Praxistauglichkeit dank skalierbarer Kodierung

Plattform für Videokonferenzen

29. Juni 2012, 8:42 Uhr | von Frank Ruge
Bild 2: Der Austausch von Ärzten zu einem bestimmten Krankheitsbild oder die Betreuung von Patienten in ihrem Zuhause sind nur zwei Beispiele für die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Videokonferenzen in der Medizin
© Vidyo

Um die Kostenexplosion im Gesundheitssystem zu stoppen, sind neue Wege gefragt - ohne jedoch den hohen Versorgungsstandard zu gefährden. Eine Antwort können softwarebasierte Technologien für die Videokommunikation in der Telemedizin, der Patientenversorgung oder der Forschung bieten, wie Praxiseinsätze zeigen.

Diesen Artikel anhören

Eine alternde Gesellschaft, die steigende Zahl chronisch Kranker sowie das Versorgungsgefälle zwischen Ballungsräumen und ländlichen Gegenden sind nur einige der zahlreichen Belastungen, denen unsere Gesundheitssysteme standhalten müssen. Neue Wege sind gefragt, um die Kostenexplosion zu stoppen, ohne jedoch den hohen Standard der  medizinischen Versorgung zu gefährden. Eine Antwort können softwarebasierte Technologien für die Videokommunikation in der Telemedizin, der Patientenversorgung oder der Forschung bieten, wie Praxiseinsätze zeigen.

Zugegeben, Videokonferenzsysteme gibt es im Gesundheitswesen schon seit mehr als zwanzig Jahren. Doch die Konsultation via Bildschirm konnte sich noch nicht als Mainstream-Anwendung durchsetzen. Dies gilt insbesondere für Deutschland, andere Länder wie die USA, Schweden und Kanada sind hier schon weiter. Denn mit der bisher üblichen Architektur der Multipoint-Control-Unit (MCU) war es sowohl finanziell als auch technisch sehr aufwendig, jedem Arzt und dem Pflegepersonal Videokonferenztechnik zur Verfügung zu stellen.

Kliniken und Arztpraxen mussten ihre Netzwerktechnik in der Regel aufrüsten, teils sogar ein eigenes Netz für die Videokommunikation aufbauen. Hinzu kommt, dass die Videokonferenzarchitekturen mit Blick auf Großunternehmen mit entsprechender Infrastruktur entwickelt wurden, sodass sie den Anforderungen eines heterogenen Gesundheitssystems nur bedingt gewachsen waren - nämlich über die Organisationsgrenzen von Kassen, Krankenhäusern und Arztpraxen hinweg zu funktionieren und auch Patienten zuhause einzubinden. Und schließlich brachte die herkömmliche Videokonferenztechnik fast immer einen Bruch im Arbeitsablauf mit sich.

Als abgeschlossenes System fehlten Schnittstellen zu den medizinischen Informationssystemen oder zur Patientenverwaltung. Doch hier hat sich viel getan: Der Komprimierungsstandard H.264/SVC (Scalable Video Coding) schafft die technische Grundlage für den großflächigen Einsatz von Videokonferenzen im medizinischen Umfeld auf Basis von softwarebasierten Lösungen. Zusätzliche Investitionen in Hardware sind damit überflüssig, und das System lässt sich einfach implementieren und bedienen.

Softwarebasierte Lösung

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+
Bild 1: Ein Internetzugang reicht aus, um Patient und mehrere medizinische Spezialisten per Videokonferenz zusammenzubringen
Bild 1: Ein Internetzugang reicht aus, um Patient und mehrere medizinische Spezialisten per Videokonferenz zusammenzubringen
© Vidyo

Einen neuen technologischen Ansatz basierend auf diesem Standard verfolgt Vidyo mit ihrer softwarebasierten Lösung für die Gesundheitsbranche (Bild 1). Sie funktioniert mit zahlreichen Endgeräten über Internet, lokale Netze oder Mobilfunk (3G-, 4G-Netze, WLAN und WiMAX) ohne teure Spezialhardware. Ein Router in der H.264/SVC-Umgebung passt die Videoqualität den verfügbaren Bandbreiten an, indem er die Bildwiederholrate und die Auflösung darauf abstimmt.

