Heute ist offizieller Startschuss für die IFA 2018 in Berlin. Bis zum 5. September können sich die Besucher über die aktuellen Trends im Bereich Consumer Electronics informieren. Und wie fast alle großen Messen beschäftigt sich auch die IFA in diesem Jahr mit der Medizin – also sie versucht es.
Ein bisschen ärgere ich mich ja schon. Clueso, Wanda, Olli Schulz und sogar James Blunt geben sich in den nächsten Tagen in Berlin das Mikrofon in die Hand. Allerdings treten sie nicht bei einem neuen Festival auf. Nein, sie gehören zum Rahmenprogramm der IFA 2018. Die Cebit hat es vorgemacht und in Berlin machen sie es munter fröhlich nach. Konzerte und Messen scheinen seit diesem Jahr eine sehr verträgliche Kombination zu sein. Sinn und Zweck erschließt sich mir persönlich nicht ganz, aber ich bin ja sowieso nicht vor Ort.
Tja, hätte ich mir das Programm mal früher angeguckt. Da steht es nämlich in großen und dicken Buchstaben: »Freitag, 31. August: Digital Health«. Nun hat also auch die IFA das Thema Medizin, oder um es etwas trendiger auszudrücken Health, für sich entdeckt. Macht ja auch Sinn, schließlich ist der Verbraucher heute nicht nur offen für digitale Techniken, sondern auch sehr gesundheitsbewusst – #healthylifestyle. Er trackt seinen Schlaf, optimiert seine Fitness und auch in Sachen Ernährung lebt er voll und ganz auf der gesunden Seite des Lebens. Vorsorge statt Nachsorge – App sei Dank.
Zugegeben, im Ausstellerprogramm musste ich etwas suchen, bis ich die Medizin gefunden hatte. Aber es gibt sie. Und drauf kommt es doch an. Oder? Naja nicht ganz. Denn was als großer Digital-Health-Tag angekündigt ist, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Start-up-Event; initiiert vom Bundesverbands Deutsche Startups. Das ist grundsätzlich nicht verkehrt, aber Start-ups machen am Ende nur einen geringen Teil von Digital Health aus.
Neue ist Health – gerne auch Smart Health oder Digital Health – auf Consumer-Messen nicht. Will eben jeder sein Stück vom Trend-Kuchen abhaben. Schon die Veranstalter der Cebit hatten sich Healthcare ganz groß auf die Veranstaltungsfahne geschrieben. Doch außer ein paar Vorträgen – immerhin war Dr. Baas von der TK da – ist in Hannover nicht wirklich viel rumgekommen. Schade, aber vielleicht sind am Ende Künstliche Intelligenz, Big Data und elektronische Patientenakten doch nicht so kompatibel mit einem Publikum, das vor allem Produkte sehen will, die es demnächst auch tatsächlich nutzen kann. Denn während ein Fitnessprodukt schnell in die Märkte kommt, haben es (echte) Medizinprodukte deutlich schwerer. Auch das muss und soll der Verbraucher – Patient – wissen.
Doch statt einen echten Dialog zwischen Patient und Medizintechnik zu fördern, wird diese massentauglich gemacht. Das bedeutet aber auch, dass man sie auf einen kleinen Ausschnitt reduziert, der die Bemühungen seitens Forschung und Entwicklung sowie der Medizintechnikunternehmen inklusive ihrer Zulieferer nicht wiederspiegeln kann. Wer sich Healthcare auf die Agenda schreibt, sollte auch Medizin liefern. Gesundheit ist weder ein Lifestyle- noch ein Trendthema, dafür eignet sie sich auch einfach nicht. Denn Krankheiten wie Krebs oder Demenz verschwinden nicht plötzlich, nur weil wir mit smarten Armbändern rumlaufen und unsere Daten in einer elektronischen Akte speichern. Mag sein, dass »smarte Gadgets« und Start-ups Besucher anlocken, dem Thema Healthcare werden sie nur bedingt gerecht.
Veranstaltungen wie die Cebit oder jetzt die IFA sind vielleicht ein ungewöhnlicher Rahmen für die Gesundheitsbranche, aber sie sind nicht der falsche Rahmen. Die Organisatoren sollten sich nur trauen, ein oder sogar zwei Schritte weiterzugehen. Das hört sich dann vielleicht nicht mehr so hipp an, bringt jedoch allen Beteiligten am Ende mehr als eine oberflächliche Wohlfühlveranstaltung.
Aber etwas muss man den Veranstaltern zu Gute halten: Wer nach den Konzerten Probleme mit den Ohren hat, kann sich zumindest dagegen medizinisch versorgen lassen. Denn Hörgeräte gibt es unter anderem in Halle 4.