Trotz Wirtschaftskrise warnen die Lobbyverbände vor einem Nachlassen im Wettbewerb um Talente. Gleichzeitig wurde ein Kongress zum Thema Employer Branding abgesagt – wegen zu geringer Teilnehmerzahl.
Nachwuchsförderung ist keinesfalls ein Schönwetter-Thema, der statistische Zusammenhang zu nachhaltigem Unternehmenserfolg ist bewiesen. Die aktuellen Schwerpunkte sind angesichts geringerer Aufstiegsmöglichkeiten andere – dennoch benötigen Unternehmen einen ganz klaren Blick auf ihre Top-Talente und auf notwendige Entwicklungs- und Bindungsfragen. Employer Branding mit dem Schwerpunkt von Personalmarketing und Positionierung des Unternehmens als Marke auf dem Bewerbermarkt wird aktuell etwas zurückgefahren. Hier gilt es, nachhaltig zu bleiben, allerdings natürlich Rücksicht zu nehmen auf den zurückgehenden eigenen Personalbedarf.
Der Dauerbrenner der letzten Jahre war in der Elektronikbranche der Ingenieurmangel. Nun steht die Branche vor einer prekären Situation: Geht es nicht bald wieder aufwärts, müssen nach Ausschöpfen der Kurzarbeit die Leute gehen, die bei einem Aufschwung wieder dringend benötigt werden. Hat HR wirklich keine anderen Möglichkeiten?
HR hat sicher noch andere Möglichkeiten als das Instrument der Kurzarbeit. Die Basis für das Umgehen mit Einstellungen und vor allen Dingen Personalabbau ist eine mittel- und langfristige strategisch ausgerichtete Personalplanung. Zudem müssen Szenarien fertig gestellt werden, die die notwendigen und finanzierbaren Personalbedarfe bei einer Umsatzentwicklung von minus 10, minus 20, minus 30 und minus 40 Prozent aufzeigen. Kürzungen der Arbeitszeit, der solidarische Verzicht auf Fixgehaltsanteile, temporäre Freistellungen für die Familie oder für Weiterbildungsaktivitäten ergänzen das Spektrum vom sozialverträglichen oder betriebsbedingten Personalabbau.
Wie bewerten Sie die Rolle von Human Resources in dieser schwierigen Zeit? Gibt es Ihrer Beobachtung nach größere Einschnitte beim Budget?
Die Rolle von HR in Krisenzeiten ist analog zu sonstigen Zeiten wegen der starken Veränderung etwa von Geschäftsmodellen höher als »im Normalbetrieb«. Die Reduktion oder Flexibilisierung von Personalkosten und Personalkapazitäten, die Kommunikation unangenehmer Botschaften und einer dennoch attraktiven mittelfristigen Perspektive und Vision an die Belegschaft, die schwierigen und balancierenden Verhandlungen mit der Mitbestimmung, auch die Bindung der Top-Leister, sind wichtige Herausforderungen. Einschnitte im Budget von Personalbereichen sind im Augenblick stärker bei den Programmkosten (Weiterbildung etc.) zu beobachten, weniger im Headcount-Umfang der Personalbereiche selber.
Was sind zukünftig die Top-Prioritäten?
Zukünftig gilt es, einen wettbewerbsfähigen und möglichst Wettbewerbs- überlegenen Personalkörper insgesamt aufzubauen, um für die Geschäftsmodelle und Geschäftschancen der Zukunft gewappnet zu sein. Hierbei zählen Differenzierung und Internationalisierung, eine attraktive Unternehmenskultur nach innen und außen und die wirksame Beratung der Manager als Business-Partner.