Das Komprimierungssystem SVC teilt die Daten in wichtige und weniger wichtige Pakete ein und schützt bei Engpässen nur die wichtigen, also die

Die durch SVC erzeugten Daten erlauben die Dekodierung unterschiedlicher Videoauflösungen. Dadurch macht es der neue Standard möglich, von jedem Rechner aus Videokonferenzen in hoher Qualität zu führen. Denn die für die En- und Dekodierung erforderliche Rechenleistung hängt in hohem Maße von der Videoauflösung ab. Um die Auflösung eines Videobilds zu verringern, müssen Datenpakete nur bei einem Internetrouter entfernt werden - eine Multipoint-Control-Unit ist nicht nötig.

Ein weiterer Pluspunkt: Mit Hilfe der Gateway-Funktion von H.264/AVC zu H.264/SVC lassen sich bestehende Videokonferenzsysteme (Cart- und Raumsysteme) in die mobile Welt einbinden. So können Ärzte die bestehende drahtgebundene Infrastruktur weiterhin nutzen - und zwar nicht nur innerhalb der Kliniken, sondern auch unterwegs überall dort, wo sie Mobilfunkempfang haben.

Bild 2: Der Austausch von Ärzten zu einem bestimmten Krankheitsbild oder die Betreuung von Patienten in ihrem Zuhause sind nur zwei Beispiele für die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Videokonferenzen in der Medizin
Bild 2: Der Austausch von Ärzten zu einem bestimmten Krankheitsbild oder die Betreuung von Patienten in ihrem Zuhause sind nur zwei Beispiele für die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Videokonferenzen in der Medizin
© Vidyo

Die softwarebasierte Lösung ermöglicht End-zu-End-Verschlüsselungen und gewährleistet eine HIPAA-konforme Sicherheit (Health Insurance Portability and Accountability Act). Sie lässt sich in bestehende Umgebungen integrieren und ist mit zahlreichen medizinischen Geräten kompatibel. Zudem beinhaltet die Lösung eine umfangreiche und flexible Plattform für die Videozusammenarbeit über Programmierschnittstellen (Application Programming Interface, API) und ein Software-Entwicklungs-Kit (SDK), zum Beispiel um medizinische Geräte von Drittanbietern mit Videokommunikationstechnik auszustatten.

Aufgrund dieser Eigenschaften finden Videokonferenzen ein breites Einsatzfeld. So können Ärzte beispielsweise über Video weitere Experten aus derselben oder einer anderen Klink hinzuziehen.

Videoüberwachte Intensivstationen oder angebundene Ambulanzfahrzeuge können Bilder an Experten übermitteln oder Übersetzer können zur besseren Verständigung von Arzt und Patient per Video einbezogen werden. Auch in der Ferndiagnostik, Teleneurologie, Verhaltensmedizin, Logopädie, in der klinischen oder häuslichen Pflege (Bild 2) sowie bei der Aus- und Weiterbildung von medizinischem Fachpersonal eröffnet die Videokonferenztechnik ganz neue Möglichkeiten.

Dolmetscher-Service für Schwerhörige

Wenn sich in Polen eine schwerhörige Person in ärztliche Behandlung begibt, kann das medizinische Fachpersonal auf den Gebärden-Dolmetscher-Dienst Mobitoki zurückgreifen, der auf der Plattform von Vidyo basiert. Zu den Anforderungen gehörte beispielsweise, dass der Service mit jeder vorhandenen Internetverbindung funktioniert und auch ohne technische Vorkenntnisse genutzt werden kann.

Darüber hinaus musste die Videoqualität so gut sein, dass selbst Nuancen einer sich schnell bewegenden Hand bei der Zeichensprache gut erkennbar sind. Und schließlich spielte auch der Kosten-Nutzen-Faktor eine wichtige Rolle. Innerhalb von drei Monaten nach dem Start von Mobitoki entschieden sich bereits 200 polnische Ärzte für diesen Dienst, der beispielsweise auch für Fremdsprachen zum Einsatz kommt.

