Anhand von WLAN-Kanalzustandsinformationen, gesammelt an verschiedenen Orten in einem Funknetzwerk, lässt sich mittels Deep Learning der Standort einer WLAN-Station schätzen. In einer Anleitung wird der Weg der Datensynthese aufgezeigt, die als Basis für die Planung eines Prototyps dienen kann.
Mit dem Aufkommen von Deep Learning (DL) in einer Vielzahl von Bereichen und Anwendungsgebieten gewinnen DL-basierte Funksysteme sowohl in der Wissenschaft als auch in der Wirtschaft immens an Bedeutung. Angetrieben von den jüngsten Fortschritten bei der Prozessortechnik eröffnet sich ein großes Potenzial für den Einsatz von Deep Learning in der Entwicklung und Optimierung von Funkkommunikations-systemen und -techniken [1]. Angesichts des zunehmenden Einflusses neuer Funktechniken, die auf noch nie da gewesene Datenraten abzielen, stößt die klassische Signalverarbeitung bei der Bewältigung großer Datenmengen an ihre Grenzen – eine Einschränkung, die mithilfe von DL überwunden werden könnte. Darüber hinaus waren die klassischen Signalverarbeitungssysteme bislang immer modellbasiert, wobei ein Modell das Verhalten der Daten approximierte. Beim DL dagegen werden direkt die Daten für den Entwurf des Kommunikationssystems verwendet und nicht ein Modell davon.
Die Leistung von Deep-Learning-Modellen hängt jedoch in hohem Maße von der Qualität und der Menge der Trainings- und Testdatensätze ab. Zwar gibt es für viele Deep-Learning-Anwendungen wie Natural Language Processing und Computer Vision eine Fülle von Daten, für Deep-Learning-Anwendungen im Bereich der Funkkommunikation existieren dagegen nur wenige zuverlässige Datensätze [1]. Daher sind Werkzeuge und Arbeitsabläufe erforderlich, die qualitativ hochwertige Daten synthetisieren können, um Deep-Learning-Modelle zu trainieren. Solche trainierten Modelle sind dann zuverlässig genug, um klassische Signalverarbeitungsblöcke eines Kommunikationssystems zu ersetzen. Im Bereich der lokalen Funknetzwerke (WLAN) etwa ist die Generierung von standardkonformen Wellenformen und ihr Einsatz bei besonders zuverlässigen Kanalmodellen der Schlüssel zu einem zuverlässigen, auf Deep Learning basierenden Algorithmusentwurf für die Bitübertragungsschicht (Physical Layer – PHY).
In den folgenden Absätzen wird ein umfassender Arbeitsablauf für die Entwicklung DL-basierter Funksysteme und Anwendungen in Matlab vorgestellt, der von der Datengenerierung bis zum Prototyping der Schaltung reicht. Als Beispiel dient eine Positionierungsanwendung [2], die DL auf WLAN-Kanal-Fingerabdrücken [3, 4] anwendet, d.h. auf Kanalzustandsinformationen (CSI), die an verschiedenen Orten einem Funknetzwerk gesammelt wurden, um den Standort einer WLAN-Station zu schätzen.
Deep Learning anwenden |
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Die Autoren zeigen den vollständigen Weg für die Entwicklung von Deep-Learning-basierten Anwendungen zur Lokalisierung und ositionsbestimmung in Innenräumen auf der Basis von Matlab. Der Schritt zur Implementierung in einem Prototyp ist in der Online-Version (www.elektronik.de) des Fachaufsatzes enthalten. Das Team erzeugt standardkonforme IEEE-802.11az-Signale und verwenden Kanalimpulsantworten (Channel Impulse Responses, CIR) als Fingerabdrücke an mehreren Punkten im Raum, um Deep-Learning-Modelle zur Vorhersage der genauen Position einer WLAN-Station zu trainieren und zu testen. Mit dem Arbeitsablauf demonstrieren die Autoren zwei Anwendungsfälle: ➔ das ungenauere Lokalisierungsproblem, das als Klassifizierungsaufgabe betrachtet wird, und |
In diesem Arbeitsablauf werden alle Phasen des DL-basierten Entwurfs eines Funknetzwerks in Matlab zusammengeführt. Dadurch werden eine genaue Simulation und Optimierung der Algorithmen sowie eine frühere Identifizierung von Fehlern noch vor dem Aufbau der Schaltung ermöglicht, in der Fehler nur noch kostenintensiv zu beheben sind. Die Idee, eine bestehende WLAN-Netzinfrastruktur zu nutzen, um die Position einer Station (STA) in einem Innenraum zu bestimmen, ist hierbei nicht neu. WLAN-Netze decken oft gesamte Gebäude ab, weshalb die Eigenschaften der WLAN-Wellenform eine passende Lösung für dieses komplexe Problem darstellen.
