Dünne PV-Zellen, Kupfer statt Silber und Rückseitenkontaktierung

Die Krise könnte Innovationen beschleunigen

2. Oktober 2012, 10:44 Uhr | Heinz Arnold
Joachim John, IMEC: »Die Hersteller von Silberpasten haben hervorragende Arbeit geleistet, deshalb verschiebt sich der Einsatz von Kupfer etwas nach hinten.«
© IMEC

Dünne PV-Zellen sind trotz des niedrigen Preises für Silizium noch lange nicht out. Was sich technisch derzeit tut und warum die Krise in der PV-Industrie Innovationen nicht verzögern, sondern sogar beschleunigen könnte, darüber sprach Energie&Technik mit Joachim John, R&D PV Project Manager von IMEC.

Diesen Artikel anhören

Energie & Technik: Das IMEC arbeitet in Kooperation mit verschiedenen PV-Zellen- und Modulherstellern weiter daran, die Stärke der Zellen zu reduzieren. Als Polysilizium  knapp und teuer war, erschien das als ein viel versprechender Ansatz. Jetzt sind die Preise aber im Keller. Ist es weiterhin sinnvoll, Geld in Forschung und Entwicklung dünner Silizium-Zellen zu stecken?

Joachim John: Die Projektidee für die 100-µm-Zellen, die wir in Kooperation mit SolarWorld entwickelt haben, entstand vor fünf Jahren, als der Preis für Silizium noch hoch lag.  Der Vorteil des geringeren Preises entfällt damit – jedenfalls derzeit. Die Situation kann sich aber schnell drehen. Davon abgesehen gibt es technische Gründe, die für die dünnen Zellen sprechen, deshalb finden sich die dünnen Zellen auch weiterhin auf der Roadmap der SEMI. Grundsätzlich ist es ja sehr gut, möglichst wenig von dem unter hohen Aufwand hergestellten Silizium zu verwenden. Das Silizium macht immer noch rund ein Drittel der Modulkosten aus und liegt damit viel zu hoch. Damit kann der Preis nicht auf 80 Cent/Wp sinken. Außerdem verbessert sich die Leistungsfähigkeit der Zelle. Das Optimum liegt bei einer Zellstärke im Bereich von 40 bis 50 µm.

Bisher waren die dünnen Zellen bei den Modulherstellern recht unbeliebt, weil der Bruch die Ausbeute verdorben hat. Ändert sich das jetzt?

In der Zusammenarbeit mit SolarWorld hat sich heraus gestellt, dass das Handling, die Greifer und der Stinger-Prozess nicht so schädlich sind wie ursprünglich gedacht. Die Maschinen mussten zwar nachjustiert werden, aber der Aufwand war weit geringer als gedacht. Die Fortschritte in der Fertigung der Zellen selbst tragen ebenfalls dazu bei, dass sie sich viel besser verarbeiten lassen als noch vor zwei Jahren. Die PERC-Zellen verbiegen sich nicht so stark wie mit Aluminium beschichtete Wafer, die in Standard-Prozessen gefertigt werden. Deshalb lassen sie sich einfacher verarbeiten.

Gerade der Bereich der Modulfertigung galt ja bisher nicht gerade als besonders innovationsfreudig? 

In der Vergangenheit war das leider richtig, die Modulfertigung wurde auf wissenschaftlicher Seite total verschlafen. Die Hersteller fertigen häufig noch so wie vor 20 Jahren. Das rächt sich jetzt. In China sieht die Situation übrigens auch nicht anders aus, nur liegen dort die Arbeitskosten niedriger und die Hersteller bekommen noch zusätzlich Subventionen.

Über die letzten Jahre haben die Experten gehofft, das teure Silber durch Kupfer ersetzen zu können. Jetzt scheint es aber als ob sich der Einzug von Kupfer in die Fertigung sich etwas verzögern würde?

Das stimmt, auch auf der SEMI-Roadmap ist der Einsatz von Kupfer etwas nach hinten gerückt. Ein Grund dafür ist, dass die Hersteller der Silberpasten wie etwa Heraeus hervorragende Arbeit geleistet haben. Sie standen natürlich über die letzten zwei Jahre unter einem gewaltigen Druck, weil alle das Ende der Silberpasten prognostizierten. Durch ihre Arbeit haben sie aber gezeigt, dass sich der Wirkungsgrad der Zellen über die traditionelle Methode Silberpasten über Siebdruck aufzubringen, noch erheblich verbessern lässt. Allein um die Leistungsfähigkeit der Zellen zu verbessern, muss man also Kupfer so schnell nicht einsetzen.

Dennoch entwickelt das IMEC weiter Prozesse, die das Silber durch Kupfer ersetzen?

Bis in den Bereich der Fingerbreite von 80 µm können Silberpasten industriell zum Einsatz kommen. Sollen die Finger allerdings kleiner werden, dann kommt man an Kupfer nicht vorbei. Sobald die Finger in den Bereich von 20 bis 30 µm kommen, was die Verschattung deutlich vermindert, dann muss Kupfer Einsatz finden. Aber dies wird eben später geschehen als ursprünglich gedacht.

Ein weiteres heißes Thema war die Rückseitenkontaktierung. Gibt es auf diesem Gebiet Durchbrüche zu vermelden?

Die Frontseitenkontaktierung wird bis 2020 dominierend bleiben. Ähnlich wie für Kupferprozesse sind zuerst einmal sehr hohe Investitionen erforderlich…

…die derzeit niemand tätigen will, nachdem die PV-Hersteller ja schon in den guten Zeiten relativ wenig in Forschung und Entwicklung gesteckt haben?

Von einigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen stimmt das. Es ist ja bekannt, dass die PV-Hersteller in der Vergangenheit im Durchschnitt nur 3 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung investiert haben. Zum Vergleich: die Chiphersteller investieren rund 15 Prozent in F&E.

Verzögert die Krise die Investitionen in F&E erst recht oder könnte sie sogar einen Innovationsschub auslösen?

Für einige der rühmlichen Ausnahmen, die schon vorher investiert haben, wie beispielsweise Centrotherm, kam die Krise leider zu früh. Hier wird sie sich verzögernd auswirken. Andererseits wächst der Innovationsdruck, wie auch jetzt auf der PVSEC wieder zu sehen ist. Keiner will mehr Standard machen. Hanwhar Solar beispielsweise hat sich über die letzte Zeit stark engagiert, sie haben Q-Cells übernommen und beteiligen sich am Start-up-Firmen, um innovative Produkte zu entwickeln. Auch Total, das Unternehmen hatte Sunpower übernommen, einen der Sterne der Innovationen – geht entschieden diesen Weg. Ich gehe davon aus, dass solche Firmen weiter investieren die Innovation vorantreiben. Sie werden aus der Krise gestärkt hervor gehen.


Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu IMEC vzw

Weitere Artikel zu Forschung und Lehre

Weitere Artikel zu Energieerzeugung