Eine Weltpremiere zeigte Dr. Jörn Grundmann auf der ZIEHL-III-Konferenz: Seit 2008 läuft ein supraleitender Blindleistungsgenerator (4 MVA, 3600 rpm) im Werksnetz von Siemens in Nürnberg. Diese Maschine eignet sich besonders für den Einsatz in schwachen Netzen und Inselnetzen.
Im realen Einsatzfall in Nürnberg hat Siemens den Motor in eine Trafobox eingebaut und über einen 20-kV-Trafo an das Betriebsnetz angeschlossen. Die 2005/6 getestete Maschine hatte vor dem Anschluss bereits 2.200 Betriebsstunden im Leerlauf hinter sich, am Netz hat sie bisher 5.200 Betriebsstunden gearbeitet. Das Ziel bestand darin, Zusammenspiel und Wechselwirkungen der Systemkomponenten einer HTS-Maschine über einen längeren Zeitraum im Feld untersuchen. Es sollten Änderungen und getestet und Optimierungen durchgeführt werden.
Insgesamt kam es während dieser Zeit zu 15 Abschaltungen aufgrund interner Ursachen, die aber alle nichts mit der Supraleitung zu tun hatten und harmlose Ursachen hatten. Zudem kam es zu sieben Abschaltungen aufgrund äußerer Ereignisse. »Es war einiges los, aber wir haben alle Betriebszustände beherrscht. Die HTS-Wicklungen zeigten auch in extremen Betriebszuständen und bei Störfällen ein äußerst robustes und defektfreies Verhalten«, sagt Grundmann.
So trat einmal eine Unterbrechung der Kühlwasserversorgung auf. Der Motor wurde innerhalb von Sekunden vom Netz getrennt. »Hier zeigt sich der Vorteil der kalten Welle, ein Ausfall der Rotorkühlung für mehrere Minuten wäre ohne weiteres tolerierbar«, erklärt Grundmann.
Der schwerste Fehler, der bisher aufgetreten ist – »natürlich übers Wochenende« –, bestand darin, dass der Motor auf 120 Prozent der Nennlast hochfuhr. Die Leistungsschalter öffneten automatisch und die Maschine bremste innerhalb von 30 s ab.
Fazit der Erfahrungen: an der HTSL-Rotorwicklung traten keinerlei Probleme auf, eine Totalrevision 2009 stellte keinerlei Veränderungen fest.
Allerdings hatten die Ingenieure immer umfangreichere Schutzmaßnahmen eingebaut, die die HTS-Wicklungen vor Schäden bewahren sollten. Dazu gehörten auch Sensoren in den Wicklungen selber. Dennoch ist bei allem Aufwand kein hundertprozentiger Schutz möglich und gerade die Schutzeinrichtungen hatten dazu geführt, dass die Maschine öfters unnötig abschaltete. Hoher Schutz – aber auf Kosten vieler Abschaltungen, das ist nicht wirtschaftlich.
Vereinfachung = Revolution
Deshalb gilt für die Zukunft die umgekehrte Devise: Vereinfachung, was Grundmann als die »Revolution nach der Evolution« bezeichnet. Die Sensoren beispielsweise, die direkt an den Rotorwicklungen sowieso nicht sehr zuverlässig arbeiten, werden entfernt. Grundmann: »Wir fahren in Zukunft den Generator blind, denn die Komplexität der Schutzeinrichtungen hat uns im Endeffekt mehr Ärger eingebracht als sie genutzt hat.« Dazu war nach seinen Worten die Erfahrung, die über die Jahre seit 2008 gesammelt wurde, unabdingbar: »Nur deshalb können wir jetzt vieles indirekt ableiten. Vertrauen ist unbedingt erforderlich und das gewinnt man nur aus der Betriebserfahrung«, so sein Fazit.
Alle Umstellungen hat Siemens bereits durchgeführt, die Maschine läuft bereits in der neuen Konfiguration.