Stefan Zimmermann, comtac: Das sind Fragen, die sich nur anhand einer individuellen Situations- und Bedarfsanalyse beantworten lassen. Ein vorhandenes öffentliches LPWAN-Netz ist sicherlich oft die naheliegendste Lösung. Allerdings gibt es auch gute Gründe dafür, eigene Netze zu betreiben – maximale Datensicherheit, die Sicherstellung des Empfangs unter schwierigen Bedingungen (Indoor, ungünstige Topografie) oder der Wunsch, eine Lösung auf LPWAN-Basis weltweit anbieten zu können. Wir von comtac bieten unseren Kunden eine Lösung, die den Eigenbetrieb preisgünstig und auf einfache Weise ermöglicht, und beraten zudem gerne bei der Entscheidung, ob ein privates oder ein öffentliches Netz die bessere Lösung ist. Der Einstieg ist bereits mit wenigen Nodes möglich; für Condition-Monitoring oder Energiezähler-Fernablesung starten die Kunden schon bei 20 LoRa-Nodes in ihr eigenes LoRa-Netzwerk – ohne aufwendige und teure Installation eines LoRaWAN-Servers.
Dr. Erik Lins, m2m Germany: Nicht die Unternehmensgröße ist ausschlaggebend, eher die Anwendung selbst und die Sensibilität der Daten. Immer dann, wenn die Daten das eigene Unternehmen nicht verlassen sollen, wenn für die Datenübertragung keine laufenden Kosten anfallen sollen und wenn die IT-Abteilung des Unternehmens den Betrieb übernehmen und sicherstellen kann, ist es sinnvoll, über eine eigene LPWAN-Netzinfrastruktur nachzudenken.
Aurelius Wosylus, Sigfox: Mit allgemein zugängigen, weltweit verfügbaren LPWANs sind herstellereigene IoT-Anbindungen von Geräten, Maschinen und Anlagen sowie Gebinden, Verpackungen und Logistik-Fahrzeugen oder von Gully-Deckeln und Briefumschlägen leicht umsetzbar, denn das Netz ist schon vorhanden. Ein globales LPWAN-Netz schützt ein lokales IoT-Device gegen das Hacking aus dem Internet durch seine extrem „dicke“ Schutzschicht mit einer IP-freien Kommunikation in Richtung IoT-Device und einer massiven Firewall zwischen LPWAN-Infrastruktur und Internet, die vom Netzbetreiber für den einzelnen Anwender – stets kostenneutral – auf dem aktuellen Stand gehalten wird. Zudem gibt es auch einen großen Bedarf an Objekten mit wechselnden Standorten: Will man beispielsweise die Logistikprozesse außerhalb des Standorts und gegebenenfalls auch international überwachen, so wird man in ein externes Netz gehen müssen, weil sonst die Kosten einfach zu hoch werden. Als Beispiel dafür können Airbus oder aber die Air-Liquide-Tochter Alizent gelten. Beide haben sich für das Tracking von Assets im internationalen Raum entschieden und Sigfox zur Lösung implementiert. Möglich ist somit nicht nur eine Geolokalisierung ohne Zuhilfenahme von GPS, sondern es lassen sich gleichzeitig auch Stoßsensoren sowie Temperatur- und Füllstandsensoren anbringen und überwachen: global, über Jahre hinweg und 24/7.
Wie schnell kommt der Aufbau von LPWAN-Netzinfrastruktur derzeit bei den Anbietern voran? Wie ist aktuell der Stand der Dinge? Gibt es für die Infrastruktur-Anbieter schon profitable Geschäftsmodelle mit LPWAN?
Jürgen Kern, NetModule: Es dürfte für Infrastruktur-Anbieter schwierig sein, profitable Geschäftsmodelle zu erzeugen, weil Datenverbindungen mit geringem Datenvolumen auf Basis von 3G und 4G mittlerweile kostengünstig verfügbar sind und damit die Kosten von LPWAN konkurrenzieren. In der Schweiz betreibt die Swisscom zwar ein LoRaWAN, aber man darf bezweifeln, dass sie damit Geld verdient. In Deutschland konzentrieren sich die Provider auf Narrow-Band-Mobilfunktechnologien.
