Sowohl auf Windparkebene als auch innerhalb einzelner Windenergieanlagen (WEA) ist ein lückenloses Übertragungsnetzwerk für Daten und Steuerbefehle erforderlich. Zum Einsatz kommen Bustechniken, die aus der Industrie wohlbekannt sind.
Martin Jenkner, Business Development Manager Industrial Ethernet Solutions bei Moxa Europe, erläutert, wie die Datenkommunikation in Windparks und einzelnen WEA gestaltet ist, und deutet eine Lösungsmöglichkeit an, die künftig an Bedeutung gewinnen dürfte.
Energie & Technik: Welche Busstandards bzw. Protokolle kommen bei der Übertragung von Daten und Steuerbefehlen in Windparks zum Einsatz?
Martin Jenkner: Windparks stehen meist in schwach besiedelten Gebieten - immer öfter sogar als Offshore-Anlagen im Meer. Dies erfordert redundante Datenkommunikation über eine Ethernet-Infrastruktur, die zuverlässig und schnell Verbindungen nach etwaigen Ausfällen selbst wiederherstellt. Dafür sorgen neben einem redundanten Ethernet-Backbone Netzwerkgeräte, die Glasfaserübertragung für störunempfindlichen Datentransfer über weite Strecken unterstützen. Ein solches Netzwerk kann durch einfache Skalierbarkeit den flexiblen Ausbau eines Windparks unterstützen.
Beruht die Übertragung von Daten und Steuerbefehlen innerhalb einer WEA ebenfalls auf Ethernet?
Ziel einer effizienten und sicheren Stromerzeugung in WEA ist, die wechselnden Windverhältnisse in eine möglichst konstante Energieerzeugung umzusetzen. Dazu benötigt eine WEA eine Steuerung, die zum einen die Gondel in Windrichtung dreht und zum anderen den Anstellwinkel der Rotorblätter entsprechend der Windstärke einstellt. Über diesen Anstellwinkel regelt die WEA nicht nur die Stromerzeugung, sie kann sich auch bei Windgeschwindigkeiten, die außerhalb ihres Arbeitsbereichs liegen, automatisch ganz ab- und gegebenenfalls wieder einschalten.
Für diese essentielle Steuerung ist in der Gondel eine lokale SPS zuständig. Dazu werden Umgebungsdaten wie etwa Windrichtung und -stärke sowie interne Daten wie Getriebeöltemperatur und Achsdrehzahlen ausgewertet. Die entsprechenden Sensoren werden entweder direkt an die SPS angeschlossen oder je nach Interface über serielle Geräte bzw. Modbus-Gateways mit dem Ethernet-Switch der Gondel gekoppelt.
Wie gelangen nun die von den Sensoren ermittelten Umgebungsdaten und internen Daten in die Gondel- und Pitch-Steuerung - und wie gelangen die Steuerbefehle zu den entsprechenden Antrieben?
Die in der Gondel erfassten Zustands- und Steuerungsdaten werden entweder direkt von der SPS verarbeitet oder stehen nach außen auch transparent zur Verfügung. Gerne wird Modbus als interner Bus zum Datensammeln in der Gondel verwendet. In manchen WEA fallen darüber hinaus auch Datenströme von Videokameras an. Um Ethernet als gemeinsame Datenübertragungstechnik zu nutzen, werden deshalb Modbus-Gateways, serielle Geräteserver, IP-Videoencoder oder E/A-Geräte auf Ethernet-Basis eingesetzt. Ein Ethernet-Switch in der Gondel bündelt diese kupfergebundenen Daten. In manchen Fällen steuert ein Embedded-Computer den Datenaustausch zwischen SPS und Switch für verbesserte Kommunikation und einfacheres Management. Am Computer kann der Anwender wählen, ob er die Daten von der SPS an den Switch blockieren, passieren lassen oder umgehen will, und er kann mit den Front-End-Daten Berechnungen vornehmen, sie speichern oder filtern.
Wie werden dann die einzelnen WEA an das Netzwerk des Windparks und damit an dessen Leitstelle angeschlossen?
Der Switch in der Gondel ist über Glasfaser mit einem Managed Ethernet-Switch am Fuß der WEA verbunden, der zur Integration in das Netzwerk des Windparks dient. Aus Platzgründen werden auch gerne Kombigeräte eingesetzt, die serielle Geräteserver und Switches sowohl mit Kupfer- als auch mit Glasfaseranschlüssen enthalten.
WEA sind somit über ein LAN (Local Area Network) an die zentrale Kontrollstelle angeschlossen. Hier sind SCADA- und Steuerungssysteme tätig, die die gesammelten Daten auswerten, die Einstellungen der WEA anpassen und Betriebs- bzw. Wartungspersonal mit intelligenten Warn-/Alarmfunktionen versorgen.
