Grundlagen der physikalischen Schicht und deren Modellbildung

FlexRay frühzeitig im Griff (Teil 1)

4. August 2009, 8:32 Uhr | Thorsten Gerke und Thomas Suermann
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 2

FlexRay frühzeitig im Griff (Teil 1)

Der Übergang Active →Idle

Ein Punkt der physikalischen Schicht, welcher in vergangenen Versionen der EPLS noch nicht ausreichend betrachtet wurde, ist die Phase des Übergangs vom aktiven in den Idle-Zustand. Dieser erfolgt mit dem Abschalten des Senders unmittelbar nach der FES bzw. der DTS. Da die Treiberstufe bei diesem Übergang vom niederohmigen in den hochohmigen Zustand schaltet, kann dies im gesamten Netzwerk je nach Topologie zu unerwünschten Schwingungen führen, die sich auch in Mehrfachschaltungen am Empfänger äußern können. Der Systementwickler hat in diesem Zusammenhang den Channel Idle Recognition Point (CHIRP) sorgfältig zu prüfen (Bild 5). Erst wenn dieser mit dem Abtasten von elf hintereinander folgenden High-Bits erreicht ist, kann der Bus für eine Nachricht des nachfolgenden Slots freigegeben werden.

Durch Schwingungen und Mehrfachschaltungen an RxD nach dem Abschalten der Senderstufe kann aber der CHIRP deutlich verzögert werden. Im schlimmsten Fall würde dieser bis in den Zeitschlitz der nächsten Nachricht verschoben, was eine Slot Boundary Violation verursachen würde. In einer künftigen Version der FlexRay-Spezifikation wird ein maximal zulässiger Wert für die Idle Reaction Time berücksichtigt.

96ah0405_tm_01.jpg
Bild 5. Der „Channel Idle Recognition Point“ (CHIRP).

Das Augendiagramm

Um neben der Bewertung der diskreten Kriterien auch das analoge Verhalten der Topologie in seiner Qualität zu evaluieren, ist das Augendiagramm ein übliches Werkzeug in Kommunikationssystemen und hier anwendbar für die Untersuchung der physikalischen Schicht von FlexRay. Bei der Bewertung durch das Augendiagramm wird ein Referenzauge als Bewertungskriterium eingeführt. Wenn das gemessene Auge die Referenz erfüllt, ist eine ausreichende Signalintegrität sichergestellt.

Bei der Anwendung des Augendiagramms ist aber Vorsicht geboten. Eine Verletzung des Augendiagramms bedeutet nicht unmittelbar, dass die Topologie aus Sicht der Signalintegrität nicht funktioniert. Ausreißer in Form von Reflexionseffekten, die eine Verletzung des Augendiagramms verursachen würden, werden unter Umständen durch das Tiefpassverhalten des FlexRay-Transceivers herausgefiltert. In diesem Fall ist es ratsam, zusätzlich zum konservativen Ansatz des Augendiagramms auch das Signalverhalten am RxD-Ausgang des Transceivers genauer zu betrachten, um die Relevanz der Verletzung bewerten zu können. Das Augendiagramm ist somit kein notwendiges, aber ein hinreichendes Kriterium.

Modellbildung und Simulation der physikalischen Schicht

Um die Signalintegrität für eine FlexRay-Topologie bewerten zu können, ist es notwendig, die obigen Kriterien für alle Knoten einer Topologie zu untersuchen. Hieraus wird ersichtlich, dass dies unter Umständen zu einer sehr umfangreichen Aufgabe werden kann. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass das System neben dem Nominalbetrieb auch für den Worst-Case zu untersuchen ist. Wünschenswert wäre auch, flexibel und zügig Optimierungsstrategien untersuchen zu können. Sowohl in der frühen Konzeptphase als auch bei bereits bestehender, realer Implementierung der Topologie wäre es eine sehr mühselige Aufgabe, diese Tests und Optimierungen mittels Messungen im Labor durchzuführen. Hinzu kommt, dass gezielte Worst-Case-Szenarien anhand eines realen Topologieaufbaus nicht realisierbar sind.

Als Ausweg bietet sich hier der modellbasierte Ansatz an. Für diese Umsetzung sind zwei Punkte notwendig: Simulationsmodelle mit ausreichend guter Qualität und Methodiken, die ein effizientes und zeitoptimiertes Arbeiten mit der virtuell nachgebildeten Topologie ermöglichen. Aus Systemsicht ist zunächst der Topologietyp zu berücksichtigen: Liegt ein aktiver Stern vor oder handelt es sich zum Beispiel um einen einfachen linearen Bus?

Einen signifikanten Einfluss auf das analoge Signalverhalten hat das FlexRay-Kabel, welches durch ein entsprechendes „Transmission Line“-Modell abzubilden ist. Aus Sicht der Steuergeräte ist lediglich deren physikalische Bus-Schnittstelle zu berücksichtigen, die sich gemäß Bild 6 aus FlexRay-Transceiver (z.B. TJA1080A), Gleichtaktdrossel, ESD-Schutz und Terminierung (hoch- oder niederohmig) zusammensetzt. Sollten weitere Komponenten verbaut sein, welche relevant für die Signalintegrität sind, so sind diese zu berücksichtigen.

96ah0406_tm_01.jpg
Bild 6. Abstraktion einer FlexRay-Topologie.

  1. FlexRay frühzeitig im Griff (Teil 1)
  2. FlexRay frühzeitig im Griff (Teil 1)
  3. FlexRay frühzeitig im Griff (Teil 1)
  4. FlexRay-Transceiver und aktiver Stern
  5. FlexRay frühzeitig im Griff (Teil 1)
  6. Die Transmission Line

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!