Durchgängige Echtzeitkommunikation

Switches dezentral installieren

27. November 2013, 10:53 Uhr | von Uwe Nolte

Die durchgängige Kommunikation über Profinet bildet die Grundlage für die zunehmende Modularisierung im Anlagenbau. Dezentral verbaute Switches binden dabei Anlagenteile und Maschinengruppen in eine optimierte Netzwerktopologie ein, die sich an der Anlagenstruktur orientiert. Die Infrastrukturkomponenten müssen daher die notwendige Echtzeitfähigkeit und eine hohe Anlagenverfügbarkeit sicherstellen sowie wirtschaftliche Installations- und Service-Eigenschaften bieten.

Diesen Artikel anhören

Um Echtzeit-Ethernet direkt in der Applikation installieren zu können, stehen die Profinet-Switches »FL Switch IRT« von Phoenix Contact nun auch in der Schutzart IP65/67 zur Verfügung. Zudem ermöglichen die Geräte den Aufbau eines Profinet-Netzwerks in Lichtwellenleiter-Technik (LWL), um die Anwendung selbst in Anlagenbereichen mit hoher EMV-Belastung sicher zu betreiben.

Bild 1: Die Profinet-Realtime-Switches in Schutzart IP20 und IP67 kombinieren Kupfer- und Lichtwellenleiter-Ports
Bild 1: Die Profinet-Realtime-Switches in Schutzart IP20 und IP67 kombinieren Kupfer- und Lichtwellenleiter-Ports
© Phoenix Contact

Die in robustem Metallgehäuse ausgeführten Profinet-Realtime-Switches lassen sich an beliebiger Stelle in der Anlage anbringen. Dazu werden sie einfach mit vier Schrauben auf einer planen Montagefläche fixiert. Die Anbindung der Ethernet-Ports sowie der Versorgung erfolgt über Push-Pull-Stecker, die installationsfreundliche Kabelabgänge nach unten umfassen (Bild 1). Durch die Kombination von Vier-Port-Switches und Zwei-Port-Endgeräten können flexible Topologieformen wie Stern, Baum, Linie oder ein redundanter Ring umgesetzt werden. Über die Push-Pull-Steckverbinder schließt der Anwender die optischen und elektrischen Signale sowie die Stromversorgungsleitungen dann direkt in der rauen Industrieumgebung an. Im Feld konfektionierbare RJ45- und SCRJ-Kontakteinsätze sorgen für die Steck-Kompatibilität zu den im Schaltschrank verbauten Lösungen. Die Push-Pull-Versorgungsstecker speisen zwei 24-V-Kreise mit Energie. Auf diese Weise werden Switches und I/O-Module in einer Linienstruktur mit Strom beliefert, in der die Aktorspannung unabhängig von der Logikversorgung geschaltet werden kann. Über den zweiten Versorgungsstecker lässt sich das nächste Modul - sei es Switch oder I/O-Station - in der Linie speisen.
IP65/67- und IP20-Switches können entsprechend der Installationsanforderungen flexibel zusammengestellt werden. Aufgrund ihrer recht kompakten Bauform eignen sich die »FL Switch IRT Ö« in Schutzart IP20 auch für den Einbau in flache Busgehäuse. Bei allen Profinet-IRT-Switches lassen sich über den wechselbaren Konfigurationsspeicher »FL MEM Plug«, auf dem sämtliche Konfigurationsdaten abgelegt werden können, die Geräte schnell austauschen. Durch die Schlüssellochkontur hängt der Anwender die IP65/67-Module beim Auswechseln einfach ein.

