Kategorie-8.1-Labormesstechnik: Erkenntnisse im Vergleich zu Kategorie 6A
Natürlich stellt eine Vervierfachung des Messbereichs von 500 MHz auf 2 GHz eine Herausforderung an die Messtechnik dar, das ist jedoch nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs.
Für das De-Embedding – die mathematische Darstellung des NEXT des Teststeckers – und das Re-Embedding – mathematische Simulation der Eigenschaften einer Cat.-6A-Buchse in Kombination mit allen Teststeckern vom Low- bis zum High Plug – reichte dem versierten Ingenieur ein Excel-Spreadsheet. Obwohl mehrere MB groß, war der Funktionsumfang ausreichend. Für die Kategorie 8.1 führt an Matlab oder ähnlichen komplexen Werkzeugen kein Weg vorbei.
Die Charakterisierung des Teststeckers erweitert sich nicht nur im Frequenzbereich, sondern auch die S1- und S2-Parameter müssen ermittelt werden. Um dies zu erreichen, muss vorerst der Einfluss des Messadapters neutralisiert werden. Dazu wird jedes der im Bild 4 gezeigten Artefakte – Kurzschluss, Offen, 100 Ω, Durchverbindung – eingesteckt, um danach eine 4×4-Matrix mit Messdaten für den gesamten Frequenzbereich zu füllen. Am Ende dieses Procedere kann aus 16 dieser 4×4-Matrixen eine 16×16-Matrix erstellt werden, die den Messadapter in seiner Gesamtheit und für alle Paare und Paarkombinationen darstellt.
Nachdem der Testadapter nur mathematisch neutralisiert werden kann, ist es möglich, im nächsten Schritt den Teststecker zu charakterisieren und auf die erforderlichen Centered-Eigenschaften für das NEXT und Einhaltung der RL-Werte (Rückflussdämpfung) zu prüfen (Bild 5).
Nach all diesen Vorarbeiten kann der Teststecker verwendet werden, um im Labor Cat.-8.1-Buchsen auf Konformität zu prüfen. Im Feld kann ein Feldtester mit Permanent Link Adapter mit diesem erwiesenermaßen zentrierten Teststecker ausgestattet werden, um normkonforme und relevante Messungen an neu installierten Kategorie-8.1-Links durchzuführen.
Dem schnellen Leser mag das obige Procedere angemessen für Messaufgaben im Labor erscheinen, jedoch nicht für Messaufgaben an einem Verkabelungssystem durch einen Installateur. Der Installateur ist von diesem Aufwand in keiner Weise betroffen. Für ihn genügt es, die entsprechende Messtechnik auszuwählen.
Messtechnik, die – belegt durch Tests in unabhängigen Meßlabors – an der Referenzebene (Bild 3, orange Linie) die von der Norm ISO/IEC 61935-1 [1] geforderten Anforderungen an die Messgenauigkeit erfüllt. Diese Anforderungen sind heute nur bis zum Level V (1000 MHz) definiert; die Meinung der Experten ist jedoch, dass vor Ende des Jahres 2016 im Level VI des Dokuments auch die Werte bis 2000 MHz festgezurrt werden können.
Messtechnik, die einen austauschbaren Teststecker verwendet, für den belegt werden kann, dass die Anforderungen für einen zentrierten Teststecker erfüllt werden oder von dem bekannt ist, dass die meisten Labors genau diesen für Entwicklungs- und Prüfaufgaben verwenden. Mit einem wie im Bild 5 gezeigten Messaufbau – kombiniert mit einem automatisierten Messablauf – ist es praktikabel, einen Qualitätsplan zu erstellen, der sicherstellt, dass alle gefertigten Teststecker die geforderten Angaben erfüllen.
Dieser Artikel hat die Messung im Labor zum Thema und trotzdem gibt es immer wieder Ausflüge in das Thema Feldmesstechnik. Der Grund dafür ist einfach: In der Vergangenheit gab es immer wieder das Problem, dass Abnahmemessungen im Feld nicht die im Datenblatt dokumentierte und im Labor demon¬strierte Performance bestätigen konnten. Die häufigsten Gründe sind:
Variation bei der Fertigung der Komponenten
Mängel bei der Fertigung des Gewerks: Zum Beispiel werden die Vorgaben des Herstellers bei der Installation nicht eingehalten.
Unterschiede bei den verwendeten Teststeckern
Es ist daher nicht verwunderlich, dass bei der Entwicklung der Teststecker, der Methoden zur Prüfung derselben, Round Robins, mathematischen Modelle etc. Fluke Networks als Messgerätehersteller einen großen Teil der Normierungsarbeit leistete. Mit einem Teststecker, der sowohl im Labor als auch im Feld Verwendung findet, ist es möglich, im Labor demonstrierte Performance im Feld zu bestätigen.
Trugschlüsse
Es gibt zwei häufige Trugschlüsse zur Signifikanz des Teststeckers bei der Abnahmemessung von installierten Strecken oder bei der Konformitätsprüfung von Komponenten.
Erstens: „Je 3 cm am Ende einer langen Strecke können keine große Rolle spielen.“ Diese Überlegung ist richtig und auch falsch. Während die Steckverbindung bei der Einfügedämpfung nur eine geringe Rolle spielt, nimmt der Beitrag zum NEXT mit der Frequenz vehement zu. In Bild 6 kann man erkennen, dass sogar bei nur 100 MHz die beiden Steckverbindungen ein Drittel zum Gesamt-Nahnebensprechen der Übertragungsstrecke beitragen und ab 800 MHz sogar dominieren. Zweitens: „Wenn wir mit einem nicht perfekten oder konformen Stecker prüfen, stellt dies ein Worst-Case-Szenario dar und die Funktionalität mit konformen Steckern ist sichergestellt.“ Erinnern wir uns an die Funktionsweise der NEXT Kompensation in einer Buchse, können wir uns sehr gut vorstellen, dass eine bestimmte Buchse mit einem Stecker „Higher than High“ oder „Lower than Low“ eine bessere Performance zeigt. Es wäre daher richtiger zu sagen: „Messen mit einem Stecker, der nicht als Teststecker qualifiziert ist, resultiert nicht in Worst-Case-Messwerten, sondern in Worst-Case-Relevanz.“ Oder kürzer: „falscher Stecker = falsches Ergebnis“.
Literatur
[1] IEC 61935-1 Ed. 4.0: Specification for the testing of balanced and coaxial information technology cabling – Part 1: Installed balanced cabling as specified in ISO/IEC 11801 and related standards.
Der Autor
Christian Schillab
fungiert bei Fluke Networks Europe seit 2000 als Product Manager InfraStructureSuperVision für den Raum EMEA. Als Mitglied des DKE ist er aktiver Teilnehmer in GAK 715.3.2 und 651.2.1. Seit 1982 betreute er für nordamerikanische Hersteller von Telekom-Messgeräten – Spectron, Navtel, Nextest – den Raum EMEA in verschiedenen Marketing- und Market-Development-Positionen.