Turin ist bekannt als Autostadt, schließlich wurde hier Fiat gegründet. Inzwischen kann die piemontesische Stadt auch mit anderen Spitzentechnologien aufwarten. Die Teoresi Group beispielsweise integriert Lifescience-Innovationen in ihre Mobilitäts-Lösungen. Das Zauberwort heißt Cross-Fertilisation.
Teoresi wurde 1987 als klassisches IT-Beratungsunternehmen gegründet. In den ersten Jahren seines Bestehens konzentrierte sich das Unternehmen vor allem auf Software für wissenschaftliche Berechnungen, modellbasiertes Design und virtuelle Prototypentwicklung. Durch die Zusammenarbeit mit führenden US-amerikanischen Unternehmen brachte Teoresi innovative Technologien nach Italien und entwickelte im Lauf der Jahre selbst umfassende Anwendungskompetenz.
Als Pionier in Sachen modellbasiertes Design zur Entwicklung, Simulation und Validierung von Systemen positionierte sich Teoresi ab 2002 als spezialisierte Technologieberatung, mit einem Schwerpunkt auf Automotive. Seitdem wurde das Tätigkeitsfeld sukzessive auf andere Branchen ausgeweitet. Aktuell reicht die Expertise neben selbstfahrenden E-Autos bis hin zur Nanotechnologie für den medizinischen Bereich.
»Mit unserer ganzheitlichen Expertise rund um Engineering und Machine Learning entwickeln wir Intelligenz für Maschinen und geben diesen sozusagen ein Gehirn. Wir binden dabei generell unsere Experten an allen Standorten ein, in Italien ebenso wie in Deutschland, den USA und der Schweiz«, erläutert Marco Bazzani, Innovationsmanager der Teoresi-Gruppe. »Und genauso grenzüberschreitend arbeiten wir auch, wenn es um Branchenschwerpunkte geht. Wir sind ständig bemüht, neue Tätigkeitsfelder zu erschließen, auch wenn unser Hauptaugenmerk nach wie vor auf dem Bereich Automotive im weiteren Sinne liegt.«
Die Teoresi Group: Daten & Fakten | |
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Gegründet: | 1987 |
Hauptsitz: | Turin |
Mission: | Intelligente Objekte verbinden, sie autonom machen und mit künstlicher Intelligenz ausstatten |
Firmengröße: |
Mehr als 1.100 Mitarbeiter in 26 Niederlassungen weltweit |
Erfolg: | 118 % Umsatzwachstum in den vergangenen fünf Jahren |
Automotive im weiteren Sinne bedeutet konkret, dass Teoresi an der intelligenten und vernetzten urbanen Mobilität der Zukunft arbeitet: So hat die Gruppe ein F&E-Projekt für unterstütztes bzw. autonomes Fahren initiiert. In der ersten Phase des Projekts hat Teoresi hierzu eine virtuelle Umgebung geschaffen, in der Fahrzeugdynamik bzw. kooperative Kontrollstrategien realistisch emuliert werden können. Dieser Simulator erlaubt es dem Fahrzeug, Algorithmen zu trainieren – um die daraus resultierenden Fähigkeiten dann in der Praxis zu testen.
Der dabei verwendete Prototyp war von Anfang an als eine Art rollendes Labor gedacht, in dem neue Erkenntnisse erprobt werden können. Teoresi entwickelte unter anderem neue Ansätze für ADAS (Advanced Driver Assistance Systems) und Drive-by-Wire-Systeme. Der Test erfolgte in einer zweiten Projektphase auf dem Firmengelände von Teoresi. Im Rahmen von Kooperations-Partnerschaften auf nationaler und europäischer Ebene sind weitere Tests auf einer Smart Road mitten in der Stadt vorgesehen, wobei Teoresi hierbei die Vielfalt des lokalen Innovations-Ökosystems nutzt.
