Wenn Sie alle Akteure berücksichtigen, dann öffnet sich ja ein weites Feld bis hin zu eher esoterisch inspirierten Überzeugungen. Wie trennen Sie die Spreu vom Weizen?
Wir versuchen, die Argumentationslinien nachzuvollziehen. Ich will nicht sagen, dass wir die Spreu vom Weizen trennen wollen. Es gibt sehr unterschiedliche Ansätze. Die einen meinen, dass es nur um Informationen geht, dass es grundsätzlich also egal ist, auf welcher Hardware die Vorgänge ablaufen, die zum Bewusstsein oder gar Selbstbewusstsein führen. Im Fall des Menschen wäre die Hardware das Gehirn. Oder ist der ganze Körper dafür erforderlich, wäre nur Gehirn zu kurz gegriffen? Ließe sich so etwas grundsätzlich auf digitalen Maschinen abbilden oder funktioniert das nur auf analogen oder gar biologischen Systemen? Wenn es sich abbilden lässt, konstruiert sich dann das Gehirn aus den Sinnes-/Sensordaten die Welt in einem phänomenalen Selbstmodell oder ist es eher die Antenne, die auf eine geistige Welt zugreift?
Seit Platon und Aristoteles gibt es unzählige Denkvarianten. Daraus können fast sektenartige Konzepte erwachsen. In Kalifornien entsteht beispielsweise eine KI-Kirche, viele bekannte Unternehmer halten es für realistisch, den Informationsgehalt des eigenen Bewusstseins auf nichtbiologische Hardware – beispielsweise Silizium – übertragen zu können, um unsterblich zu werden. Wir wollen uns da gar nicht positionieren, es geht in dieser Phase darum, die verschiedenen Argumentationslinien zu identifizieren und frei zu legen.
Das hört sich an, als seien alle Fragen offen und alles möglich.
Was nicht stimmt. Die Diskussion in Disziplinen wie der Philosophie, der Theologie, der Mathematik, den Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften bis hin zu Psychologie, Ethnologie und Kulturwissenschaften haben viele Ergebnisse gebracht. Leider werden heute nicht nur unter den Laien, sondern auch unter professionellen Akteuren oft Scheindiskussionen geführt, die die Ergebnisse, die schon erzielt worden sind, nicht berücksichtigen. Wir wollen hier aufklären und alle Akteure auf einen gemeinsamen Stand bringen. Das ist die Voraussetzung für eine fruchtbare, interdisziplinäre Diskussion.
Wenn jemand behauptet, er könne mit seiner Forschung menschliches Bewusstsein auf eine andere Hardware übertragen, also den Menschen unsterblich machen, würden Sie das einfach als eine mögliche Sicht durchgehen lassen und mal die Folgen abschätzen?
Entlang den Argumentationslinien würden wir nach den Begründungen suchen und sie aufzeigen. Wenn man das richtig macht, können sich Wissenschaftler aus ganz unterschiedlichen Fakultäten ein Bild davon machen, vor allem würden wir damit auch alle übrigen Akteure wie Politiker und ganz normale Bürger in diese Lage versetzen. Dann dürfte allen zum Beispiel auffallen, wer mit den Begriffen einfach nur sehr gutes Marketing macht und durch Aneinanderreihung von Schlagwörtern viel Geld für Forschungsvorhaben ergattern möchte. Oder um seine sogenannte KI-Maschine gut zu verkaufen.