»Oft werden unter dem Aspekt Industrie 4.0 Dinge präsentiert, die es schon lange gibt«, gibt Gerd Ohl zu bedenken, Geschäftsführer von Limtronik. »Häufig hat der Mittelstand bereits eine Lösung, woran große Konsortien noch arbeiten. Aber danach wird nicht gefragt, sondern es wird munter parallel entwickelt – und das mit Förderungen vom Bund.« itac und Limtronik bauen ihre Evaluationsumgebung hingegen ohne Förderung auf und haben ein Konsortium aus eigenen Mitteln aufgesetzt. »Wir haben es mit der Smart.Electronic.Factory dann gar nicht mehr versucht, einen Antrag zu stellen, sondern finanzieren alles aus eigener Tasche«, erklärt Meuser. Die Hürden schienen laut Ohl einfach zu groß zu sein: »Wir haben die Manpower in den Fachbereich gesteckt und in die Umsetzung. Schließlich sind die Ressourcen eines KMU begrenzt. Viel Zeit in einen ohnehin mit hoher Wahrscheinlichkeit vergebens gestellten Förderantrag zu investieren, ist nicht drin.«
Einen Großteil der Infrastruktur für die Smart.Electronic.Factory steht bereits. »Die große Herausforderung ist jetzt, die Intelligenz mit in das System zu bringen. Wir wollen noch in diesem Jahr erste Ergebnisse aufzuzeigen, um die Produktion noch effizienter steuern zu können«, schildert Ohl. Dabei gehe es nicht darum, Arbeitsplätze abzubauen, sondern dem demografischen Wandel Rechnung zu tragen. »Wir werden nicht alles über Zuzug regeln. Entscheidend ist es, weiter produzieren zu können, und das geht in Zukunft nur mit einer gewissen Intelligenz.«
Der Data-Analytics-Spezialist Warwick Analytical Software Ltd. als auch der Big Data/BI-Player Actuate Corporation sind ebenfalls in das Industrie-4.0-Evaluierungsprojekt eingebunden und erarbeiten derzeit die Algorithmen auf Basis der Daten aus dem Device History Record (Aufzeichnungen zur Produktvorgeschichte), angereichert mit Prozessdatenbeständen wie Luftdruck, Temperatur, Luftfeuchtigkeit usw. Auf diese Weise kann ein Early Warning System aufgebaut werden, das auf potenzielle Fehlerquellen hinweist und so die Non Conformance Costs (Fehlleistungskosten) gegen Null minimiert. Die Datenerfassung zur anschließenden Datenanalyse beruht auf langjährigen Fehlerursachenanalysen von Limtronik. Die eigentliche Herausforderung liegt nach den Worten von Meuser darin, aus der Menge an Daten, diejenigen herauszufiltern, die für die Optimierung der Produktion erforderlich sind.
»Wir mussten mit den Fertigungsspezialisten von Limtronik erst mal eruieren, welche Parameter wir benötigen. Zum Beispiel brauchen wir die Innentemperatur der Halle, aber müssen nicht wissen, wann wer wie durch die Halle geht«, schildert Meuser. Limtronik hat einen Fehler/Ursachen-Katalog mit in das Projekt eingebracht, der Fehler und Ursachen der letzten 25 Jahre innerhalb der verschiedenen Prozesse in einer Elektronikfabrik dokumentiert.
Mit ihrer realen Smart.Elelctronic.Factory sind Limtronik und itac auf dem richtigen Weg, sind die beiden Firmenchefs überzeugt: »Es geht darum, dass man in der realen Welt Lösungen aufzeigt und nicht nur mit smarten Forschungsfabriken arbeitet. Nur so kommen wir bei Industrie 4.0 weiter. Wir müssen jetzt das Wissen der Mitarbeiter abgreifen, die lange im Job sind und in einigen Jahren in Ruhestand gehen. Wir brauchen deren jahrelange grundlegende Erfahrungen, um die Intelligenz in die Fabrik zu bringen.«
Wenn erst noch Jahre ins Land ziehen, weil schwerpunktmäßig in der Theorie geforscht wird und nicht in der Praxis, ist dieses Wissen unter Umständen verloren.