Atemberaubende Präzision

Eine neue Dimension an Genauigkeit

5. April 2022, 9:38 Uhr | Heinz Arnold
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Automotive-Anforderungen – ebenfalls kein Problem

BMP581
Der Drucksensor von Bosch Sensortec zeichnet sich durch eine sehr hohe Genauigkeit aus.
© Bosch Sensortec

Sogar Anwendungen im weiten Umfeld der Industrie und im Automotive-Sektor kommen nun für die Sensoren in Betracht. Das sei laut Finkbeiner eine interessante Wendung: Vor 17 Jahren wurde Bosch Sensortec aus Bosch ausgegründet, um die MEMS-Technik, die ursprünglich für den Einsatz im Auto entwickelt wurde, in die Consumer-Märkte zu bringen. Dahinter stand die Überzeugung, dass nur eine darauf spezialisierte und ganzheitlich ausgerichtet Organisation mit den gegenüber den Industrie- und Automotive-Märkten sehr unterschiedlichen Anforderungen des Consumer-Marktes zurechtkommen könnte – genau die richtige Entscheidung, wie der Erfolg von Bosch Sensortec seitdem bewiesen hat.  

»Jetzt haben wir den Spieß allerdings umgedreht«, erklärt Finkbeiner. »Aus der Entwicklung von Sensoren für Consumer-Geräte heraus haben wir eine derartige Genauigkeit erzielt, dass sich die Sensoren nun auch für den Einsatz in Industriemaschinen und Autos eignen.« Dass Sensoren für Consumer-Märkte schlechtere Werte erzielten und qualitativ nicht so hoch lägen, würde nun nicht mehr stimmen. Im Gegenteil: »Wir stehen jetzt vor dem Problem, dass selbst die teuren für die Kalibrierung vorgesehenen Industriesensoren nicht mehr ausreichen, um unsere neue BMP581-Generation dagegen kalibrieren zu können.«

Und dass die Stückzahlen, die abgesetzt werden können, im Industriebereich viel kleiner sind als im Consumer-Markt? »Kein Problem, die kleineren Stückzahlen können wir über unsere Vertriebspartner bedienen«, antwortet Finkbeiner. Abnehmer gebe es genug: Erstens intern – beispielsweise Bosch Rexroth – und zweitens ergäben sich im Markt vielfältige Möglichkeiten, worum sich vor allem die Distributoren kümmern werden. Wobei neben der hohen, über die Temperatur stabilen Präzession die niedrige Leistungsaufnahme ein immer wichtigeres Argument sei: Einfach mit der Spannung hochzugehen, um die Präzision der Sensoren zu verbessern, sei im Industrieumfeld oft möglich, »aber auch keine Kunst«, so Finkbeiner. Jetzt könnten die Anwender beides – niedrige Leistungsaufnahme und hohe Genauigkeit – in einem Sensor kombiniert bekommen.

7,6 µg – der Tausendste Teil einer Stechmücke

Doch wozu die hohe Genauigkeit gerade im Consumer-Markt? Bisher wurden die Drucksensen vor allem in der Lokalisierung im Inneren von Gebäuden eingesetzt. Da ging es um Höhenunterschiede von Metern. Die neuen Sensoren messen Differenzen von nur noch 20 cm, damit können sie einzelne Treppenstufen auflösen. Das bedeutet: Der BMP581 ist in der Lage, einen Gewichtsunterschied von 7,6 µg zu messen – dem Tausendstel des Gewichts einer Stechmücke. »Das ist atemberaubend und entspricht einer Membranauslenkung von 5 pm, bzw. einer Kapazitätsänderung im Bereich von Attofarad (aF), was wiederum eine Anzahl von 126 Elektronen bedeutet«, so Finkbeiner.

Damit spricht er schon an, was sich grundlegend im Innenleben der neuen Sensorgeneration gegenüber ihren Vorgängern geändert hat: Sie arbeiten nicht mehr auf Grundlage des piezoresistiven Effekts, sondern kapazitiv. Dieses neue Messprinzip benötigt inhärent weniger Leistung für die Messung und erlaubt es, bessere Kompensationsschaltungen zu integrieren. Beides führt zu der insgesamt höheren Leistungsfähigkeit hinsichtlich Messgenauigkeit und Stromaufnahme, vor allem aber auch zu der oben erwähnten guten Stabilität über die Temperatur.  Denn über eingebaute Referenzmessungen kann der Sensor unterscheiden, ob es sich um ein echtes Signal handelt oder nur um eine Temperaturdrift.

Komplett neue Sensortechnik – in nur drei Jahren marktreif

Das eigentlich Neue ist also, dass Bosch Sensortec zum ersten Mal für die Drucksensoren auf die kapazitive Technik setzt. Vor drei Jahren war die Entscheidung dafür gefallen. »Dass wir innerhalb dieser kurzen Zeit eine ganz neue Technologie und neue Prozesse für die Fertigung der Drucksensoren entwickeln konnten, macht uns sehr stolz«, freut sich Finkbeiner. Denn normalerweise würde erst einmal ein Jahr ins Land ziehen, bis die speziellen Anlagen angeschafft seien, die für eine neue Sensortechnologie erforderlich sind. Dann müssen sie stabil laufen, um danach die Prozesse darauf einzufahren und schließlich die ersten Produkte darauf fertigen zu können. »Normalerweise dauert das insgesamt fünf Jahre«, so Finkbeiner.

Dass Bosch Sensortec diese Zeit um zwei Jahre abkürzen konnte, liege am umfangreichen Know-how innerhalb von Bosch. So fertigt das Unternehmen in der Fab in Reutlingen schon seit langem Inertialsensoren für Autos auf Basis der kapazitiven Technik. Darauf konnte Bosch Sensortec jetzt aufbauen, wie Finkbeiner erläutert: »Wir mussten nur relativ wenige spezifische Maschinen in den neuen Prozess einbringen, um die gewünschte Performance herauszuholen, und können mit relativ geringem Risiko schrittweise vorangehen. Umgekehrt können dann in einem späteren Schritt die Inertialsensoren für die Industrie und Automotive wieder von unserer Erfahrung profitieren. So schließt sich der Kreis.«

Dennoch bedeutete die Entwicklung drei Jahre harte Arbeit und einen hohen Aufwand. Denn neben der neuen kapazitiven MEMS-Sensoren, die wie gehabt in der Fab in Reutlingen gefertigt werden, musste auch das erforderliche ASIC entwickelt werden, dessen Fertigung Foundries übernehmen. Zudem kommt es bei Sensoren besonders auf eine ausgeklügelte Gehäusetechnik an. Das sei ebenfalls ein Kern-Know-how von Bosch Sensortec. Auch hier konnten das Unternehmen auf den langjährigen Erfahrungen und der Partnerschaft mit den Packaging-Partnern aufbauen, eine Revolution in der Packaging-Technik sei dazu nach den Worten von Finkbeiner nicht erforderlich gewesen.

Der BMP581, der mit I2C-, I3C- und SPI-Schnittstellen (3-Draht/4-Draht) ausgestattet ist, steht ab sofort zur Verfügung.


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