Austausch auf internationaler Ebene

Um eine Videokonferenz zum Gebärdensprache-Dolmetscher-Center aufzubauen und so eine sprachbedingte Kommunikationsbarriere zwischen Arzt und Patient zu senken, genügt ein Knopfdruck am Computer oder Tablet-PC. Die Resonanz ist positiv: »Dieses Kommunikationssystem verhindert Missverständnisse und Stresssituationen. So können wir unseren gehörlosen Patienten einen effizienteren Service bieten«, zieht Iwona Sledz, Assistent Director der Wolomin-Klinik im Warschauer Umland ein erstes Fazit.

Bild 3: Mit softwarebasierten Videokonferenzlösungen soll der Aufwand beim Verfolgen von Operationen am Bildschirm der Vergangenheit angehören
Bild 3: Mit softwarebasierten Videokonferenzlösungen soll der Aufwand beim Verfolgen von Operationen am Bildschirm der Vergangenheit angehören
© Vidyo

»Dank des Services und der hohen Qualität der Videoplattform haben gehörlose Patienten nun Zugang zur gleichen Behandlung wie unsere hörenden Patienten.« Die Experten von Cyberfish haben die Videoplattform »Cyberfish‘s interdisciplinary, international Cybermedical Community« gegründet. Ziel ist der fachliche und interdisziplinäre Austausch unter Medizinern zunächst in der Schweiz, dann über Ländergrenzen hinweg.

Dafür mussten die technischen Voraussetzungen geschaffen werden: Die Telemedizin-Plattform musste von überall funktionieren, qualitativ hochwertige Bilder über Standard-Internetverbindungen übertragen sowie Echtzeit-Zugang zu Behandlungsdaten wie Laborbefunde bieten. Zudem galt es, die parallele Interaktion mehrerer Nutzer gleichzeitig zuzulassen und die hohen Sicherheitsstandards für den Austausch medizinischer Daten zu gewährleisten. Und schließlich sollte das System einfach zu bedienen sein.

Innerhalb von nur zwei Jahren sind der Cyberfish Community bereits 10 000 Ärzte, davon 7500 Ärzte außerhalb der Schweiz, beigetreten. Allein im letzten Jahr summierte sich die Zeit der genutzten Videokonferenzen auf 135 000 Stunden. Die Technik von Vidyo kommt auch für medizinisches Training und Ausbildungszwecke zum Einsatz: So können beispielsweise Medizinstudenten die Operationen ohne spezielle Videokonferenz-Installationen und Kommunikationsnetzwerke von außen »live« verfolg (Bild 3).

Über den Autor:

Frank Ruge ist Vice President Branchenlösungen für die Region EMEA bei Vidyo.

Gründe, warum softwarebasierte Lösungen den Durchbruch der Videokonferenz bedeuten  
#
Qualitative Verbesserung des Videosignals mit höherer Auflösung, größerer Bildwiederholrate und geringer Verzögerung, um eine natürliche Interaktion zwischen Arzt und Patient zu ermöglichen
# Dynamische Anpassung an das Netzwerk statt Forderung von Netzwerk-Garantien
# Verloren gegangene Datenpakete durch überlastete Internetknoten führen nicht zum Abbruch der Videokonferenz (wichtig insbesondere bei 3G- und 4G-Netzen)
# Bestmögliche Qualität für jeden Konferenzteilnehmer, zugeschnitten auf den individuellen Netzwerkzugang, das Endsystem und die Displaygröße des Endgeräts
# Nutzung vorhandener Endgeräte (Videokonferenz-Raumsystem, Desktop, Laptop, Tablet, Telefon)
# Einsatz der Endsysteme für Mehrpunkt-Konferenz-Kodierung und Dekodierung anstelle von teurer Rechenzentrumsinfrastruktur
# Kommunikation zwischen Anwendern mit unterschiedlichen Plattformen möglich durch Bereitstellung über eine große Anzahl von Plattformen
# Rückwärtskompatibilität für vorhandene Raumsysteme (basierend auf H.264/AVC mit SIP und H.323)
# Bereitstellung von Programmierschnittstellen: Hersteller von medizinischen Geräten und Plattformen können Videokonferenz als Dienst in den Arbeitsablauf integrieren
# Kosten neuer softwarebasierter Systeme betragen nur ein Zehntel im Vergleich zu herkömmlichen Systemen, die in der Regel hohe Hardware- und Betriebskosten erfordern

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Medizinelektronik