Sie sind in der Pressemitteilung zur Zusammenarbeit zwischen Plattform und IIC mit den Worten zitiert: »Mit anderen Initiativen zusammenzuarbeiten, ist wichtig, insbesondere für Deutschlands exportorientierte Wirtschaft. Wir sind sehr daran interessiert, mit anderen zu kooperieren, um den Weg für globale Standards zu ebnen. Mit dem IIC – und anderen Konsortien – zusammenzukommen, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.« Nun ist das IIC ja kein Normungsgremium, sondern genau das Gegenteil im Sinne des Best-Practice-Gedankens. Inwieweit wird es also mit dem IIC eine Zusammenarbeit bei der Normung geben?
Danke für das wichtige Stichwort, gibt es mir doch die Möglichkeit, ein weiteres Feld der Zusammenarbeit anzusprechen: Weder das IIC noch die Plattform können Normen oder Standards setzen, aber wir können und wollen Einfluss ausüben. Und in diesem Sinne ist es unser Anspruch, auch auf den Feldern Interoperabilität und weltweite Standardsetzung unsere Anstrengungen stärker zu koordinieren und mit gemeinsamen Initiativen Impulse zu globalen Standardisierungs- und Normungsgremien zu geben. Lassen sich mich ein Beispiel nennen: Ein IoT-Standard ist beispielsweise „OPC UA“, bei dem kürzlich von der OPC Foundation und dem OMG eine gemeinsame Kooperation zu den „OPC UA“- und „DDS“-Standards verkündet wurde. Gleiches gilt natürlich auch für die etablierten konsensbasierten Standardisierungsgremien.
Inwieweit sollen die beiden Referenzmodelle der Plattform Industrie 4.0 sowie des IIC zusammengeführt werden?
Um diese Frage vernünftig zu beantworten, muss man sich zunächst den Sinn und Zweck der Referenzarchitekturmodelle vor Augen führen. Im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung wird Interoperabilität immer wichtiger.
Der von der Plattform Industrie 4.0 konzipierte Architekturrahmen „RAMI 4.0“ hilft Unternehmen, vernetzte Lösungen zu entwickeln – und zwar unabhängig voneinander im Wettbewerb verschiedener Anbieter. Dieser übergeordnete Architekturrahmen ist notwendig, damit Systeme weltweit fehlerfrei miteinander kommunizieren können. Hier haben wir im vergangenen Jahr bereits große Fortschritte erzielt. Vor diesem Hintergrund sind wir natürlich bestrebt, weltweit einheitliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir brauchen deshalb in einem ersten Schritt die Angleichung der bestehenden Architekturrahmen – ein wichtiger Schritt, an dem wir gemeinsam arbeiten. Bereits im Mai wird es einen weiteren gemeinsamen Workshop zwischen dem IIC und der Plattform Industrie 4.0 geben, bei dem wir diese Themen besprechen. Über die Ergebnisse werden wir Sie dann gerne wieder informieren.
In der Pressemitteilung ist weiter die Rede vom „Abbau von Barrieren zwischen verschiedenen Technologiebereichen“ – was ist damit konkret gemeint?
In einer zunehmend vernetzten Welt lassen sich Standards nicht mehr nur für einzelne Technologiefelder definieren – sozusagen losgelöst und in Silos gedacht. Nein, die Vernetzung greift schon heute weit darüber hinaus. Insofern gilt es auch hier, Grenzen abzubauen und im bildlichen Sinne eine „einheitliche Sprache“ für alle Technologiebereiche zu finden. Oder anders formuliert: Die Produktion der Zukunft verlangt nach gemeinsamen globalen Standards. Ohne sie werden sich die länder- und unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsnetzwerke einer Industrie 4.0 nicht verwirklichen lassen.
Und wo sehen Sie die Barrieren?
Die Barrieren liegen immer da, wo es landes-, branchen- oder technologiespezifische Eigeninteressen oder gar Egoismen gibt. Aber – und davon bin ich fest überzeugt – hier wird die normative Kraft des Faktischen sehr schnell zum Umdenken führen oder diese Hindernisse überwinden. Denn die Globalisierung ist unumkehrbar, und wer meint, er könne hier quasi auf der Insel der Glückseligen agieren, wird schnell eines Besseren belehrt.
Im Grunde genommen muss man sagen, dass die deutsche Plattform Industrie 4.0 ihren ursprünglichen Vorsprung nicht halten konnte. Industrie 4.0 ist inzwischen Allgemeingut und keine deutsche „Erfindung“ mehr. Das IIC wurde meines Wissens erst nach der (ersten) Plattform gegründet und hatte im Handumdrehen eine sehr breite Basis an Unternehmensmitgliedern. Wird Industrie 4.0 nun „amerikanisch“? Oder andersherum gefragt: Welchen Einfluss auf Industrie 4.0 werden Deutschland und die Plattform Industrie 4.0 künftig haben?
So sehe ich das nicht. Die Plattform Industrie 4.0 hat heute mehr als 200 Mitarbeiter aus über 80 Institutionen. Und die sind sehr aktiv. Schon die über 200 Anwendungsbeispiele, die wir zu Industrie 4.0 allein in Deutschland im vergangenen Jahr gesammelt haben, dokumentieren das. Darüber hinaus hat die Plattform verschiedene Länderkooperationen geschlossen, von denen die Zusammenarbeit mit dem IIC nur eine, wenn auch sehr wichtige ist. Und nicht zuletzt hat die Plattform zur stärkeren Einbindung des Mittelstands sogenannte Mittelstandstage, Kompetenzzentren und speziell geförderte Forschungsprojekte initiiert, die große Beachtung gefunden haben. Kurzum: Die Plattform Industrie 4.0 hat im vergangenen Jahr im „Handumdrehen“ vehement Themen besetzt und sie erfolgreich vorangetrieben. Auch einen „Zahlenvergleich“ bezüglich Mitglieder, Testzentren oder Anwendungsbeispielen braucht sie nicht zu scheuen.
Und nur als Randnotiz: Wir werden von Japan, China, USA und von europäischen Staaten wegen Kooperationen angefragt beziehungsweise haben diese geschlossen. Auch das zeigt, welchen Stellenwert die Plattform Industrie 4.0 heute in der Welt genießt. Lassen Sie mich aber gleich hinzufügen: Darauf kommt es uns gar nicht an. Letztlich geht es uns und muss es uns darum gehen, gemeinsam und in diesem Sinne komplementär die Themen voranzubringen, die wir auf der Agenda haben. In einer globalisierten Welt gibt es hierzu auch keine Alternative.