MEMS-Treiberschaltung für einen Kontaktlinsen-Drucksensor

ASIC in der Linse

24. April 2013, 9:05 Uhr | von Stephen Ellwood

Für die Therapie von Glaukom-Patienten wäre es sehr vorteilhaft, wenn sich ihr Augeninnendruck kontinuierlich überwachen ließe. Ein neuartiger Kontaktlinsen-Sensor soll genau dies leisten, er misst den intraokularen Druck fortlaufend und überträgt die Messwerte drahtlos. Möglich wurde diese Anwendung erst durch ein hoch spezifisches ASIC, das in die Linse eingebettet ist.

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Glaukome (Grüner Star) sind eine Augenkrankheit, die etwa vier Prozent der Bevölkerung im Alter über 40 Jahren befällt und zu Blindheit führen kann, wenn sie nicht in einem frühen Stadium behandelt wird. Eines der Symptome bei einem Glaukom ist ein Anstieg des Augeninnendrucks. Schon lange ist bekannt, dass eine kontinuierliche Überwachung von Glaukom-Patienten nötig ist, da der intraokulare Druck während des Tages stark schwankt.

Die momentan von Augenärzten während ihrer Praxiszeiten durchgeführten statischen Messungen sind also nicht dazu geeignet, Änderungen des Spitzendrucks zu erkennen. Sensimed, ein auf den Entwurf, die Entwicklung und die Vermarktung von integrierten Mikrosystemen für medizinische Anwendungen spezialisiertes Schweizer Unternehmen, hat eine weiche Einmal-Kontaktlinse aus Silikon namens »Sensimed Triggerfish« für die Behandlung von Glaukomen entwickelt.

Bild 1: Mit der »Triggerfish«-Linse lässt sich der Augeninnendruck kontinuierlich erfassen
Bild 1: Mit der »Triggerfish«-Linse lässt sich der Augeninnendruck kontinuierlich erfassen
© Sensimed

In die Triggerfish-Silikonlinse eingebettete passive und aktive Dehnungsmesser überwachen Schwankungen des Augeninnendrucks durch die Messung der Änderungen des Augendurchmessers (Bild 1). Der Patient trägt die Linse bis zu 24 Stunden und unternimmt dabei normale Aktivitäten inklusive der Schlafperioden. Sucht der Patient seinen behandelnden Arzt auf, werden die aufgezeichneten Daten via Bluetooth auf den Computer des Arztes übertragen und sofort analysiert.

Sensimed beauftragte Analog Semiconductor (AnSem) mit der Entwicklung des winzigen ASICs, das in der Linse eingebettet wird. AnSem kombiniert in seinen ASIC-Lösungen HF-, analoge und digitale Elemente, um Inputs aus der realen Welt in die erwünschten Outputs umzusetzen. Medizinische Anwendungen haben dabei oft besondere Anforderungen bezüglich extrem niedriger Stromaufnahme, hoher Integration, geringer Größe und neuartiger Stromversorgungstechniken. Weil die Wahl des Prozesses meist entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg eines solchen Projekts ist, arbeitet AnSem mit einer ganzen Reihe verschiedener Fabs zusammen.

Drahtlose Versorgung und Kommunikation

Für das Triggerfish-Projekt musste der A/D-Wandler als Herzstück des ASICs so empfindlich sein, dass er die durch den Herzschlag des Patienten hervorgerufene Änderung des Augendrucks (okulare Pulsation) detektieren kann. Da es keine Möglichkeit gibt, eine Batterie in die Struktur der Linse zu integrieren, muss sich das System vollständig aus einem lokalen Magnetfeld versorgen können, das von einer um das Auge herum getragenen HF-Antenne ausgestrahlt wird.

Über dieses HF-Feld erfolgt nicht nur die Stromversorgung des Sensors, sondern in der anderen Richtung auch die Übertragung der Daten von der Linse zu einem tragbaren Datenrekorder, der über ein dünnes, flexibles Datenkabel an die externe Antenne angebunden ist. AnSem entwickelte für Sensimed ein ASIC, das direkt in der Kontaktlinse montiert wird.

Neben der HF-Antenne (einer Drahtspule mit spezifischer Induktivität) und dem Dehnungsaufnehmer gibt es im System keine anderen elektrischen Komponenten. Während des Herstellungsprozesses wird der Die direkt auf Kupferbahnen innerhalb der Linse gebondet und dadurch mit der Antenne und dem MEMS-Array verbunden. Weil der Baustein von einer HF-Quelle versorgt wird, muss er zunächst das von der Antenne kommende Wechselsignal gleichrichten.

Die naheliegende Gleichrichtungs-methode mithilfe von Schottky-Dioden würde die Prozessauswahl erheblich einschränken, auf der anderen Seite weisen normale pn-Dioden zu hohe Leistungsverluste auf. Stattdessen entwickelte AnSem einen neuartigen aktiven Low-Dropout-Gleichrichter mit Spannungsvervielfachung und HF-Geschwindigkeit. Dessen Dropout-Leistung liegt sogar noch über der von Schottky-Dioden, und der Gleichrichter ist auf fast allen gängigen 5-V-toleranten Prozessen implementierbar.

