Segars: Erst einmal haben Sie Recht, das ist eine große Herausforderung. Was gegen zunehmend höhere Software-Entwicklungskosten hilft, ist die wachsende Open-Source-Community, wo zum Glück unglaublich viele sehr qualifizierte Leute an diesen Projekten mitarbeiten. ARM unterstützt hier ganz erheblich und trägt selbst Code bei. Desweiteren versuchen wir natürlich, unsere Building-Blocks und die Software-Stacks darauf immer mehr zu optimieren. Desweiteren arbeiten wir an Modellierungsverfahren, die dazu führen, dass Sie ganze ICs modellieren können, auf denen Kunden dann auf höheren Abstraktionsebenen entwickeln können. Keine Firma kann jedoch dieses Problem alleine lösen.
Muller: Lassen Sie mich erklären, was wir mit mbedOS machen. mbedOS ist wie ein traditionelles Betriebssystem, nicht wie ein RTOS. Ein RTOS wird in der Regel für eine ganz spezifische Hardware compiliert, wo man die Speichermap und vieles andere genau kennt. mbedOS ist ein Plattform-OS, wir müssen also alles das, was uns Linux bietet, auf den Footprint eines RTOS abbilden. Dabei wird die Systemkomplexität vom Entwickler weggehalten.
Leider haben Ihre Lizenznehmer ja ganz unterschiedliche Ansätze und es gibt keine Einigkeit in der Branche, stattdessen werden proprietäre Lösungen angeboten, um den Kunden bei der Stange zu halten und Austauschbarkeit zu verhindern ...
Muller: In der PC-Welt war die Lösung ein Plattform-OS, in der Server-Welt war die Lösung ein Plattform-OS und genau das braucht auch die Embedded-Welt. Die Lizenznehmer können sich doch über den Chip differenzieren, selbst wenn die CPUs und was auch immer sonst von uns lizensiert werden! Weniger Leistungsaufnahme, weniger Gatter, egal was, der Mehrwert eines jeden Chipherstellers soll von der Funktionalität des Chips kommen, statt von proprietären Softwaremodulen.
Die Entwickler werden Sie dafür lieben, doch auch die Produktmanager Ihre Lizenznehmer?
» Wir müssen mit unseren Partnern über Software-Standards reden «
Muller: Wir müssen mit allen unseren Partnern darüber sprechen.
Mike, Simon Segars sprach gerade Modellierungsverfahren an, denken Sie, dass modellbasierte Softwareentwicklung oder komponentenbasierte Entwicklung in der Embedded-Welt helfen?
Muller: Ich denke, ja, es führt dazu, bessere Tests zu haben, schneller am Markt zu sein und zu einem höheren Grad an wiederverwendbarem Code. Es wird Zeit in der Embedded-Welt, nicht nur Taktzyklen zu zählen! Natürlich ist Assembler der Weg, den effizientesten Code zu programmieren, aber Sie müssen das gegenüber den Vorteilen einer höheren Abstraktion abwägen.
Die Akzeptanz der von Keil entwickelten Middleware CMSIS ist im Markt leider limitiert, es ist bislang keine Industrieplattform. Warum?
Muller: Wir haben den Fehler gemacht, oberhalb der Hardware zu langsam standardisiert zu haben, d. h. wir haben zu wenig in diese Richtung Aktivitäten und Geld investiert. Da der Druck der Endkunden aber zunimmt, bin ich sehr optimistisch, dass die Lizenznehmer eine stärkere Adaptierung vornehmen werden.
Der neue Cortex-R52 mit seiner gegenüber dem R5 deutlich verbesserten Interruptlatenz und seiner Hardwarevirtualisierung wurde ja in enger Zusammenarbeit mit der Automobilindustrie entwickelt. Sehen Sie ihn auch außerhalb Automotive?
Muller: Ich sehe ihn auf Grund der steigenden Anforderungen an die Rechenleistung auch in Industriesteuerungen und in Robotern.
ARMs Roadmap wurde vom Mooreschen Gesetz lange unterstützt in Richtung mehr Rechenleistung, höherer Energieeffizienz usw. Inwieweit wird eine Verlangsamung des Schrumpfens der Fertigungsstrukturen Ihre Innovationen ausbremsen?
Muller: Es stimmt, dass wir über Dekaden von Moores Law profitiert haben wie nur wenige andere in der Industrie. Von den Herausforderungen weiterer Geometrieverkleinerungen steht die ganze Branche und das nicht erst seit heute. Es gibt viele Hebel um Innovation auf die Chips zu bringen, z. B. neue Materialien, 3D-Strukturen, nicht nur kleinere Transistoren. Wir müssen mit der Ist-Situation leben und die besten machbaren Lösungen finden – mit oder ohne Moores Law. Das gilt für ARM, Intel und die ganze Halbleiterbranche.
Herr Segars, Herr Muller, vielen Dank für Ihre Zeit!
Das Interview führte Frank
Riemenschneider.