Sicher, Virtualisierung ermöglicht es, notwendige Modernisierungen der Leitsystem-Software zu vermeiden beziehungsweise aufzuschieben. Die Ausführung eines abgekündigten Betriebssystems in einer virtuellen Maschine ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass der Hersteller sein Betriebssystem nicht mehr unterstützt. Für Windows-Betriebssysteme bedeutet dies unter anderem: Microsoft liefert keine weiteren Updates. Ein bereits abgekündigtes Betriebssystem zu betreiben, ist auch ohne Virtualisierung mit Sicherheitsrisiken verbunden. Das virtualisierte System ist diesen Gefahren ebenso ausgesetzt, da der virtuelle Rechner eigenständig ins LAN eingebunden werden kann. Leitsysteme sind in der Regel jedoch nicht mit externen IT-Netzwerken verbunden.
Virtuelle Maschinen können nur Standard-Hardwarekomponenten wie CPU, RAM, Festplatten und Ethernet-Karten simulieren. Auch wenn moderne Leitsysteme mittlerweile Standard-PCs von Fremdherstellern einsetzen, müssen diese zum Teil mit speziellen Hardware-Komponenten der Leitsystemhersteller erweitert werden. Dies können zum Beispiel spezielle Kommunikationskarten zur Anbindung der Bedienstationen an ein proprietäres Netzwerk im Feld sein. Solche Rechner lassen sich nicht vollständig virtualisieren.
Generell laufen Anwendungen in einer virtuellen Maschine langsamer, als direkt auf derselben Hardware ohne Virtualisierung. Leitsysteme müssen allerdings ebenso unter einer virtuellen Maschine bestimmte Performance-Anforderungen erfüllen, etwa hinsichtlich der Bildaufschaltzeiten und der Anzahl zu verarbeitenden Alarme und Meldungen je Zeiteinheit. Daher ist es wichtig, die Performance-Verluste einer VM gegenüber der zu ersetzenden Hardware zu ermitteln.
Der Performance-Verlust durch Virtualisierung ist je nach Virtualisierungstool unterschiedlich und wird von den Tool-Herstellern in einer Größenordnung zwischen 5 und 30 % angegeben. In praxisnahen Tests am ABB Forschungszentrum in Ladenburg wurden noch größere Unterschiede zwischen verschiedenen Virtualisierungstools festgestellt: Untersucht wurde die Performance der VMs von VMware ESX Server 3.0.1, VMware Server 1.0.1 und Microsoft Virtual Server 2005 R2. Die Messungen mit einer „Out-of-the-Box“-Installation (automatische Installation) der drei virtuellen Maschinen wurden auf identischer Hardware durchgeführt: einem IBM xSeries 346-Server mit zwei Intel Xeon-3.6-GHz-Prozessoren und 4 GByte RAM. Innerhalb der VMs wurde jeweils der gleiche Engineering-Arbeitsplatz des ABB-Leitsystems „System 800xA“ installiert. Für die Messungen wurde dann ein Testskript mit einer Serie von Engineering-Vorgängen abgearbeitet. Die Mess-Ergebnisse zeigen den relativen Performance-Verlust durch die VMs.
Für den diskutierten Anwendungsfall, alte Systemanwendungen mit Hilfe von Virtualisierung auf neuer Hardware auszuführen, wird der Performance-Verlust der Virtualisierung wieder durch die leistungsfähigere Hardware des Wirtssystems kompensiert. Denn nach dem Moorschen Gesetz verdoppelt sich die Leistung neuer Rechner etwa alle zwei Jahre.