So wurden die autonomen Fahrtechnologien im E-Stadtauto YOYO des ebenfalls in Turin ansässigen Herstellers XEV installiert. Die Nutzung der Smart Road wiederum resultiert aus einer Partnerschaft von Teoresi mit dem Innovationslabor der piemontesischen Hauptstadt, dem Torino City Lab, das Unternehmen die Möglichkeit gibt, innovative Lösungen in realen Umgebungen zu testen. Das Ziel für Teoresi definiert Marco Bazzani dabei wie folgt: »Wir möchten nicht etwa irgendwann selbst autonome Fahrzeuge bauen, sondern als zuverlässiger Entwickler neuer Technologien Partnern unser Wissen zur Verfügung stellen.«
Die Zusammenarbeit mit anderen Innovationsakteuren ist eine ‚traditionelle‘ Charakteristik der Entwicklungstätigkeit von Teoresi – auch über Turin hinaus. So ist das Unternehmen Mitglied des »Centro Nazionale per la Mobilita Sostenibile« (Nationales Zentrum für nachhaltige Mobilität- MOST). Dieses mit Geldern aus dem Piano Nazionale di Ripresa e Resilienza (Nationales Konjunkturprogramm - Next Generation EU) finanzierte Projekt umfasst italienweit 24 Unternehmen und 25 Universitäten, darunter die in Turin ansässigen Partner Politecnico di Torino, sowie Leonardo, Thales Aerospace, Stellantis und Iveco.
Hinzu kommt, dass auch intern das Thema branchenüberschreitende Kooperation groß geschrieben wird: Das Zauberwort lautet hier Cross-Fertilisation. So können die für das für autonome Stadtauto entwickelten Technologien auch auf kleinere Fahrzeuge übertragen werden, die für den Transport in Lagerhallen verwendet werden. Umgekehrt kann eine Anwendung, die beispielsweise für den Lifescience-Sektor entwickelt wurde auch nahezu 1-zu-1 in ein Connected Vehicle passen – oder eine weitere Automotive-Innovation inspirieren.
Um diese Vielschichtigkeit zu erzielen, setzt Teoresi auf interdisziplinäre Teams, wie Marco Bazzani erläutert: »In unseren Projektteams arbeiten Menschen mit unterschiedlichen beruflichen und auch persönlichen Hintergründen zusammen. Das führt zu einem lebhaften alltäglichen Wissenstransfer und dem Zusammenfluss von Know-how aus mitunter sehr weit voneinander entfernten Bereichen. So kann zum Beispiel KI, die ursprünglich zur Analyse physiologischer Parameter und zur Erstellung von Ferndiagnosen im Bereich Telemedizin entwickelt wurde, in einem Fahrzeug eingesetzt werden, um eine etwaige Schläfrigkeit oder ein medizinisches Problem des Fahrers zu erkennen und so Unfälle zu vermeiden.«
Generell, so Marco Bazzani weiter, kann gerade bei KI-basiertet Technologie eine Innovation schnell eine weitere befruchten: »Wenn wir eine KI-Lösung für die vorausschauende Wartung von Geräten im Bereich der Biowissenschaften entwickeln, können wir sie manchmal fast unverändert auf den Automobilsektor übertragen. Und eine telemedizinische Anwendung kann sich in abgewandelter Form durchaus in einem Autocockpit wiederfinden.«
Für Arzt und Auto – KI-basierte Überwachung von Vitalparametern |
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Cross-Fertilisation baut bei Teoresi auf zwei wesentlichen Säulen auf. An erster Stelle steht dabei die internationale Erfahrung des R&D-Teams, ohne die Innovation nicht möglich wäre. Diese wird ergänzt durch die typisch italienische Unternehmenskultur, die sich an allen Standorten wiederfindet. Im offenen Austausch kann aus einer Idee eine andere entstehen – so wie im Fall der KI-basierten Überwachung von Vitalparametern. Diese kann mit Hilfe einer Webcam das Gesicht eines Nutzers analysieren und die Herz- bzw. Atemfrequenz sowie die Sp02 ermitteln. Im medizinischen Bereich gibt die Technologie der Remote-Beratung zwischen Patienten und Arzt eine neue Qualität. Im Teoresi-internen Austausch kam zudem die Idee auf, die Lösung für den Automobilbereich zu adaptieren, um Gesundheitszustand, etwaige Müdigkeit sowie Aufmerksamkeit des Fahrers zu erkennen. |
