Einstellungsprozesse sind oft dem Zufall überlassen. Nicht nur beim Spezialisten für Umformtechnik UFT Radebeul hat man gute Erfahrungen mit einem systematischen Vorgehen gemacht.
Seit drei Monaten arbeitet Andreas Gintaut beim Software-Entwickler Easysoft. Testautomation interessierte den 46-jährigen Informatiker und nach gut zwei Jahren als Einzelkämpfer in einem anderen Unternehmen freute er sich über mehr Teamarbeit.
Auf seine Bewerbung bekam er postwendend eine Email mit Fragen, die in einem klassischen Bewerbungsgespräch gestellt werden, wie private und berufliche Ziele, was ihn an Easysoft interessiert oder Freizeitaktivitäten und ehrenamtliches Engagement. „Letzteres hat mich eher beruhigt“, erzählt der gebürtige Groß-Gerauer, „das Unternehmen wollte offensichtlich keinen Fachidioten, sondern den gesamten Mensch.“
Die Reaktionen der Bewerber auf diese Mail sind unterschiedlich, so Geschäftsführer Andreas Nau. Manche fragen, warum sie das beantworten sollen, andere setzen sich intensiv damit auseinander. Seit zwei Jahren strukturiert der Spezialist für Software-gestützte Seminarorganisation und Personalentwicklung seine Einstellungsprozesse – mit dem Ergebnis, dass sich das schwäbische Unternehmen seitdem von keinem Neuen mehr getrennt hat.
Von den 18 Bewerbern lud Easysoft zunächst zwei Kandidaten zu einem ersten Gespräch mit Nau und Entwicklungschef Wilfried Hahn ein. Doch beide entsprachen nicht den Erwartungen.
„Es muss wirklich passen“, sagt der 46-jährige Schwabe, durchwachsene Personallösungen bringen das Unternehmen nicht voran, sondern sorgen eher für Unruhe. Nach der zweiten Runde kam dann Andreas Gintaut zum Zug. Allerdings auch erst, nachdem das achtköpfige Entwicklungsteam den Top-Kandidaten zu einem ersten Kennenlernen traf. „Wenn beide Seiten sich authentisch verhalten und sich nicht zur Schau stellen, ist das für beide Seiten gut“, findet er.
Damit gehört die IT-Schmiede zu einem Drittel deutscher Unternehmen, die nach einer festgelegten Prozedur einstellen. Zwar folgen immerhin 80 Prozent deutscher Unternehmen definierten Standards, wenn es um die Ausschreibung neuer Stellen geht.
Doch 44 Prozent entwickeln keine Kriterien für die Vorauswahl der Bewerber und bei 70 Prozent erfolgt der Rekrutierungsprozess „frei Schnauze“. Das ist das Ergebnis einer Studie des Personaldienstleisters Hays, der dazu 166 Personalentscheider kleiner und großer Unternehmen sowie der öffentlichen Verwaltung interviewte.
Mittelstandsberater Jörg Knoblauch ist eher positiv überrascht: „Ich hätte geschätzt, dass höchstens jedes zehnte Unternehmen seine Einstellungsprozesse strukturiert.“ Der Autor des Buches „Die Chef-Falle“ ist Verfechter eines konsequenten Ablaufes, bei dem etwa vorab ein Telefoninterview mit den Kandidaten geführt oder Referenzen bei vorherigen Chefs eingeholt werden.
Dieser neunstufige Einstellungsprozess mag im Einzelfall zunächst mehr Zeit kosten, doch etliche Bewerber fallen durch, beispielsweise weil sie als angehende Führungskraft keine langfristigen beruflichen Ziele haben. So reduziert sich die Anzahl der Bewerbungsgespräche, die Personaler noch zu führen haben.
Doch das ist für den Personalguru, der ein Beratungsunternehmen mit 35 Mitarbeitern führt, nicht entscheidet: „Wer engagierte Mitarbeiter gewinnen will, muss ihnen auch entsprechende Wertschätzung entgegenbringen.“
Außerdem sei es viel teurer nach einer sechsmonatigen Probezeit festzustellen, dass der Neue doch nicht die geeignete Person für die Aufgabe sei. Das könne leicht 15 Monatsgehälter kosten, so der Geschäftsführer von Tempus-Consulting. Weil sich der Markt gedreht hat, müssen Chefs umdenken: „Erfolgreiche Unternehmer müssen mehr in die systematische Personalauswahl investieren.“
Ganz ähnlich sieht das Barbara Lang, bei Hays für Rekrutierungsprozess-Lösungen verantwortlich. Denn obwohl laut Studie fast 60 Prozent der Unternehmen den Bewerbern schon während der Rekrutierung beweisen wollen, dass sie ein sehr guter Arbeitgeber sind, entwickelt lediglich ein Drittel einen Prozess mit klar verteilten Verantwortlichkeiten.
„Da kann in der Kommunikation mit dem Kandidaten schnell mal was schiefgehen“, so die Rekrutierungsfachfrau. Denn fachlich kompetente und engagierte Bewerber legen Wert darauf, wie sich das Unternehmen präsentiert. In einem lauen Laden, wollen die richtig Guten nicht arbeiten. Noch schlimmer: Bewerber geben ihre schlechten Erfahrungen über Social-Media-Kanäle weiter - vor allem im Unternehmensportal Kununu.
Die Umformtechnik Radebeul (UFT) folgt weitestgehend dem neunstufigen Einstellungsprozess von Knoblauch und nutzt auch dessen Toolbox, mit der die Erfolgsquote passender Einstellungen von 25 auf 80 Prozent steigen soll. Um mehr über die Persönlichkeit der Bewerber zu erfahren, telefoniert Anke Weber nach einer ersten Vorauswahl mit allen verbliebenen Bewerbern.
Im Schnitt benötigt die UFT-Personalerin dafür eine Viertelstunde. Wenn beispielsweise Führungskräfte kaum Schwächen zugeben oder rumdrucksen, wie sie mit ihren Grenzen umgehen, ist die Sächsin wenig begeistert. Derartige Kandidaten fliegen schnell aus dem Bewerberkreis raus. Die UFT als Zulieferer mehrerer Dax-Unternehmen will sich derartige Nachlässigkeiten nicht erlauben.
Inhaber Stephan Schneider: „Wir punkten durch Innovation und Schnelligkeit, da benötigen wir begeisternde Führungskräfte, die dafür sorgen, dass das Unternehmen Technologieführer für geschmiedetes Aluminium bleibt.“
Bei der Umformtechnik werden die persönlichen Interviews vor allem von den Bereichsleitern geführt, denn sie können am besten beurteilen, ob der potentielle Kollege in ein bestimmtes Team passt. Ist das nicht der Fall, ist sich Schneider mit dem Easysoft-Kollegen Nau einig: „Ehe wir einen mittelmäßigen Mitarbeiter einstellen, lassen wir die Stelle zunächst offen.“
Mit der Vertragsunterschrift ist der Einstellungsprozess allerdings nicht beendet. Denn für die sechsmonatige Probezeit werden Meilensteine vereinbart. Das können notwendige Fortbildungen sein, aber auch, dass der Mitarbeiter nach zwei Monaten eine Maschine selbstständig rüsten kann und nach drei Monaten die allgemeinen Leistungsvorgaben erfüllt.