Artefakteübergreifendes Varianten-Management

Werkzeuggestützte Erweiterung der herkömmlichen Produktlinienentwicklung

26. April 2011, 14:04 Uhr | Stephan Janouch
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Eigenschaftsorientierte Handhabung der Variantenvielfalt

Bild 1. Klassische Produkt­linienentwicklung mit einem zentralen Merkmalsmodell.
Bild 1. Klassische Produkt­linienentwicklung mit einem zentralen Merkmalsmodell.

Eine Produktlinienspezifikation besteht grundsätzlich aus zwei Entwicklungskomponenten. Dem Eigenschafts- bzw. Merkmalsmodell und den variantenreichen Entwicklungsartefakten. Das Merkmalsmodell spezifiziert die gemeinsamen und unterschiedlichen

Eigenschaften der aus der Produktlinie hervorgehenden potentiellen Systemvarianten (Bild 1, Mitte/links).

Sie enthalten Pflicht-, Optional- und Alternativmerkmale. Diese werden in einer Baumstruktur angeordnet. Wird ein Merkmal einem anderen Merkmal als Kind-Merkmal untergeordnet, so beschreibt es eine Eigenschaft, die sich im Detail aus der Eigenschaft des übergeordneten Merkmals ergibt. Pflichtmerkmale (z.B. Engine, Wiper) sind immer Bestandteil einer Systemvariante, solange sie nicht einem Optional- bzw. Alternativmerkmal untergeordnet sind. Ein Optionalmerkmal (z.B. DoorLock) kann, muss aber nicht, Teil einer Systemvariante sein. Alternativmerkmale (z.B. Manual/Automatic, One Motor/Two Motor) sind ebenfalls optional, jedoch muss oder kann bei einer Konfiguration maximal eines der Alternativmerkmale aus der Gruppe gewählt werden (abhängig von der Kardinalität der Gruppe). Neben der grundsätzlichen Vater-Kind-Struktur können zusätzlich strukturübergreifende Beziehungen zwischen Merkmalen definiert werden. Beispielsweise Include- oder Exclude-Beziehungen; weitere Beziehungsarten sind möglich.

Die Variationspunkte der variablen Systemspezifikation werden an die zuvor definierten Merkmale gebunden (Bild 1, rechts). Eine so genannte Merkmals-Annotation umfasst einen Variationspunkt und einen logischen Ausdruck über die für den Variationspunkt relevanten Merkmale. Wird ein solcher logischer Ausdruck durch eine Merkmalskonfiguration erfüllt, hat der Variationspunkt im resultierenden System Bestand und wird andernfalls entfernt.

Das zentrale Merkmalsmodell bietet eine globale Sicht auf die variablen Eigenschaften einer Produktlinie und steht orthogonal zu den Artefakten einer Systemspezifikation.

Jedoch birgt dieses Prinzip auch einige Nachteile:

  • Durch Hinzunahme weiterer Merkmale und strukturübergreifender Beziehungen wird das zentrale Merkmalsmodell schnell sehr komplex und unübersichtlich, so dass auch hier die Gefahr von Inkonsistenzen und Fehlern hoch ist.
  • Merkmale stehen grundsätzlich mit einer Vielzahl von Variationspunkten in Beziehung, sowohl innerhalb eines Artefakttyps als auch artefakttypübergreifend. Ein exklusiver Bezug zu genau einem Variationspunkt ist die Ausnahme. Eine lokale Eingrenzung der variablen Eigenschaften auf eine bestimmte Teilproblematik der Produktlinienspezifikation oder ein bestimmtes Artefakt ist mit nur einem zentralen Merkmalsmodell daher nicht möglich.
  • Gleichzeitig ist es somit auch nicht möglich, die Lösung für ein variables Teilproblem in anderen Produktlinienspezifikationen wiederzuverwenden, ohne dabei den Bezug zu den Merkmalen des zentralen Merkmalsmodells zu verlieren.
  • Beim kollaborativen Arbeiten auf einem einzigen, zentralen Merkmalsmodell ist die Gefahr von sich ergebenden inkonsistenten Zuständen hoch. Dies ist nur sehr aufwendig, z.B. mit Transaktionsmechanismen auf lokale Bereiche des Merkmalsmodells, zu verhindern.

Aus den hier genannten Problematiken begründet sich der Bedarf, das klassische Produktlinienprinzip zu erweitern.


  1. Werkzeuggestützte Erweiterung der herkömmlichen Produktlinienentwicklung
  2. Eigenschaftsorientierte Handhabung der Variantenvielfalt
  3. Erweiterung der Produktlinienentwicklung
  4. Komposition zu einer Produktlinienspezifikation
  5. Die Autoren

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