Interview mit Sven Bauer, BMZ GmbH

Produktion von Li-Ionen-Akkus abhängig von Asien

25. Juli 2016, 12:53 Uhr | Harry Schubert
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Eigene Li-Ionen-Zellenproduktion?

Planen Sie die Zellenentwicklung auszuweiten? Denken Sie an eine eigene Li-Ionen-Zellenproduktion?

Bauer: Zellen selbst zu entwickeln oder die Parameter bekannter Zellen zu optimieren ist eine Sache, eine eigene Zellenproduktion aufzubauen eine ganz andere. Eine kleine Musterlinie würde sich für ein Unternehmen wie BMZ wirtschaftlich nicht rechnen, weil die Herstellungskosten der Zellen etwa fünfmal so hoch wären wie bei den großen Herstellern. Bliebe also nur die Alternative, in die Vollen zu gehen – das heißt: über einen Zeitraum von fünf bis sieben Jahren mit ca. 10 Mrd. Euro in Vorleistung zu treten. Doch solche Summen sind für ein mittelständisches Unternehmen aus nachvollziehbaren Gründen nicht alleine finanzierbar. Vorstellbar wäre ein solcher Schritt nur in enger Kooperation mit weiteren finanzstarken Partnern aus der Industrie und entsprechender finanzieller Unterstützung seitens der Bundesregierung und/oder der EU. Konkrete Überlegungen in diese Richtung gibt es bei BMZ schon seit Längerem. Inzwischen haben sich auch schon etliche Mitstreiter gefunden, darunter viele große OEMs, die sich an einer gemeinsamen Zellenproduktion mit unterschiedlich großen Summen beteiligen würden. Was allerdings leider noch immer fehlt, ist die uneingeschränkte Bereitschaft der Politik, sich in dem nötigen finanziellen Umfang gemeinsam dieser gewaltigen nationalen Herausforderung zu stellen. Ich fürchte, ohne baldiges Handeln könnte Deutschland in diesem für die Zukunft so enorm wichtigen Technikfeld am Ende wieder einmal das Nachsehen haben, und das, obwohl eigentlich alle wichtigen Basistechniken für die Zellenherstellung im eigenen Land vorhanden sind.

Bisher waren die Versuche, Li-Ionen-Zellen in Europa/Deutschland zu produzieren, gescheitert. Worauf kommt es an?

Bauer: Wir reden hier von drei komplexen Hauptgewerken. Schon die Anoden-/Kathodenherstellung inklusive Mischen der Materialien, die Beschichtung, das Rollen der beschichteten Metallfolien – Anode und Kathode mit dem Separator dazwischen – zum „Jelly Roll“ ist eine Wissenschaft für sich. Dem folgen dann noch die eigentliche Zellenfertigung und das abschließende Formatieren. Bis alle einzelnen Prozessschritte perfekt aufeinander abgestimmt sind und eine gleichbleibende hohe Qualität der Zellen auch in der Massenproduktion gewährleistet ist, ziehen bei Neueinsteigern etliche Jahre ins Land.

Der größte Kostenblock ist nicht der Bau der Fabrik, sondern das Hochskalieren auf große, qualitativ gleichwertige Mengen. Umso wichtiger wäre es logischerweise, schnellstmöglich mit der Planung bzw. dem Bau einer Zellenfabrik zu beginnen, um den Anschluss an die asiatischen Zellenproduzenten nicht komplett zu verlieren. Wobei selbst dieser Schritt mittelfristig gesehen wohl nur ein Tropfen auf dem heißen Stein wäre.

Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass der europäische Bedarf durch die steigende Nachfrage nach Elektroautos, Akkuwerkzeugen sowie Energiespeichersystemen für den häuslichen Bereich schon bis 2020 auf mindestens 60 GWh ansteigen wird. Andere ebenfalls rasant wachsende Marktsegmente wie Elektrofahrräder oder die Medizintechnik sind in dieser Vorhersage noch gar nicht berücksichtigt.

Noch deutlicher wird das Dilemma mit Blick auf die Mitte des nächsten Jahrzehnts. Für 2025 rechnen manche Marktbeobachter inzwischen mit einem europäischen Bedarf zwischen 200 und 300 GWh. Wollte man die dafür erforderlichen Zellen in Deutschland oder zumindest in Europa produzieren, wären in den nächsten zehn Jahren Investitionen in der Größenordnung von mindestens 40 Mrd. Euro notwendig.

Wie beurteilen Sie die Ankündigung von VW, eine Li-Ionen-Zellenproduktion in Europa aufzubauen?

Bauer: Mit zuletzt über 213 Mrd. Euro Jahresumsatz ist VW eines der wenigen deutschen Unternehmen, dem ich zutrauen würde, dass sie so ein Unterfangen tatsächlich aus eigener Kraft stemmen könnten. Insofern kann ich diese Ankündigung nur begrüßen. Sollte VW diesen Schritt tatsächlich zeitnah wagen, wäre es das richtige Signal zur richtigen Zeit.


  1. Produktion von Li-Ionen-Akkus abhängig von Asien
  2. Eigene Li-Ionen-Zellenproduktion?
  3. Auswirkungen von Teslas Gigafactory und Bildergalerie

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