Ein oft diskutierter Knackpunkt in der Umsetzung der Industrie 4.0 ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit, wie lässt sich dieses Problem lösen?
Bei allen Menschen, die im Fertigungsumfeld arbeiten, ganz besonders aber bei den Technikern und Ingenieuren sind die interdisziplinären Kenntnisse dringend zu stärken. Wir brauchen Mitarbei-ter, Partner und Gestalter, die in der Lage sind, die neuen und komplexen Systeme der Produktion 2020 zu beschaffen, sie in ihrer Gesamtheit zu überblicken, zu bedienen. Sie müssen dabei auf die notwendigen Fachkenntnisse in den Disziplinen Mechatronik und Informatik zurückgreifen können. Vor allem die Informatikgrundkenntnisse sind schnellstmöglich zu stärken. Wir nehmen gerade diese fachliche Stärkung in unserem Vorlesungsangebot vor.
Das heißt, Robotertechnik sollte integraler Bestandteil künftiger Ausbildungen werden?
Mit Sicherheit werden wir uns in der beruflichen Ausbildung, im Studium und auch im Betriebsalltag verstärkt mit Robotertechnik auseinandersetzen müssen. Wir werden an einigen Stellen mit Robotern Hand in Hand arbeiten, sie selbst anleiten oder programmieren. Wir werden uns vermehrt mit Informatikgrundkenntnissen auseinandersetzen müssen. So wie wir heute ganz selbst-verständlich Tablets und mobile Endgeräte im Privatbereich nutzen, werden wir diese auch als Helfer im Betriebsalltag mit uns führen und mit ihnen Maschinen steuern.
Junge Techniker und Ingenieure müssen Softwaresysteme unterschiedlichster Anforderungsklas-sen, Kommunikations- und Messtechnik, Sensorik und Embedded Systems beherrschen. Schließ-lich geht es darum, Informations- und Kommunikationstechnologien der virtuellen Welt und des Internets mit der realen Welt der Automatisierungs- und Produktionstechnologien zu einem Internet der Dinge zu verzahnen.
Horrorszenarien zeichnen immer mal wieder das Bild einer menschenleeren Fabrik – haben sie Recht damit?
Nein. Horrorszenarien von vollautomatisierten und menschenleeren Produktionshallen sind nicht angebracht. Industrie 4.0 zielt primär auf ein bislang nicht erreichtes Vernetzungs-, Flexibilisierungs- und Automatisierungsniveau im Shopfloor Umfeld, das weniger direkte menschliche Eingriffe benötigt. Ja, es ist davon auszugehen, dass es in Zukunft mehr Produktionsprozesse geben wird, die weitgehend ohne menschliches Zutun ablaufen. Doch dabei wird es sich lediglich um sehr be-grenzte Fabrikbereiche mit einer nach wie vor relativ standardisierten Produktion handeln.
Aber Helfer und Fertigungsmitarbeiter ohne Ausbildung dürften es künftig schwerer haben oder?
Ja, denn definitiv, glaube ich, werden wir künftig weniger Arbeitsplätze für angelernte Kräfte und Produktionshelfer benötigen. Insofern ist eine Fachausbildung oder die Nutzung von Weiterbil-dungsangeboten heute mehr denn je eine wichtige Investition in die Zukunft.
Was ändert sich beim Arbeitsumfeld?
Die Zusammenarbeit von Menschen und Maschine ist neu zu gestalten. Dabei ist vor allem den steigenden Belastungen für die Menschen angesichts der zunehmenden Dynamisierung der Prozesse und Multi-Task-Anforderungen Rechnung zu tragen. Maschinenbediener müssen mit Hilfe von Assistenzsystemen und nutzerspezifischer HMI befähigt werden, ihre Aufgabenfülle gesund, anforderungsgerecht und qualitativ hochwertig zu erfüllen.
Ein ideales Beispiel für weitere revolutionäre Veränderungen ist die Mensch-Roboter-Kollaboration. Hier können die Anforderungen an eine zukünftig noch effizientere Zusammenarbeit von Mensch und Maschine ideal aufgezeigt werden, beginnend mit der Normungssituation über die technische Umsetzung mit kraftsensitiven Robotern und neuartigen Programmierszenarien bis zur Systemeinführung im unmittelbaren Umfeld der Werker, die sich fortan gemeinsam das Arbeitsumfeld teilen; ohne trennende Schutzeinrichtungen im unmittelbaren Wettbewerb.
Jetzt haben wir viele Chancen der Industrie 4.0 diskutiert, aber es gibt bekanntlich auch Risiken.
Die zunehmende Anbindung von Produktionsanlagen an das Internet macht vernetzte Maschinenparks für Angreifer attraktiv. Die Datensicherheit und vor allem die Sicherheit vor Manipulation von Produktions- und Prozessdaten ist zu gewährleisten – über Firmengrenzen hinweg. Insofern ist es zur Risikominimierung unabdingbar, sich konsequent und frühzeitig mit dem Themenfeld der Produktions- und IT-Security auseinanderzusetzen und wirkungsvolle Schutzmaßnahmen vor Cyberattacken aus dem Internet zu treffen. Wir haben ganz bewusst bei der Ausbaustrategie am Technologie Centrum Westbayern ein neues Handlungsfeld »Sicherheit« aufgebaut.