Klaus-Dieter Walter, SSV Software Systems: Schnell ist in diesem Kontext relativ. Ich persönlich würde zumindest für den deutschsprachigen Raum den Aufbau nicht als „schnell“ bezeichnen. Den genauen Stand der Dinge in den USA und Asien kenne ich nicht. Dort würde ich aber das größte Innovationstempo bei der Verbreitung von LPWAN vermuten.
Wir in Deutschland sind vielleicht Exportweltmeister bei Normen, Standards und gesetzlichen Regulierungen. Unsere Innovationsgeschwindigkeit bei der Digitalisierung ist meines Erachtens aber viel zu gering. Gründe dafür gibt es viele. Einige liegen auch in den finanziellen Mitteln und im Management-Know-how – besonders bei den Startups, die für digitale Innovationen aber besonders wichtig sind. Genau aus diesem Grund ist ja wohl auch der Versuch eines kleinen Unternehmens schon nach kurzer Zeit gescheitert, sich als LoRa-Infrastrukturanbieter im deutschen Markt zu etablieren. Weil wir uns mit neuen Geschäftsmodellen so schwer tun, gibt es wohl im Moment auch keinen weiteren ernstzunehmenden Anbieter für eine landesweite LPWAN-Infrastruktur. Da kann man halt nur auf die Telekom warten.
Werner Niehaus, Unitronic: Die Infrastruktur für NB-IoT wird zur Zeit durch die großen Telekommunikationsunternehmen ausgebaut. Man spricht hier von einer erwarteten flächendeckenden Verfügbarkeit ab 2019 in Deutschland. Die Niederlande nehmen hier eine Vorreiterrolle ein. In Ballungsräumen lässt sich auf eine rudimentäre Infrastruktur zurückgreifen. Aber hier muss man ehrlicherweise darauf hinweisen, dass sich insgesamt die öffentliche Infrastruktur für alle Technologien noch im Aufbau befindet. Aus diesem Grunde ist es auch verfrüht, von praxiserprobten, profitablen Geschäftsmodellen zu sprechen. Aber wegen der Stärken von LPWAN, der drei Cs, erwarten wir einen schnellen Aufbau der Infrastruktur und eine zügige Verbreitung dieser in vielerlei Hinsicht interessanten Zukunftstechnologie.
Stefan Zimmermann, comtac: Der Aufbau in der Schweiz (durch Swisscom) und Deutschland (durch Sigfox) ist bereits weit fortgeschritten, durch die Dynamik im Markt kommen zudem laufend weitere Länder hinzu. Weil comtac kein öffentliches LPWAN-Netz betreibt oder betreiben will, können wir uns zur Profitabilität der entsprechenden Geschäftsmodelle nicht äußern. Anbieter wie die Swisscom und Sigfox sind jedoch ganz offensichtlich davon überzeugt, dass profitable Geschäftsmodelle mit LPWAN möglich sind.
Dr. Erik Lins, m2m Germany: Ein Blick auf die Ausbaustatus-Karte von Sigfox.com zeigt es recht deutlich: Teilweise ist diese LPWAN-Vernetzungsmethode schon recht gut ausgebaut, aber es kann noch nicht die Rede von einem flächendeckenden Netz sein.
Öffentliche LoRa-Netze sind praktisch eine Randerscheinung. Es gibt Länder, in denen es etwas besser ausschaut, aber häufig sind es privat getriebene Projekte von Vereinen, die freie Netze aufbauen wollen.
NB-IoT (bzw. in manchen Ländern LTE CatM1) erlebt aktuell seinen Rollout; es geht voran, Ende nächsten Jahres sollte Deutschland abgedeckt sein. Aktuell fehlen noch Abrechnungsmodelle für die übertragenen Daten – es bleibt also abzuwarten.
Aurelius Wosylus, Sigfox: Die aktuelle Coverage von Sigfox in Deutschland liegt bei 56 Prozent der Bevölkerung und 54 Prozent der Landesflächen. Bis Ende 2017 sollen insgesamt 80 Prozent Netzabdeckung erreicht werden. Grob gesagt ist Sigfox bereits in fast jeder Großstadt in Deutschland lückenlos verfügbar.