Motorsteuerung

Der mobilere Rollstuhl

26. September 2012, 11:45 Uhr | von Rainer Russ
© Avago Technologies

Rollstühle sind eine praktische Sache, leider sind sie häufig noch viel zu schwer, was die Mobilität ihrer Insassen einschränkt. Daran hat die Batterie einen erheblichen Anteil. Moderne Motorsteuerungskonzepte können den Leistungsbedarf senken und damit das Gewicht der Batterie beschränken.

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Eine Reduzierung des Leistungsbedarfs und ein niedriges Batteriegewicht erfordern einen hocheffizienten Motor. Darüber hinaus muss der Antrieb ein integriertes Bremssystem haben, um das Gefährt im Notfall abzubremsen oder um es als elektrische Parkbremse zu nutzen. Im Normalbetrieb wird der Motor als Generator genutzt, und die überschüssige Energie dient zum Aufladen der Batterie.

Speziell für die neue Rollstuhl-Schiebe- und -Bremshilfe »Viamobil V25« von Alber wurde ein 8-polpaariger, bürstenloser Gleichstrommotor (BLDC) entwickelt. Um sicherzustellen, dass dieser unter Volllast anläuft, wird ein elektronischer absoluter Rotor-Positionssensor (RPS) benötigt. Hierfür eignen sich normalerweise Hall-Elemente und ein Magnet - in diesem Fall jedoch könnte das magnetische Feld der elektrischen Bremse die Rückkopplungsfunktion stören, und ein solcher RPS erreicht keinen Wirkungsgrad von 89%.

Ein optischer Standard-Encoder ist für den Einsatz in diesem Motor zu groß. Gängige Bausätze oder Modul-Drehgeber bieten nicht die erforderliche absolute Position für alle 16 Pole. Die individuelle Anfertigung eines Encoders ist zu teuer. Dies sind klare Anforderungen an das Design, die der Encoder-Hersteller durch einen sehr speziellen applikations-orientierten RPS erfüllen muss. Dazu sollen die folgenden unterschiedlichen Encoder-Techniken in einer Applikation integriert werden:

  • Inkrementalgeber,
  • Blockkommutations-Encoder,
  • Pseudo-absolut-codierter Index,
  • Inkrementaler Absolut-Encoder-Modus.

Ein handelsüblicher BLDC-Encoder liefert die sechs notwendigen unterschiedlichen Kanäle: Inkremental A, B und Index sowie die Kommutationskanäle U, V und W. Die Idee ist, die Kanäle U, V und W als einen 3-Bit-Gray-codierten Absolut-Encoder zu nutzen. Dadurch wird es möglich, acht absolut codierte Sektoren auf dem Coderad zu nutzen. Mit diesen Basisinformationen kann der Motor gestartet werden. Nicht im Hochleistungsmodus - aber er wird anlaufen.

Mit dem Index als Lauflichtsignal (LSB, LED Signal Bar) kann die Auflösung um ein zusätzliches Bit erhöht werden. Das Lauflichtsignal ist PA-codiert. Die somit verfügbaren vier Bits decken sich mit den 16 Pol-Positionen des Rotors. Diese Lösung lässt sich sehr einfach in den Motor integrieren und nutzt das Motorlager, um ein Coderad in die richtige Position zu führen. Der Einsatz eines inkrementalen Drehgebers und BLDC-Encoders ist weit verbreitet - aber ein PA-codierter Index ist eine ganz neue Technik.

Wie funktioniert die PA-Codierung?

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Der mobildere Rollstuhl

Bild 1: Inkrementaler Drehgeber mit Index-Kanal
© Avago Technologies
Bild 2: Inkrementaler Drehgeber mit zwei weiteren Indizes
© Avago Technologies
Bild 3: Abstände zwischen den Indizes, die den Prozess triggern
© Avago Technologies

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Ein inkrementaler Drehgeber liefert zwei inkrementale Kanäle: A und B. Darüber hinaus sendet ein Index-Kanal bei jeder Umdrehung einen sogenannten »Index-Marker« (Bild 1). Zum Bau eines Pseudo-Absolut-Encoders werden einige weitere Index-Marker mit eindeutigen Abständen benötigt. Der Einfachheit halber werden in der schematischen Darstellung in Bild 2 nur zwei weitere Indizes angezeigt.

Zur exakten Positionsermittlung wird ein Zähler vom ersten Index getriggert. Alle Inkremente werden summiert, bis der nächste Index den Zähler stoppt. In diesem Beispiel gehen wir davon aus, dass alle Zähler und Register auf null gesetzt sind. Der erste Index triggert den Prozess. Nehmen wir an, das wäre in diesem Fall I2. Der nächste Index könnte I1 oder I3 sein (Bild 3). Nach dem nächsten Index hat der Zähler einen Wert von 32. Dies entspricht I3 (Tabelle 1).

Index
Position
Unterschied
I1
8
16
I2 24 24
I3 48 32
I4 80 40
I5 120 48
I6 168 56
I7 224 64
I8 288 72
I9
360
8

Tabelle 1: Inkremente des Pseudo-Absolut-Encoders mit den Indizes aus Bild 3


Die absolute Position von »48« wird in das Absolut-Positionsregister geladen. Ab jetzt wird dieser Wert mit Hilfe der inkrementalen Information des Encoders hoch- oder heruntergezählt. Das System ist jetzt im Absolut-Modus (Bild 4). Der Index-Marker kann weiterhin zur Inhaltsüberprüfung des Absolut-Positionsregisters genutzt werden.

Bild 5: Kompletter Encode-Zyklus
Bild 5: Kompletter Encode-Zyklus
© Avago Technologies

Eine komplette Sequenz dieser Codierung ist in Bild 5 zu sehen. Um einen Motor mit diesem Encodertyp zu steuern, ist eine sehr genaue Motorsteuerung und Softwarekombination erforderlich. Das gilt ganz besonders für einen Motor in einem Rollstuhl - hier ist es extrem wichtig, dass Drehmoment und Beschleunigung gleichförmig sind.

Das Viamobil V25 enthält den sechskanaligen Inkremental-Encoder »AEDT-9340« von Avago Technologies mit einem kunden-spezifischen Coderad. Dieser Encoder-Bausatz lässt sich einfach in einen Motor integrieren, um Platz zu sparen. Das vorhandene Motorlager führt das Coderad des Encoders. Dies spart Kosten, Platz und Gewicht. Eine einfache Kunst-stoffabdeckung schützt den Encoder vor Verschmutzung.

Die ersten Testergebnisse der Entwicklungsmuster waren vielversprechend, sodass ein Prototyp gebaut wurde. Dieser arbeitet bei 36 V mit einem 6,6-Ah-Akku und hat eine Reichweite von 20 km. Genau das gewünschte Ergebnis. Obwohl diese optische Encoder-Lösung teurer ist als eine Halleffekt-Lösung, ist das Endprodukt aufgrund der elektrischen Leistung und der Plug-and-Play-Montage kostengünstiger.

Über den Autor:

Rainer Russ ist Business Development Manager in der Motion Control Products Division von Avago Technologies.


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