Echtzeiteigenschaften sicherstellen

Die Profinet-Technologie bietet skalierbare Echtzeiteigenschaften, die vom Realtime-Datenaustausch in der klassischen Fertigungsautomatisierung bis zur taktsynchronen Kommunikation in hochdynamischen Bewegungssteuerungen reichen. Für diese Einsatzbereiche sind die Betriebsarten Profinet RT (Realtime) und Profinet IRT (Isochronous Realtime) entwickelt worden. Um in beiden Betriebsarten optimale Echtzeiteigenschaften zu erzielen, verfügen die Profinet-Switches über eine Hardware-Unterstützung in Form eines ERTEC-ASIC (Enhanced Real Time Ethernet Controller).
Die Verwendung des Profinet-IRT-Switches eröffnet also auch der in der Anlagenautomatisierung überwiegend genutzten Betriebsart RT Vorteile hinsichtlich des Echtzeitverhaltens. Durch die Hardwareunterstützung werden die in den Realtime-Switches eingehenden Datenpakete vom Typ Profinet IO im Gerät erkannt und unabhängig von der Priorität in ihrem VLAN-Tag stets bevorzugt verarbeitet. Konkurrierende Anwendungen wie Kamera-Applikationen mit Video-Stream, die möglicherweise mit einer gleich hohen Priorität im VLAN-Tag versehen sind, beeinträchtigen die Profinet-Kommunikation somit nicht.

Bild 2: Profinet RT (Realtime) priorisiert die IO-Datenübertragung
Bild 2: Profinet RT (Realtime) priorisiert die IO-Datenübertragung
© Phoenix Contact

Durch die Integration des ERTEC-ASICs in die Switches lässt sich eine Anlage leichter projektieren, und die erforderlichen Echtzeit-Eigenschaften im laufenden Betrieb sind sichergestellt, da eine automatische Abgrenzung zu den Prioritäten aller Nicht-Profinet-Telegramme gegeben ist (Bild 2).
Basierend auf den in der IEEE 802 definierten Übertragungsverfahren kombinieren die Profinet-Realtime-Switches die Switching-Mechanismen »Cut-Trough« und »Store and Forward«. Mit Hilfe von Cut-Through lassen sich die Latenzzeiten beim Weiterleiten von Datenpaketen verkürzen. Auf diese Weise erreichen Profinet-Pakete ihr Ziel auch über mehrere Switches in einer Linienstruktur schnell, wie sie beispielsweise in ausgedehnten Anlagen üblich ist.
Die Profinet-Realtime-Switches von Phoenix Contact stellen zwei oder drei diagnosefähige POF-Schnittstellen zur Verfügung (Bild 1). Über die Lichtwellenleiter-Interfaces mit SCRJ-Anschluss können sowohl Polymer- als auch HCS-Fasern angebunden werden, die dann die Switches untereinander verbinden. Weil auf aufwendiges Crimpen, Kleben und Polieren verzichtet wird, kann der Monteur die LWL-Stecker vor Ort in weniger als zwei Minuten anschließen. Beim Einsatz der Gradientenindex-HCS-Faser (GI-HCS) ist die Überbrückung einer Distanz bis 250 m möglich.
Die Verwendung der LWL-Technik steigert die Robustheit und damit die Zuverlässigkeit der gesamten Anlage. Etwaige Mehrkosten bei der Anschaffung von optischen Komponenten können sich durch die zusätzlichen Funktionen sowie Einsparungen im laufenden Betrieb amortisieren. Darüber hinaus macht die Nutzung von Lichtwellenleitern die Applikation unempfindlich gegen elektromagnetische Einflüsse. Ist das Profinet-Netzwerk in einer optischen Ringstruktur ausgeführt, erhöht sich die Verfügbarkeit der Automatisierungslösung zudem deutlich. Das zahlt sich beispielsweise aus, wenn eine Leitung im Ring zerstört wird, denn alle angekoppelten Teilnehmer sind trotzdem erreichbar. Sollten dennoch Probleme mit den POF- oder HCS-Fasern auftreten, lassen sich die Fehler schnell mit der optischen Diagnose lokalisieren.