Cross-Fertilisation bei KI geht bei Teoresi aber auch den umgekehrten Weg, sprich: den von Automotive in Richtung Lifescience: Marco Bazzani erklärt hierzu: »Computer Vision und Sensor Fusion sind Kerntechnologien – sowohl für den Außen- als auch für den Innenbereich –, um die Umgebung von autonomen Fahrzeugen zu überwachen und Entscheidungen für die Fahrt zu treffen. Dieselben Funktionen können Ärzten helfen, auf Basis der Analyse von Bildern und Videos von medizinischen Geräten Therapie-Entscheidungen zu treffen.«
Teoresi – Branchen & Märkte |
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Cross-Fertilisation made by Teoresi ist indessen weit mehr als ein exklusives Wechselspiel zwischen den Entwicklungsbereichen Mobilität und Lifescience. Auch Erfahrungen mit den in jüngster Zeit für andere Branchen entwickelten Technologien schlagen sich mitunter im Automotive Bereich nieder, so Marco Bazzani: »Wir sind seit einiger Zeit auch im Space-Umfeld aktiv, und unbemannte Drohnen sind ja eine Art Weiterentwicklung autonomer Mobilität. Da ist es nur logisch, dass es auch an dieser Branchen-Schnittstelle zu einem wechselseitigen Austausch von Erkenntnissen kommt, und dasselbe gilt für unsere Fintech- oder generell Datensicherheits-Lösungen, die auch rund um die Connected Mobility Anwendung finden.«
Noch mehr nachhaltige Inhouse-Cross-Fertilisation erhofft sich Teoresi von dem seit kurzem eingeschlagenen Weg gezielter Übernahmen. So wurden Anfang 2023 die beiden Mailänder Unternehmen HiFuture (Hardware- und Firmware-Design) sowie BindingFuture (Entwicklung von Cloud-Anwendungen) übernommen. Im September folgte die nahe Bologna ansässige MediCon Ingegneria, die komplexe Lösungen unter anderem für die Herstellung medizinischer Geräte entwickelt. Seit Oktober sind schließlich die ebenfalls in Mailand ansässigen Smart-Spaces-Experten von Io.T Solutions Teil der Teoresi Group.
Die nächste Zusammenarbeit mit anderen Innovationsakteuren wurde Ende Januar 2024 mit dem europäischen Projekt Envelope gestartet. Im Kontext von Envelope, an dem von deutscher Seite die Universität Duisburg-Essen beteiligt ist, werden drei Pilotprojekte zur autonomen und vernetzten Mobilität über 5G in Italien, Griechenland und den Niederlanden umgesetzt. Das italienische Pilotprojekt führt Teoresi in Turin in Zusammenarbeit mit dem Torino City Lab, der Fondazione Links, TIM – beide ebenfalls in Turin ansässig – und anderen Partnern aus Italien und Europa durch.
Im Rahmen des italienischen Pilotprojekts ist unter anderem geplant, die von den Sensoren an Bord des Fahrzeugs erfassten Daten zu nutzen, um die Umgebung zu kartieren und die Dynamik eines möglichen Unfalls in Echtzeit zu rekonstruieren. Dies wird auch nützliche Informationen für die Rettungsdienste liefern, wie etwa Staus auf dem Weg zum Unfallort oder die Beteiligung anderer Fahrzeuge. Die gesammelten Daten werden über eine Edge-Computing-Infrastruktur verarbeitet, was den Bedarf an Datenverarbeitung in entfernten Rechenzentren erheblich reduziert.