Vor dem Hintergrund der notwendigen intensiven Zusammenarbeit der verschiedenen Beteiligten, einschließlich der Netzteilhersteller, hat die IEC (International Electrotechnical Commission) im Jahr 2014 mit der 4. Ausgabe von IEC 60601-1-2 eine neue Revision der Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) medizinischer Geräte veröffentlicht. Diese Revision enthält eine Reihe von Änderungen einschließlich neuer Anforderungen an die Störfestigkeit und zuverlässiger Risikoanalyse.
Unter Berücksichtigung der wachsenden Zahl an drahtlos vernetzten Geräten, neu genutzter Frequenzbänder und des Risikos gegenseitiger Beeinflussung verschiedener Teile einer medizinischen Ausrüstung beinhaltet die überarbeitete Norm deutlich höhere Pegel für die Störfestigkeit gegenüber abgestrahlten, magnetischen und leitungsgebundenen Störungen. Darüber hinaus wurden die Grenzwerte für die elektrostatische Entladung (ESD) sowie für kurzzeitige Spannungseinbrüche deutlich verschärft. Daneben hat die IEC weitere Störfestigkeitsprüfungen in die neue Revision aufgenommen, die im Wesentlichen der Logik von EN 60601-1-11 folgt, dem Kollateral-Standard für den Home-Healthcare-Bereich. Hier geht es um Störfestigkeitsprüfungen gegen Nahfelder von mobilen Kommunikationsgeräten mit erheblich höheren Pegeln, als dies in der Vergangenheit bei dieser Art Prüfung üblich war.
Vorrangiges Ziel der 4. Ausgabe ist es, sicherzustellen, dass medizinische Behandlungen nicht durch EMV-Phänomene gestört werden.
Die Tabelle fasst die Unterschiede zwischen der 3. Ausgabe (2007) und der 4. Ausgabe (2014) von IEC 60601-1-2 zusammen. Hier die wichtigsten Änderungen in Kürze.
In der 3. Ausgabe wurden die Anforderungen nach dem Anwendungsfall (lebenserhaltend/nicht lebenserhaltend) unterschieden. In der 4. Ausgabe beziehen sich die Anforderungen vielmehr auf den Einsatzort der Ausrüstung. Folgende Möglichkeiten werden unterschieden:
Zusätzlich führt die 4. Ausgabe neue Definitionen ein:
Die Grenzwerte für die EMV-Tests werden nicht mehr abhängig vom Gerätetyp, sondern hinsichtlich der Einsatzumgebung und dem damit verbundenen Risiko definiert. Unterschieden werden Einsatzumgebungen in Krankenhaus und Praxis, im häuslichen Umfeld oder in speziellen Umgebungen wie militärischen Einrichtungen, der Schwerindustrie oder im Bereich von medizinischen Hochleistungsgeräten. Laut Punkt 6.2 müssen Hersteller im Vorfeld einen Testplan bzw. eine Risikoanalyse anfertigen und an ein EMV-Testlabor übermitteln.
Unter Berücksichtigung der z.T. außergewöhnlichen Gegebenheiten in den "speziellen Umgebungen" können unter Umständen andere Störfestigkeitspegel zugelassen werden, als im professionellen bzw. häuslichen Umfeld festgelegt sind. Diese müssen jedoch bereits in der Entwicklungsphase in enger Abstimmung mit dem Endkunden definiert werden.
Für die medizinische Ausrüstung wird eine Risikoanalyse verlangt, die auch eine Aussage des Netzteilherstellers beinhaltet hinsichtlich der zu erwartenden Risiken durch elektromagnetische Störungen. Diese betreffen auch neue Frequenzen und verschiedene Pegel, abhängig von der Kategorie.
Die Testspannungen für den ESD-Test (elektrostatische Entladung) wurden deutlich erhöht. So sind nun für die Kontaktentladung 8 kV statt 6 kV und für die Luftentladung 15 kV statt 8 kV einzuhalten. Bei leitungsgeführten Störgrößen in den ISM-Bändern beträgt der Störfestigkeitspegel nun 6 V.
Als Folge der Zunahme von Geräten mit drahtloser Datenübertragung und der höheren Leistung drahtloser Signale ist in definierten Frequenzbändern bis 6 GHz mit Pegeln von max. 28 V/m eine Störfestigkeitsprüfung neu hinzugekommen. Die neuen Störfestigkeitsprüfungen sind für alle Produkte ohne Ausnahme vorgeschrieben.
Insgesamt besteht eine sehr geringe Flexibilität, niedrigere als die in der Norm festgelegten Störfestigkeitspegel zuzulassen. Anhang E beschreibt den Prozess, wie Störfestigkeitspegel zu ermitteln sind. Dies gilt insbesondere für die speziellen Umgebungen, wo u.U. andere Pegel zulässig sein können. Um die Hersteller beim Erstellen ihrer Testpläne zu unterstützen, wurde zusätzlich ein Leitfaden im Anhang G der Norm aufgenommen.