Aurelius Wosylus, Sigfox: Jede dieser Technologien hat ihre eigenen Vorzüge und Nachteile. Sie unterscheiden sich in multipler Weise: Sigfox ist hier aktuell das einzige wirklich globale Netz und auch der einzige Anbieter, der ein CaaS-Angebot (Connectivity as a Service) hat, das preislich so attraktiv ist, dass es bis hin zur Einmalanbindung eines Devices reicht. Zudem sind die Geolokalisation sowie die kostengünstigen Module ein echter USP am Markt. Weil Sigfox Hardware-unabhängig ist, ist das Partnernetzwerk von Halbleiterherstellern, Modul- und Applikationsanbietern schon sehr groß. Viele Lösungsanforderungen sind schon applikationsfertig verfügbar und bedürfen so keiner eigenen Entwicklung.
LoRaWAN hingegen bietet den Vorteil, ein privates Netzwerk aufbauen zu können – somit ist aber auch der jeweilige Eigner für die Wartung selbst verantwortlich.
NarrowBand-IoT wird derzeit sehr aggressiv vermarktet, und über erste Tests wurde schon berichtet. Die öffentlichen Informationen scheinen jedoch oft etwas widersprüchlich zu sein.
Wie verbreitet sind die diversen LPWAN-Protokolle momentan in Industrie-Anwendungen?
Jürgen Kern, NetModule: Mit viel Hoffnung wurden und werden eine Reihe von Pilotprojekten gestartet. Es scheint jedoch noch wenig Konkretes für den produktiven Betrieb entstanden zu sein.
Klaus-Dieter Walter, SSV Software Systems: Im Moment würde ich für den deutschsprachigen Raum von einer sehr geringen Verbreitung ausgehen. Mir sind etliche Pilotprojekte bekannt, bei denen aber noch nicht alle Fragen und Anwendungsaspekte geklärt sind. Im einen oder anderen Fall ist sogar noch unklar, ob zum Schluss nicht doch LTE zum Einsatz kommt. Gerade bei LoRa-Projekten hat sich wohl der eine oder andere von der „Bis zu 15 km Reichweite“-Werbeaussage täuschen lassen – ich gehöre leider selbst zu dieser Gruppe. Belastbares Zahlenmaterial aus einer soliden Marktforschung, um meine Aussage zu begründen, gibt es meines Wissens bisher nicht. Man kann aber davon ausgehen, dass etliche Pilotprojekte mit LoRa und Sigfox laufen und einige weitere Entwickler ihre Hardware auf NarrowBand-IoT-Basis praktisch fertiggestellt haben und nur noch darauf warten, dass die Telekom endlich die Netzwerkinfrastruktur zur Verfügung stellt. Bisher gibt es meines Wissens ja nur in Berlin und Bonn erste NarrowBand-IoT-Testzugänge.
In anderen Ländern ist die Situation allerdings etwas anders. Da gibt es meines Wissens schon echte Projekte, besonders mit LoRa-Technik, weil sich Mobilfunk-Provider teilweise schon vor einigen Jahren dazu entschieden haben, LoRaWAN für den Aufbau von IoT-Funknetzen zu nutzen.
Werner Niehaus, Unitronic: Wir stehen hier noch am Anfang eines hoffentlich erfolgreichen Weges dieser relativ neuen Technologie. Aber es darf erwartet werden, dass mit der Verfügbarkeit von LPWAN die Anzahl der Anwendungen sprunghaft steigen wird, weil dadurch wesentliche Hürden beseitigt sind: Coverage (Durchdringung), Leistungsverbrauch und Kosten. Nicht zuletzt deshalb ist LPWAN ein integraler Bestandteil der „Sensor2Cloud“-Strategie bei Unitronic Electronics.
Stefan Zimmermann, comtac: Die Verbreitung von LPWAN steht erst am Anfang. In den für comtac relevanten Märkten sind LoRa und Sigfox am weitesten verbreitet, weshalb comtac für beide Protokolle bereits Lösungen entwickelt hat.
Dr. Erik Lins, m2m Germany: Das kann ich nicht genau sagen, zumal es ja auch auf die Anwendung ankommt. Sigfox eher gar nicht, es hat andere Zielmärkte. Ein bisschen LoRa, ein klein wenig Mobilfunk.
Aurelius Wosylus, Sigfox: LoRaWAN und Sigfox sind aktuell wohl die am weitesten verbreiteten, weil sie bereits verfügbar sind.
Inwieweit ist es für Industrie-Unternehmen sinnvoll, selbst eine LPWAN-Netzinfrastruktur aufzubauen? Ab welcher Unternehmensgröße hat dies Sinn? Inwieweit empfiehlt es sich, für LPWAN die Dienstleistungen eines Infrastruktur-Anbieters in Anspruch zu nehmen?
Jürgen Kern, NetModule: Der Nutzer baut sein LPWAN-Netz sinnvollerweise selbst auf, weil er damit eine definierte Dienstqualität, sprich Verfügbarkeit, sicherstellen kann (frei verfügbare Netze wie etwa TTN garantieren keine Verfügbarkeit).
Eigene LPWAN-Netze sind jedoch nur sinnvoll, wenn die Ausdehnung begrenzt ist, etwa auf einen Campus oder auf das Gebiet einer Stadt. Mehrere Städte wie etwa München experimentieren bereits damit.
Klaus-Dieter Walter, SSV Software Systems: Das halte ich in jedem Fall für sinnvoll. Für mich ist das allerdings keine Frage der Unternehmensgröße, sondern eine Frage der Anwendung. Wenn Sie beispielsweise Sensoren in Parkhäusern oder Parkuhren in Innenstädten per LPWAN mit einer Cloud koppeln wollen, kommt die demnächst vorhandene Netzinfrastruktur der Telekom in Frage. Wollen Sie allerdings auf Ihrem weitläufigen Betriebsgelände weit außerhalb städtischer Grenzen mit Hilfe einiger Sensoren die Intralogistik oder Energieeffizienz optimieren, können Sie sich durchaus auch als Mittelständler ein eigenes LoRa-Netzwerk aufbauen oder von einem Partner aufbauen lassen. Übrigens denke ich, dass wir in den kommenden Jahren einige neue Entwicklungen bezüglich eigener LPWAN-Infrastrukturen sehen werden. In den USA kann man zum Beispiel durch „Private LTE“ und „Citizen Broadband Radio Services (CBRS)“ schon die Umrisse dieser Innovationen erkennen.
Werner Niehaus, Unitronic: Auch hier ist wieder die Situation des Anwenders in Betracht zu ziehen. Bei Unitronic unterstützen wir durch unser Partnernetzwerk beide Wege. Es gibt Unternehmen, die eine eigene, unter ihrer Kontrolle betriebene Infrastruktur bevorzugen und bei denen sich dies wirtschaftlich auch gut abbilden lässt. Andere Unternehmen wollen schnell aktiv werden, sich ganz auf die Anwendung konzentrieren und bevorzugen deshalb eine öffentliche Infrastruktur. Bei diesen Überlegungen spielt natürlich auch das Thema Datensicherheit vor etwaigen Hacker-Angriffen eine wichtige Rolle.