Motorprüfstand

Höhere Flexibilität und kürzere Zugriffzeiten

18. Juni 2013, 12:54 Uhr | Von Bernd Wenzel, Henning Rechenberg, Hasan Uzun, Christoph Müller Philipps Sohn und Bartolomäus Salega
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Einfache Integration in bestehende Umgebungen

Die um den MCA und die Matlab-Anbindung erweiterte Testkonfiguration besitzt gleich mehrere Vorteile im Vergleich zur herkömmlichen Lösung. So lässt sich Matlab als vollwertige Applikations-Anwendung nutzen, womit wesentlich flexiblere Abläufe - etwa für zeitkritische Anwendungen - kurzfristig umsetzbar sind. Die Matlab-Anbindung kapselt dabei die komplette Schnittstellenausprägung. Da man so im Applikations- prozess frei auf Größen zugreifen kann (lesend oder Parameter schreibend), ist es dem Ingenieur möglich, sich schnittstellenunabhängig ganz auf den motorischen Kontext zu konzentrieren. Auf diese Weise lassen sich Matlab und die darin entwickelten Anwendungen auch in konventionellen Prüfstandsumgebungen (mit oder ohne schnelle iLinkRT-Anbindung des Steuergerätes) nutzen.

Da der Multi-Client-Adapter sich gegenüber dem Automatisierungssystem als ASAP3-konformes MC-System darstellt, ist eine einfache Integration des MCA in bestehende Prüfstandsumgebungen möglich. Falls dort die Hochgeschwindigkeits-Schnittstelle TAS verfügbar ist, lässt sich diese für einen bidirektionalen Prozessgrößenaustausch zwischen der Prüfstandsautomatisierung und den Matlab-Anwendungen nutzen. Eine solche Konfiguration ermöglicht eine Remote-Steuerung der Prüfstandsautomation in Echtzeit.

Der MCA in Verbindung mit dem MC-System lässt sich grundsätzlich sowohl allein für die Nutzung durch die Prüfstandsautomatisierung als auch für die Nutzung einer beliebigen Anzahl von Matlab-Instanzen verwenden. Sogar ein Parallelbetrieb ist möglich: Neben dem Stand-alone-Einsatz wird gleichzeitig auch der Betrieb mit der Prüfstandsautomatisierung und einer beliebigen Anzahl von Matlab-Instanzen unterstützt.

Darüber hinaus erlaubt Matlab dem Anwender, mathematische Modelle zu validieren, ohne den Umweg über ein externes Automatisierungssystem gehen zu müssen. Dabei stehen Matlab auch Algorithmen zur Verfügung, die in dieser Form meist nicht von bereits auf dem Markt verfügbaren Systemen unterstützt werden.

Schnelle Zugriffszeiten für Regelungen in Echtzeit

Der parallele Einsatz mehrerer unabhängiger Matlab-Instanzen eröffnet weitere Anwendungsmöglichkeiten. So lässt sich beispielsweise in einer Instanz ausschließlich eine Grenzwertüberwachung betreiben, während eine andere den eigentlichen Applikationsprozess ausführt, wie etwa das Fahren von Zündhaken. Dabei werden unterschiedliche Zündwinkel abgefahren und Messergebnisse parallel ermittelt und ausgewertet. Dieser Prozess lässt sich mit Hilfe des MCA und Matlab komplett automatisiert in Echtzeit durchführen. Durch den Einsatz besonders schneller Kommunikationsschnittstellen ist eine dynamische Einstellung des Zündwinkels möglich, die mit genauen Messergebnissen validiert wird.

Sowohl bei der Kommunikation mit dem MC-System als auch mit dem Automatisierungssystem zeigen die Hochgeschwindigkeits-Schnittstellen iLinkRT und TAS erheblich kürzere Zugriffszeiten als die ASAP3-Schnittstelle
Bild 4. Sowohl bei der Kom- munikation mit dem MC-System als auch mit dem Automatisierungs- system zeigen die Hochgeschwindigkeits-Schnittstellen iLinkRT und TAS erheblich kürzere Zugriffszeiten als die ASAP3-Schnittstelle.
© Mercedes-AMG

