Beim abgebildeten Flusskraftwerk handelt es sich um sehr langsam horizontal drehende Jonval-Turbinen, durch die das Flusswasser über wenige Meter Gefälle hinunter fällt. Sie übertragen ihre Kraft über ein riesiges Getriebe: Ein holzverzahntes, offen liegendes Kegelrad treibt ein kleines Bronze-Kegelrad und dieses wiederum über das sichtbare Riesenriemenrad das kleine Riemenrad des Generators. So wird die erforderliche, hohe Drehzahl erreicht.
Erbaut hat es, inklusive Generator, die Maschinenfabrik Rieter, Winterthur. Aber schon wenige Jahre später erkannte man bei Rieter, dass die Zukunft dieser Firma eher auf dem Textilsektor zu finden ist. Man hatte bereits damals die Vorläufer von ABB (ehemals BBC) und Escher-Wyss (Turbinen) auf den Fersen. Rieter ist heute eine der Weltmarktführer auf dem Sektor Spinnmaschinen - und, als Folge eines weisen Zukaufs in den Siebzigerjahren - in Wärme- und Schalldämmungen für Automobile. Und trotzdem: Vor zwei Jahren stand man am Abgrund, zusammen mit allen anderen, die entweder mit Textilmaschinen oder Automobilherstellern zu tun hatten.
Darum: Weil wir nie wissen, wohin die irrationalen Märkte kurzfristig laufen, sollte jeder Hersteller eine größtmögliche Flexibilität bewahren. Überspitzt gesagt, von Dampfmaschinen auf Flachdisplays umstellen können. Allerdings, wer Solarzellen produziert, dürfte mit Dampfloks Mühe bekommen. Deshalb muss der Staat zwingend mitziehen und in neuen Schlüsseltechnologien eine mittelfristige, minimale Rentabilität sicherstellen. Falls dieser Staat maulen sollte: Die Chinesen tun es...
Und noch einmal zurück zur Abbildung bzw. zu Rieter: In direkter Nachbarschaft standen die Produktionsstätten von Sulzer. Hier wirkte auch Rudolf Diesel. Bei Sulzer entstand der grösste Motor überhaupt, der heute unter dem Namen Wärtsilä gebaut wird: Der beste Futterverwerter unter allen Verbrennungsmotoren, der 96er (960 mm Zylinderdurchmesser) Zweitakter (http://wirtschaft.t-online.de/die-groessten-maschinen-der-welt/id_42212706/sid_44116668/si_2/index).
Der Weg dahin ging allerdings durch ein Tal der Tränen. Auf diesem Weg ging der geniale Rudolf Diesel 1908 im Aermelkanal über Bord. Freiwillig, wie man vermutet, denn er hat mit seinem Kind per Saldo nur Geld verloren. Und Sulzer? Im Nachgang des Zweiten Erdölschocks sah man vor sich nur noch den Weltuntergang, .. »niemand braucht mehr Grossdiesel..« und verscherbelte 1990 die Abteilung Dieselmotoren an Wärtsilä. Diese erfreuen sich immer noch guter Gesundheit und entwickeln den Großdiesel munter weiter. Hier in Winterthur. (Übrigens, auch Finnland wusste seiner Industrie immer kräftig unter die Arme zu greifen. Sonst gäbe es kein Nokia).
Genau so stürmisch und unberechenbar wird es mit den neuen Technologien weitergehen, die ein ungeheueres Potenzial bergen: Windenergie und Autos werden in absehbarer Zukunft eng zusammengehören. Was noch fehlt, ist DIE Batterie. Wenn die Zeichen der Zeit in den höchsten Regierungsebenen richtig erkannt werden, wird der Hebel hier angesetzt, bei der Elektromobilität, die ohne minimale, staatliche Absicherung und Schutz vor Sturmböen nicht auf Touren kommen kann - nicht zuletzt wegen der bockenden Autoindustrie selbst. Hunderttausende von Auto-Traktionsbatterien, die Energie zum falschen Zeitpunkt zwischenlagern, müssen zu Systemkomponenten von Solar- und Windenergie werden. So gesehen hat Deutschland fast alles, was nötig ist - außer eben DER Batterie.
Auf die Autoindustrie lässt sich übrigens auch ein Artikel in Energie & Technik mit dem Titel "Getriebelose Windenergieanlagen auf dem Vormarsch" anwenden. "Getriebelos" wünschte man sich immer, nur war die Leistungselektronik preislich und in puncto Zuverlässigkeit noch nicht so weit. In wenigen Jahren ist auch das Automobil getriebelos.
Wie gesagt, die Chinesen haben die Zeichen der Zeit erkannt und auch Sarkozy ist nicht schlecht unterwegs - während andere sich end- und konzeptlos über tief zu legende Bahnhöfe streiten. So wurden schon die Magnetschwebebahn und - nicht öffentlich erkennbar - der flache Bildschirm begraben. "Rentiert letztlich nicht". Erinnern möchte ich in diesem Zusammenhang an den Egomanen Franz Josef Strauss. Ohne ihn gäbe es Airbus nicht - und BMW schon Jahrzehnte nicht mehr. Aber er war halt kein Wohlfühlpolitiker, der versprach, es allen recht machen zu wollen.
Technologisch an der Spitze zu sein, lohnt sich immer, auch wenn das viel Geld und immer wieder Tränen kostet.
Herbert Graf
herbertgraf@swissonline.ch