithmen, Visualisierungen, Navigations- und Auswahlmechanismen effizient verwaltet und zugänglich gemacht werden.
Trotz der wachsenden Komplexität von Antriebs- und Assistenzsystemen und trotz der ebenso weiter wachsenden Zahl an Sensoren und Steuergeräten wird es mit den vorgestellten Ansätzen der Messung, Simulation und Virtualisierung, wie sie von ETAS verfolgt werden, möglich sein, die Erprobungsphasen weiter zu verkürzen und die Anzahl an Prototypen und Versuchsträgern noch einmal deutlich zu verringern.


  1. Methoden und Tools für die Entwicklung von Fahrzeugsystemen
  2. Offen für alle Aufgaben
  3. Physikalische Messungen
  4. Die Autoren

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