Vorausschauende Wartung möglich

Über die integrierte LWL-Diagnose unterstützen die Profinet-Realtime-Switches den Anwender bei einer vorausschauenden Wartung. Zu diesem Zweck misst das Gerät kontinuierlich die Empfangsleistung des LWL-Transceivers. Die optische Systemreserve des Ports liegt anschließend als Information im webbasierten Management per SNMP-Objekt oder über die Profinet-Kommunikation vor.

Bild 3: Die längenabhängige Bewertung von LWL-Strecken ermöglicht eine bedarfsorientierte Wartung
Bild 3: Die längenabhängige Bewertung von LWL-Strecken ermöglicht eine bedarfsorientierte Wartung
© Phoenix Contact

Zur präventiven Bewertung von LWL-Strecken kombinieren die Profinet-Realtime-Switches das Power-Budget aus den LWL-Transceivern 
mit der automatisch gemessenen Streckenlänge (Bild 3). Dazu werden die mit dem Precision Time Control Protocol (PTCP) ermittelten Signallaufzeiten auf den Verbindungsleitungen verwendet. Die Kabellänge dient dann der qualitativen Beurteilung der Signale auf POF-Strecken. 
Neben der Bewertung der LWL-Leitungen während der Installation und Abnahme des optischen Systems lassen sich im Betrieb frühzeitig vorausschauende Wartungs-maßnahmen planen. So werden schleichende Veränderungen im Bereich der Kabel- oder Kupplungsdämpfung erkannt, die aus mechanischen Beanspruchungen oder Verschmutzungen resultieren können. Die Switches von Phoenix Contact melden notwendige Wartungen über einen Profinet-Diag-nosealarm »POF-SCRJ Diagnose Alarm«. Unterschreitet das Gerät die 
2-dB-Reserve, wird eine Serviceanforderung an Profinet-Alarm an die Steuerung gesendet. Eine Diag-nose-LED pro SCRJ-Port zeigt den Status der jeweiligen POF-Leitung lokal am Switch an. Im Rahmen von Wartungsmaßnahmen kann das Service-Personal so die richtige LWL-Leitung feststellen.

Monitoring-Software stellt selbst große Netzwerke übersichtlich dar

Durch Verwendung vieler dezentraler Komponenten ergeben sich weit verteilte Netzwerke.

Phoenix Contact
Kastenbild
© Phoenix Contact

Vor diesem Hintergrund verschafft die neue Monitoring-Software »FL View« den notwendigen Überblick, indem sie die Netztopologie automatisch erkennt (siehe Bild). Das Diagnose- und Überwachungswerkzeug visualisiert dann die Netztopologie und prüft kontinuierlich die Netzperformance aller Ethernet- und WLAN-Geräte. Die so entstehende Übersicht unterstützt den Anwender nicht nur während des Betriebs, sondern auch bei der Inbetriebnahme oder einem Umbau des Netzwerks.
FL View detektiert sämtliche Teilnehmer und stellt selbst große Netzwerke einfach erfassbar dar. Aufgrund der permanenten Diagnose werden typische Fehler im Netzwerk wie Bandbreiten-Überlastung sowie defekte oder vermindert leistungsfähige Kabel sofort identifiziert. Darüber hinaus bietet die Software umfangreiche Trend-Funktionen zum Langzeit-Monitoring. Außerdem lassen sich Ping-Response-Zeiten und -Fehlerraten überwachen. Für die unterschiedlichen Netzwerkgrößen stehen skalierbare Tool-Versionen von 32 bis 512 Teilnehmer zur Verfügung. FL View ist Browser-basiert, sodass der Anwender von jedem PC im Netzwerk auf die Netzwerkübersicht und die Diagnosefunktionen zugreifen kann.

Über den Autor:

Uwe Nolte ist Produktmanager Netzwerktechnik bei Phoenix Contact Electronics.


Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Phoenix Contact GmbH & Co KG

Weitere Artikel zu Automatisierung