Je nach Art und Umfang der Bypass-Funktion lassen sich verschiedene Arten von Bypass-Methoden unterscheiden (Bild 5).
Variablen-Bypass wird auch Slewing genannt
Im einfachsten Fall überschreibt eine Bypass-Funktion nur eine Speicherzelle mit einem Wert, ohne dass eine Berechnung stattfindet. Diese Variante wird als Variablen-Bypass oder auch als „Slewing“ bezeichnet. Typische Anwendungsfälle für diese Bypass-Methode sind das Festhalten einer Steuergerätevariablen auf einem bestimmten Wert, beispielsweise zur Kalibrierung von Steuergerätefunktionen, oder die Deaktivierung eines Berechnungspfads durch das Setzen eines neutralen Wertes („0“ oder „1“). Für Test- oder Diagnosezwecke können mit dieser Methode gezielt Werte von Sensorsignalen vorgegeben oder Einträge im Fehlerspeicher gesetzt werden. Wenn ein Variablen-Bypass steuergeräteintern implementiert ist, kann er mit gängigen Kalibrationswerkzeugen, wie zum Beispiel INCA, bedient werden.
Funktions-Bypass – der „Klassiker“
Der klassische Bypass, der im Rahmen der Weiterentwicklung von vorhandenen Steuergerätefunktionen zum Einsatz kommt, wird auch als Funktions-Bypass bezeichnet. Neue Funktionen werden per Bypass mit den bestehenden Funktionen des Steuergeräts gekoppelt. Die bestehende Software des Steuergeräts übernimmt zum überwiegenden Teil die Steuerung und Regelung des Fahrzeugsystems und wird durch die neuen Funktionen erweitert. Wenn die Bypass-Funktion extern auf einem Experimentiersystem berechnet wird, können über dieses System zusätzliche Signale von Sensoren oder von Fahrzeugbussen eingebunden werden.
Applikations-Bypass mit einem Seriensteuergerät als Vehikel
Beim Applikations-Bypass werden die Ein- und Ausgangssignale der Bypass-Funktion direkt an den Schnittstellen der Plattform-Software zur Applikationsschicht abgegriffen. Bei der Methode werden Hardware, Treiber und Betriebssystem eines vorhandenen Steuergeräts genutzt, um eine neue Funktion ohne Einbeziehung von bestehender Applikations-Software zu entwickeln.
Der Vorteil dieser Methode besteht darin, eine neue Funktion auf Basis von existierender Seriensteuergeräte-Hardware zu entwickeln. Beispielsweise können die originalen Ein- und Ausgangssignale des Steuergeräts verwendet werden, welche die Reaktion der Treiberschicht des Steuergeräts enthalten, zum Beispiel der Diagnoseprotokolle. Mit Hilfe eines Experimentiersystems können gegebenenfalls zusätzliche Sensoren, Aktoren oder Fahrzeugbusse eingebunden werden.
Fullpass auf dem Experimentiersystem
Beim Fullpass wird das Steuergerät vollständig durch ein Experimentiersystem ersetzt. Zusätzlich zur Applikations-Software integriert das Fullpass-System auch Treiber für die Schnittstellen und das Steuergeräte-Betriebssystem sowie Schnittstellen für Sensoren, Aktoren und Fahrzeugbusse, wie zum Beispiel CAN-Controller. Fullpass-Systeme werden typischerweise bei Neuentwicklungen eingesetzt, bei denen entweder die Steuergeräte-Hardware oder die Plattform-Software noch nicht zur Verfügung stehen.s getestet werden.