Für die Entkopplung der Stromversorgung ließen sich nur On-Chip-Kapazitäten nutzen. Diese Kapazitäten belegen einen erheblichen Teil der Siliziumfläche. Im Anschluss an die Haupt-Spannungsversorgung realisierten die Entwickler auf dem Chip mehrere Spannungsdomänen mittels interner LDOs (Low-Dropout-Regler), die wiederum nur interne Kapazitäten nutzen, um die nötige Spannungsstabilität zu gewährleisten.

Durch die Wahl des 0,35-µm-Prozesses »I3T50« von ON Semiconductor gelang es AnSem, die Einkopplung und Aufbereitung der Spannungsversorgung, die HF-Signalverarbeitung, einen hochlinearen A/D-Wandler und digitale Steuerungsfunktionen auf einem Chip zu realisieren - und dies innerhalb des mageren Leistungsbudgets und zu niedrigen Kosten. Sensimed profitiert durch den nach Automotive-Richtlinien qualifizierten Prozess darüber hinaus von der Versorgungssicherheit, die für Unternehmen auf dem Gebiet der Medizinelektronik so wichtig ist.

Weil die Linsen für den Einmalgebrauch ausgelegt sind, waren die Kosten ebenfalls ein wichtiger Faktor. Das ASIC digitalisiert den Ausgang des MEMS-Sensors und überträgt die Messwerte zurück zum Aufzeichnungsgerät über denselben HF-Kanal, der auch der Versorgung des Bauteils mittels Lastmodulationstechniken dient. Für eine maximale Kopplung der HF-Leistung musste ein interner Abstimmungskondensator an die Antenneninduktivität angepasst werden.

Die Toleranz dieses Kondensators in der Größenordnung von ±5% war ein entscheidender Parameter bei der Wahl des Prozesses. ON Semiconductor kontrolliert seinen I3T50-Prozess sehr gut, daher konnte AnSem in enger Zusammenarbeit mit dem Unternehmen diese Anforderung erfüllen. Je nach Ausrichtung der beiden Spulen zueinander kann die tatsächliche Kopplung zwischen der Linsen-antenne und der Patch-Antenne um den Faktor drei oder mehr variieren. Diese breite Streuung der Eingangsleistung bedeutet, dass die Schaltung über einen weiten Eingangsleistungsbereich zuverlässig und sicher funktionieren muss.

Die niedrige Dropout-Spannung des aktiven Gleichrichters hilft, die Verluste bei niedrigen Leistungs-pegeln gering zu halten, während eine Sicherheitsschaltung mit Strom-Shunt Überspannungen innerhalb des Bausteins bei hohen Eingangsleistungen vermeidet. Da die Leistungen sich im Mikrowattbereich bewegen, besteht keine Gefahr von Irritationen des Auges durch Selbsterwärmung.

Die Signale vom Dehnungsmess-aufnehmer sind so niedrig, dass das LSB (Least Significant Bit) des A/D-Wandlers im Mikrovolt-bereich liegt. Durch den Gleichrichter verursachtes Schaltrauschen vom A/D-Wandler fernzuhalten war also eine große Herausforderung - sowohl auf der Schaltungs- als auch auf der Layout-Ebene. Die Kopplung von Störungen durch das Substrat wurde durch den besonderen Einsatz von Hochspannungs-»Taschen« abgeschwächt, die im I3T50-Prozess verfügbar sind.

Weil der Die in dieser Anwendung direkt auf einer transparenten Linsen-struktur montiert ist, mussten sich die Ingenieure auch um die Lichtempfindlichkeit des Schaltkreises kümmern und die Die-Rückseite mit Metall beschichten, damit kein Licht eindringen kann. Normalerweise nimmt das Einhalten von Spezifikationen über die Temperatur einen großen Teil des Designprozesses in Anspruch, denn bekanntermaßen schwanken Transistorparameter stark mit der Temperatur.

Dankenswerterweise hält das menschliche Auge in dieser Anwendung den Baustein konstant auf einer Temperatur von etwa +34 °C (die Temperatur der Augenoberfläche). Dies sparte Zeit sowohl bei der Entwicklung als auch bei der Simulation, die mit einem deutlich reduzierten Satz an Umgebungs-bedingungen laufen konnte. AnSem war in der Lage, die Anforderungen von Sensimed bezüglich einer hohen Abtastrate und einer Digitalisierung mit einem hohen ENOB-Wert (Effective Number of Bits) zu erfüllen und zugleich innerhalb der Leistungsressourcen der Triggerfish-Spulenantenne zu bleiben.

Der ON-Semiconductor-Prozess passte gut zu dieser Applikation, da er in engen Grenzen geregelt ist, eine lange Prozesslebensdauer aufweist und über alle erforderlichen Hochspannungsstrukturen verfügt. AnSem wird nun den kompletten ASIC-Lebenszyklus für Sensimed managen, inklusive der Überführung in die industrielle Fertigung und der Lieferkette für die Massenfertigung, während sich Sensimed ganz darauf konzentrieren kann, seinen Markt zu bedienen.

Über den Autor:

Stephen Ellwood ist Vice President Engieneering bei Analog Semiconductor.


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