Extrem erhöhte Lieferzeiten für Elektrolytkondensatoren und Halbleiter prägen nach einer aktuellen Umfrage unter Stromversorgungsherstellern, die auf dem deutschen Markt tätig sind, die Prognosen für den weiteren Verlauf des Geschäftsjahres.
»Die Situation ist angespannt, seit Ende 2017 haben wir mit einer Verdoppelung der Lieferzeiten für kritische Komponenten zu kämpfen«, erläutert Hubert Prieger, Regional Sales Manager Central&Eastern Europe, bei Artesyn Embedded Power. »In Summe heißt das für einige Kunden, dass Premiumkosten anfallen, um bei unseren Komponentenlieferanten schnelle Lieferungen zu ermöglichen.« In der Konsequenz werden die Stromversorgungshersteller also wohl nicht umhin kommen, Mehrkosten, die durch Premium-Fees, Ressourcen bindendes zusätzliches Auftragsmanagement und die Einrichtung von Pufferlagern entstehen, an ihre Kunden weiterzugeben.
»Im Moment wird die Produktion nicht vom Kunden, sondern vom Beschaffungsmarkt gesteuert«, versichert Hermann Püthe, geschäftsführender Gesellschafter der inpotron Schaltnetzteile. »Die Lieferanten tun derzeit alles, um uns auszubremsen.« Im Moment, so sein Eindruck, »ist die Performance der Zulieferer ganz schlecht, um es genau zu sagen«. »Sprunghafte Mengensteigerungen beispielsweise für das Projektgeschäft, oder neue Produkte sind derzeit nur schwer, oder gar nicht mehr zu realisieren«, gibt Kai Heinemann, Assistent der Geschäftsführung Produktmanagement/Entwicklung, zu Protokoll, »um eine einwandfreie Auftragsabwicklung zu realisieren, ist inzwischen ein deutlich erhöhter Aufwand in die langfristige Disposition erforderlich«.
»Die langen Lieferzeiten auf der Bauelementeseite machen sich auch in unseren Lieferzeiten bemerkbar«, bestätigt Michael Peters, Managing Director bei MTM Power, die Entwicklung der letzten Monate, »hinzu kommt, dass es immer schwerer wird, auch alternative Komponenten zu bekommen«. »Wir haben inzwischen eine Allokation vom Feinsten«, ist Oliver Walter, CEO von Camtec Power Supplies, überzeugt, »die Situation ist ernst, die Kundschaft muss sich auf lange Lieferzeiten einstellen«. Die spannende Frage so, Walter sei derzeit: »Bekommen wir unsere Lieferung auch wirklich?« Aktuell sei die Situation so, »dass zugesagte Liefertermine ohne Vorwarnung nach hinten geschoben werden, und zwar nicht um Tage, sondern um Wochen«.
Vor diesem Hintergrund appelliert Gustav Erl, Geschäftsführer TDK-Lambda Deutschland dringend an Kunden, ihre Planungshorizonte anzupassen! »Am besten wäre mindestens eine Verdoppelung«, fordert er, »diese Entwicklung hat sich zwar schon im letzten Jahr angedeutet, doch inzwischen ist definitiv die Situation eingetreten dass sich die Lieferzeiten für die benötigten elektromechanischen und passiven Bauelemente, sowie die eingesetzten Halbleiter um 12 bis 20 Wochen verlängert haben«. Mit der Informationspolitik der Hersteller zeigt er sich unzufrieden, »wir haben uns da mehr versprochen«, von nicht gehaltenen Lieferzusagen ganz zu schweigen.
»Ein seriöser Mengen-Forecast ist heute wichtiger denn je«, versichert Dennis Dusny, Vertriebsleiter bei AE Conversion, »wir müssen inzwischen deutlich früher als bisher im Projektverlauf in die Beschaffung der Komponenten gehen«. Ein regelmäßiges Update von Seiten der Kunden sei dringend notwendig: »Bei sprunghaften Mengenänderungen haben wir teilweise nur noch Mittel wie den »Hot-Buy«!
Birgit Tunk, verantwortlich für Projektmanagement und Materialwirtschaft bei Syko, weist eindringlich darauf hin, dass auch alternative Komponenten, so die Kunden den zu deren Einsatz bereit sein, »inzwischen die gleiche Liefersituation haben, wie die ursprünglich vorgesehenen Bauelemente. Die Lieferperformance ist derzeit einfach schlecht«. Zwar hätten die Kunden inzwischen die Marktsituation verstanden, aber die Lieferverpflichtungen die drohenden Vertragsstrafen würden hohen Stress erzeugen. Von Seiten der Distribution ist, wie zuletzt etwa auf der Embedded World zu hören war, alles getan worden, um sich auf die jetzt eingetretene Situation vorzubereiten. Man versuche die vielfältigen Wünsche zu erfüllen. Klar ist aber auch, dass langjährige Kunden bei ihren Wünschen wohl auf mehr Kooperationsbereitschaft hoffen dürfen, als jemand, der nur aktuell seinen dringenden Spitzenbedarf decken will. Priorisierung heißt das Zauberwort.
Um dem Rosinenpicken vorzubeugen, bevorzugen viele Distributoren offensichtlich auch komplette Paketgeschäfte. Ob Premium Fees damit wieder zu einem flächendeckenden Phänomen werden, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen.
Zu den wenigen Teilnehmern der aktuellen Marktumfrage, die über keine Probleme mit Lieferzeiten berichten, zählt Phoenix Contact Power Supplies. Geschäftsführer Michael Heinemann versichert, »dass wir immer noch jedes Gerät innerhalb von 24 Stunden ab Lager liefern können«. Durch intensive Marktbeziehungen habe man bereits vor Jahren einige Frühindikatoren definiert, um rechtzeitig Veränderungen am Markt zu erkennen. »Als es 2016 erste Anzeichen gab, dass der Markt anzieht und sich gleichzeitig der Beschaffungsmarkt verschärft, haben wir die unternehmerische Entscheidung getroffen, sowohl die Lager für Material, als auch Geräte deutlich zu erhöhen. Das zahlt sich jetzt aus«. Mehr zur aktuellen Entwicklung am deutschen Stromversorgungsmarkt erfahren Sie ab Seite 24.