Wie drastisch sich die Zugriffszeiten mit Hilfe schneller Schnittstellen wie iLinkRT und TAS reduzieren lassen, zeigt Bild 4. Dort werden die Zeiten der Kommunikation über ASAP3 mit den Zeiten verglichen, die durch den MCA bei Einsatz von iLinkRT bzw. TAS erzielbar sind. Während mit den schnellen Schnittstellen Zugriffszeiten auf Mess- und Stellwerte der Prüfstands- automatisierung durchweg im einstelligen Millisekundenbereich erreichbar sind, liegen die Werte, die sich mit klassischer ASAP3-Anbindung erzielen lassen, teilweise mehr als hundert Mal höher. Dank ihrer kurzen Zugriffszeiten erlauben die schnellen Schnittstellen so erstmals etwa eine bis in hohe Drehzahlen hinein segmentsynchrone Datenerfassung sowie Regelungen in Echtzeit.

Programmentwicklung entkoppelt vom Prüfstand

Falls die Prüfstandssimulationsumgebung ebenfalls in Matlab realisiert ist, ergibt sich daraus noch ein weiterer Vorteil: Die Programmentwicklung kann dann entkoppelt vom Prüfstand in anderen Matlab-Umgebungen stattfinden. Auf diese Weise lässt sich kostenintensive Prüfstandszeit einsparen, und die Applikationsprogramme können dennoch vor ihrem realen Einsatz intensiv getestet werden.

Grundsätzlich kann der MCA für alle Automatisierungssysteme zum Einsatz kommen, welche den verbreiteten ASAP3-Standard unterstützen. Gleichzeitig lässt er sich aber auch einfach um weitere standardisierte oder proprietäre Schnittstellen erweitern. Das System befindet sich bereits bei der Mercedes-AMG GmbH im produktiven Einsatz. Dort dient er der Entwicklung und Erprobung neuer Versuchsmethodiken und unterstützt in Kombination mit dort entwickelten Automatisierungs-Tools die Applikateure bei Standardaufgaben.

 

Die Autoren:

 Dipl.-Ing. Christoph Müller Philipps Sohn
studierte Maschinenbau mit den Vertiefungsrichtungen Rechnergestützte Produktentwicklung und Thermodynamik an der Universität Erlangen-Nürnberg. 2011/2012 war er als Diplomand bei der Mercedes-AMG GmbH im Bereich der Automatisierten Applikation tätig. Aktuell beschäftigt er sich im Rahmen seines Promotionsprojekts am Lehrstuhl für Technische Thermodynamik (LTT) in Erlangen mit der Abwärmenutzung an Verbrennungsmotoren.
 Dipl.-Ing. Henning Rechenberg
hat 2004 seinen Abschluss an der Berufsakademie Glauchau in Prozessinformatik erworben. Er verfügt über Erfahrungen mit Software-Design und -Architektur und ist bei der M&K GmbH als Leitender Entwickler für Software-Projekte im Automotive- und Embedded-Umfeld tätig.
Dipl.-Ing. Hasan Uzun
studierte Elektrotechnik und Informationstechnik (Vertiefungsrichtung Regelungstechnik und Leistungselektronik) an der Universität Stuttgart. Seit 2005 ist er bei Mercedes-AMG tätig. Er betreute in den ersten Jahren im Team Elektrik/Elektronik diverse Sensoren, Aktoren und Motorsteuergeräte. In den darauf folgenden Jahren befasste er sich mit der Methodenentwicklung und Prüfstandsautomatisierung. Aktuell gehört es zu seinen Aufgaben, die übergeordnete Prüfstandsautomatisierung zu betreuen und weiterzuentwickeln.
 Dipl.-Ing. Bartolomäus Salega
studierte Fahrzeugtechnik (Vertiefungsrichtung Antrieb) an der Fachhochschule Esslingen. Seit 2009 ist er bei der Mercedes-AMG GmbH tätig. Er betreut seit dieser Zeit den Bereich Automatisierung am Prüffeld.
Dipl.-Ing. Bernd Wenzel
studierte Automatisierungstechnik an der TU Karl-Marx-Stadt (Chemnitz). Seit 1995 ist er als geschäftsführender Gesellschafter der M&K GmbH tätig, die zu den Gründungsmitgliedern des ASAM e.V. gehört. 1991 wurde Wenzel Mitarbeiter für Standardisierung im DIN. Neben seiner Arbeit für die ISO-Normung von ASAM-Standards ist er auch im MAM tätig. Zudem fungiert er als Senior Technical Consultant für das Technical Steering Committee des ASAM e.V. 

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