Die klassischen Ansätze zur Positions-bestimmung nutzen die Empfangsfeldstärke (RSS, Received Signal Strength), die Schätzung des Einfallswinkels (AoA, Angle of Arrival) und der Ankunftszeit (ToA, Time of Arrival) der WLAN-Wellenform. Aufgrund der Herausforderungen, die mit dem Mehrwegeeffekt in Innenräumen verbunden sind, hat sich gezeigt, dass die Verwendung von AoA oder RSS zu unzureichenden Ergebnissen führt und die Komplexität des Systems erhöht. Die ToA-Schätzung erwies sich mit der Entwicklung von superauflösenden Verfahren wie der Klassifizierung mehrerer Signale (MUSIC, Multiple Signal Classification) und der Schätzung von Signalparametern mittels rotationsinvarianter Verfahren (ESPRIT, Estimation of Signal Parameters via Rotational Invariant Techniques) als der vielversprechendste Ansatz.
Das in [5] beschriebene Beispiel zeigt, wie die Position einer Station in einer Mehrwegeumgebung mithilfe eines ToA-basierten Positionierungsalgorithmus geschätzt werden kann, der im WLAN-Standard IEEE 802.11az definiert ist. Obwohl dieses Verfahren unter Bedingungen, die eine direkte Sichtverbindung für die Station vorsehen, gut funktioniert, verschlechtern sich die Ergebnisse für Fälle ohne Sichtverbindung, wie in [6] gezeigt.
Darüber hinaus unterliegt die Implementierung dieser Superauflösungstechniken anderen Beschränkungen, wie z. B. der Rechenkomplexität der Kovarianzmatrixschätzung, der Annahme der Pfadanzahl als Vorabinformation und der Einschränkung, dass bei der Anwendung auf WLAN-Standards mit einer festen HF-Signalbandbreite gearbeitet werden muss. Aus diesem Grund wird der hier vorgestellte Deep-Learning-Arbeitsablauf auch zur Lösung des Lokalisierungsproblems eingesetzt
Bild 1 zeigt den kompletten Arbeitsablauf mit Matlab für das vorgeschlagene, auf Deep Learning basierende Lokalisierungs-Framework. Die erste Phase besteht in der Synthese von standardkonformen Funksignalen, die für das Training und die Validierung der Deep-Learning-Modelle verwendet werden, um die trainierten Modelle auf einem FPGA einzusetzen.
Generierung von standardkonformen Signalen
Zuerst wird die Ausbreitungsumgebung in Innenräumen geladen, in der der Lokalisierungsanwendungsfall mithilfe einer STL-Datei (Standard Triangle Language) realisiert werden soll. In dieser Umgebung wird eine Reihe von Zugangspunkten (AP) und Stationen (STA) platziert, um das Funknetzwerk an verschiedenen Orten abzubilden. Ziel ist es, einen Datensatz von Kanal-Fingerabdrücken (CIR, Channel Impulse Response), d. h. CIR-Realisierungen, zwischen APs und STAs zu erhalten, die mit dem Standort des STAs gekennzeichnet sind. Nach der Konfiguration der Knotenanzahl und der Festlegung der Anzahl der Sende- und Empfangsantennen pro Knoten werden standardkonforme hocheffiziente (HE) 802.11az-Pakete mithilfe des Matlab-Wireless-Waveform-Generators erzeugt und durch ein deterministisches Raytracing-Kanalmodell gesendet. Das Kanalmodell wurde durch eine Raytracing-Analyse zwischen jedem AP-STA-Paar abgeleitet, wobei eine Anzahl von Strahlen (Rays) in Abhängigkeit von der gewünschten Anzahl von Reflexionen erzeugt wurde.
Um die Variabilität des Funkkanals zu erfassen, wird das Fingerprinting für eine Reihe von Signal-Rausch-Verhältnissen (SNR) wiederholt, um so verschiedene Rauschbedingungen zu simulieren. Bild 2 zeigt anhand der Matlab-Visualisierungsfunktionen das Funknetzwerk mit dem Raytracing-Kanalmodell, das verwendet wird, um die CIR von jedem AP zu einem bestimmten Ort im Innenraum zu erhalten.
Auf der Empfängerseite (STA) wird die CIR für jedes AP-STA-Paar wie folgt ermittelt:
Bild 3 zeigt eine berechnete CIR zwischen einer STA und einem AP.