Welche Netzwerktopologien sind in Windparks üblicherweise zu finden?
Wegen der Weiträumigkeit der Windparks sind die Managed Switches in den Füßen der WEA-Türme über Glasfaserstränge miteinander vernetzt. Üblicherweise werden für Netzwerke in Windparks verkettete Ringtopologien verwendet. Im Vergleich zu klassischen Mesh-Netzwerken sind Ringtopologien ein optimaler Kompromiss aus schneller Wiederherstellung des Netzwerks bei Ausfall eines Links (unter 20 ms) und geringem Verkabelungsaufwand.
Inwieweit findet in Windparks ein Netzwerk-Monitoring per Software statt? Welche Aufgaben hat die Software zu erfüllen?
Zur Instandhaltung und Überwachung des Netzwerks wird Netzwerk-Management-Software eingesetzt, die sich auf die Live-Visualisierung des Netzwerkzustands spezialisiert. Mit Moxas Software »MXView« beispielsweise lassen sich Fehler in Netzwerken, die sich aus Moxa-Switches und anderen SNMP-Geräten zusammensetzen, schnell suchen, finden und beheben. Über SNMP lassen sich auch Alarmmeldungen senden.
In der Leitstelle befindet sich ein Kommunikations-Gateway, das für die Datenerfassung sorgt. Es fungiert als Kommunikationsprozessor ebenso wie als Steuerungs-Computer, der Ingenieuren und Betreibern die Datenerfassung und Systemsteuerung ermöglicht.
Welche Maßnahmen sind nötig, um Kommunikations-Komponenten für WEA auf die dortigen Umgebungsbedingungen vorzubereiten?
Windparks arbeiten unter rauen Betriebsumgebungen wie Feuchtigkeit, Gischt und wechselnden Temperaturen. Daher müssen die in WEA und Schaltschränken eingesetzten Geräte sowohl auf eine große Betriebstemperaturspanne wie etwa -40 bis 75 °C vorbereitet als auch besonders im Offshore-Bereich gegen Feuchtigkeit geschützt sein. Die exponierte Lage von WEA erfordert eine solide Ableitung von Blitzeinschlägen. Für die Kommunikationstechnik innerhalb einer WEA bedeutet das hohe Anforderungen an den Schutz vor elektromagnetischen Störungen. Deshalb wird nicht nur bei der Vernetzung von WEA untereinander, sondern auch bei der Datenübertragung innerhalb einer WEA von der Gondel zum Fuß bevorzugt Glasfaser eingesetzt. Zu guter Letzt sollten die Geräte einen kompakten Formfaktor haben, damit sie sich in Gondel und Schaltschränken unterbringen lassen, wo nur wenig Platz vorhanden ist.
Welche Rolle spielt die IEC-Norm 61400-25? Welche Vorschriften umfasst sie?
Als Teil der IEC-Norm 61850 (International Electrotechnical Commission), die ein allgemeines Übertragungsprotokoll für die Schutz- und Leittechnik in elektrischen Schaltanlagen der Mittel- und Hochspannungstechnik (Stationsautomatisierung) definiert, regelt die IEC 61400-25 die Kommunikation für die Überwachung und Steuerung von WEA. Die Norm umfasst allgemeine Festlegungen für Schaltanlagen, die wichtigsten Informationen für Funktionen und Geräte, den Informationsaustausch für Schutz, Überwachung, Steuerung und Messung, eine digitale Schnittstelle für Primärdaten und eine Konfigurationssprache. Aus technischer Sicht ist die IEC 61850 auch für die Prozessdatenübertragung zwischen den Stationen und der Netzleittechnik geeignet, so dass sie eine durchgängige Systemarchitektur vom Prozess über das Stationsleitsystem bis zur Netzleitstelle ohne den Einsatz von Gateways ermöglicht.
Vor allem in Offshore-Windparks lägen ja drahtlose Kommunikationslösungen nahe. Gibt es hier entsprechende Erfahrungen?
Durchaus. In China hat Moxa kürzlich eine Drahtloslösung in einem Offshore-Windpark umgesetzt, bei der WLAN-Access-Points des Typs AWK-5222 die Gondeln drahtlos an den Ethernet-LAN-Backbone anbinden. Hier kann der Verkabelungsaufwand zwischen Gondel und Fuß auf Null reduziert werden. Ein Ansatz, der auch in Europa unter bestimmten Bedingungen wie zum Beispiel bei Nachrüstungen gewählt wird.