Editorial 03/2016

Leben 4.0

30. Juni 2016, 12:15 Uhr | Marcel Consée

Erinnern Sie sich noch? Vor ein paar Jahren war alles »2.0« – Internet, Realität, Träume, Umwelt. Die »3.0« ist weitgehend untergegangen, ob nun abergläubische Motive oder ein gewisser Überdruss an »dot-oh« der Grund dafür war, lässt sich nicht ohne weiteres feststellen.

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Jedenfalls ging es nahtlos zu »4.0«. Es steht zu befürchten, dass ausgerechnet unsere Bundesregierung (zum erstenmal?) einen weltweiten Trend ausgelöst hat: Alles begann 2011 auf der Hannovermesse mit Industrie 4.0. Inzwischen sind die von der 2.0-Ära bekannten üblichen Verdächtigen neu gelabelt worden, und auch der Webauftritt www.medizin-und-elektronik.de der schönen Zeitschrift, die gerade vor Ihnen liegt, hat eine Rubrik »Medizin 4.0«. Die bayrische Gesundheits- und Pflegeministerin sprach gerade zum Thema »Gesellschaft 4.0« weise Worte zur Telemedizin: »High-Tech in der Gesellschaft 4.0 darf (...) nicht bedeuten, dass technische und digitale Anwendungen in Medizin und Pflege die Menschlichkeit verdrängen. (...) Der Mensch muss stets im Mittelpunkt stehen.« Die Staatsministerin stellte besonders die Problematik des Datenschutzes an der Schnittstelle zwischen Medizin und technischem Fortschritt heraus, was durchaus sinnvoll ist. Tatsächlich gilt es an dieser Stelle, neue Lösungen zu finden. Digitalisierung und Telemedizin schaffen ungeheure Datenmengen, deren sinnvolle Auswertung ganz neue Therapie- und Diagnosemöglichkeiten bereitstellen kann. Das ist schön. Gleichzeitig stehen schon die Krankenkassen in den Startlöchern, um individualisierte Tarife je nach Lebenswandel zu ermöglichen. Das ist weniger schön und der angekündigte Tod auch der letzten Bastion einer solidarischen Gesellschaft. Gut, dass momentan die Daten aus Wearables und sonstigen Geräten in den Datenlagern harter Konkurrenten landen – Google, Apple, Samsung und Microsoft werden untereinander kaum ihre wertvollen Zahlen kombinieren. Noch rettet also der Kampf der Konzerne unsere Privatsphäre. Puh!


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