Ein Jet von Atomen

Erste Linse für extrem ultraviolettes Licht entwickelt

13. Dezember 2018, 11:30 Uhr | Forschungsverbund Berlin e.V.
Fokussierung eines XUV-Lichtstrahls durch einen Jet aus Atomen, der als Linse dient.
© MBI Berlin

Wissenschaftler vom Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) haben die erste refraktive Linse entwickelt, die extrem ultraviolette Strahlen fokussiert. Anstelle von Glaslinsen haben sie eine Linse genutzt, die aus einem Jet von Atomen besteht.

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Ein Baumstamm, der teilweise unter Wasser liegt, scheint gebogen zu sein. Schon lange weiß man, dass dies die Brechung verursacht, das heißt der Lichtstrahl wird auf seinem Weg von einem Medium (Wasser) zu einem anderen (Luft) gebrochen. Auch bei Linsen, die in unserem Leben unentbehrlich sind, ist Brechung das grundlegende physikalische Prinzip. Sie sind Teil unseres Auges, sie dienen als Brillen, Kontaktlinsen sowie als Objektive von Kameras, und sie werden zum Kontrollieren von Laserstrahlen benutzt. Mit der Entdeckung neuer Bereiche des elektromagnetischen Spektrums wie der ultravioletten (UV) Strahlung und Röntgenstrahlung wurden refraktive Linsen entwickelt, die an diese spektralen Bereiche genau angepasst sind.

Elektromagnetische Strahlung im extrem ultravioletten (XUV) Bereich ist jedoch speziell. Sie umfasst den Wellenlängenbereich zwischen der UV- und Röntgenstrahlung – aber im Gegensatz zu diesen beiden Strahlungsbereichen kann sie sich nur im Vakuum oder in stark verdünnten Gasen bewegen. Heutzutage wird XUV-Strahlung bei der Lithographie für Halbleiter genutzt wie auch in der Grundlagenforschung, um die Struktur und die Dynamik von Materie zu verstehen und zu kontrollieren. Sie ermöglicht Lichtpulse im Attosekundenbereich – dies sind die kürzesten Lichtpulse, die Menschen erzeugen können (eine Attosekunde ist ein Millardstel einer Millardstel Sekunde). Aber trotz der großen Zahl an XUV-Quellen und -Anwendungen gab es bislang keine XUV-Linsen. Der Grund hierfür ist, dass die XUV-Strahlung stark von festem oder flüssigem Material absorbiert wird und sie sich somit nicht durch konventionelle Linsen bewegen kann.

Transfer optischer Techniken

Um die XUV-Strahlung zu fokussieren, hat das Wissenschaftlerteam am MBI einen neuen Ansatz gewählt: Sie ersetzten eine Glaslinse mit einem Jet von Atomen aus dem Edelgas Helium. Diese Linse profitiert von der hohen Durchlässigkeit des Heliums im XUV-Spektralbereich. Zur gleichen Zeit kann sie präzise kontrolliert werden, da die Dichte des Gases im Jet geändert werden kann. Dies ist wichtig, um die Brennweite einzustellen und die Größe der fokussierten XUV-Strahlung zu minimieren.

Verglichen mit gekrümmten Spiegeln, die häufig zum Fokussieren von XUV-Strahlung genutzt werden, haben diese gasförmigen refraktiven Linsen einige Vorteile: Eine neue Linse wird beständig durch den Fluss an Atomen im Jet gebildet, so dass Beschädigungen kein Problem darstellen. Weiterhin geht – anders als bei einem typischen Spiegel – durch die Gaslinse kaum XUV-Strahlung verloren.

Die Entwicklung von Linsen und Prismen im gasförmigen Zustand ermöglicht den Transfer optischer Techniken, die auf Brechung beruhen, auf den XUV-Bereich. Diese Techniken haben im sichtbaren sowie Infrarot-Bereich des elektromagnetischen Spektrums ein breites Einsatzgebiet. Gaslinsen könnten beispielsweise dazu dienen, ein XUV-Mikroskop zu entwickeln oder XUV-Strahlen auf einen Punkt in Nanometergröße zu fokussieren. Dies könnte zukünftig dabei helfen, strukturelle Veränderungen von Biomolekülen auf kürzesten Zeitskalen zu beobachten.

Originalpublikation: »Extreme-ultraviolet refractive optics«
Lorenz Drescher, Oleg Kornilov, Tobias Witting, Geert Reitsma, Nils Monserud, Arnaud Rouzée, Jochen Mikosch, Marc Vrakking & Bernd Schütte
Nature, 28. November 2018 (online), DOI: 10.1038/s41586-018-0737-3

 

(me)


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