Chef ist, wer wie ein Chef arbeitet

6. November 2008, 14:30 Uhr | Christine Demmer, Markt&Technik

Wenn es um den beruflichen Aufstieg geht, haben viele nur ein Ziel vor Augen: Als Häuptling über möglichst viele Indianer bestimmen zu können. Und wer hat in der Prärie gesiegt? Unerschütterliche Siedler, fähige Konstrukteure, tapfere Jäger und findige Scouts. Wem das als Argument für die Fachlaufbahn noch nicht genügt, der findet hier mehr.

Professional Coaches tröpfelt es schon aus den Ohren heraus: Immer wieder hören sie auf ihre Frage, was mit dem Coaching erreicht werden soll: »Ich will in meiner Firma aufsteigen. Ich will Führungskraft werden.« Kluge Berater bohren nach: »Warum?« Meist ist dann Ruhe im Karton. Und das Ziel des Kandidaten verschwindet hinter dem Horizont.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die markige Antwort: »Weil ich Chef werden will, darum«, bringt auch keinen Bonus. Das einzige, was den Coach – ebenso wie den Personalchef und den Vorgesetzten – an dieser Stelle aufhorchen lässt, sind mehrere zusammenhängende Hauptsätze des Inhalts, warum man davon überzeugt ist, eine gute Führungskraft in diesem oder jenem Unternehmensbereich zu sein. So viele wie vor Jahren werden nämlich nicht mehr gebraucht.

Die eigenständige Funktion »Führung« wird nur noch in wenigen Bereichen besetzt, zum Beispiel in der Produktion oder bei einfachen Dienstleistungstätigkeiten Von Kopfarbeitern hingegen erwarten die Arbeitgeber heute, dass sie sich selbst führen. Mehr und mehr fragt die Wirtschaft nach Spezialisten, Leitern auf Zeit und Fachkräften, denen es völlig wurscht ist, mit welchem Titel sie im Intranet gelistet sind. Hauptsache, die Arbeit macht Spaß, die Kollegen sind in Ordnung und das Einkommen stimmt.

»Command and Control« hat ausgedient

Seit den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts hat das Prinzip »Command and Control« in den allermeisten Unternehmen ausgedient. Immer flacher sind die Organisationen geworden, immer weniger Hierarchiestufen liegen zwischen der Praktikantin und dem Vorstandsvorsitzenden. In modernen Unternehmen ist bei fünf oder sechs Schluss, und dann muss es sich schon um einen Weltkonzern handeln. Die Folgen sind allerorts zu besichtigen: weniger Führungsebenen, weniger Führungskräfte und für die verbliebenen weit größere Führungsspannen als zuvor.

Es ist der schiere Mangel an verfügbaren Häuptlingsstellen, der es dem Nachwuchs – selbst dem hochqualifizierten – immer schwerer macht, ein Geronimo oder ein Sitting Bull, kurz: ein Chef, zu werden. Obwohl viele immer noch davon träumen, wie Personalberater und Coach Udo Wirth aus München weiß. Sein Rat an sture Fingerschnipser jeden Alters beginnt, wie das Logbuch vom Raumschiff Enterprise: »Wir schreiben das Jahr 2008. Es gibt viel weniger reine Führungspositionen als früher. Orientiere Dich nicht an den bunten Medien, sondern schau dich in der Realität um und erkenne, wie viele spannende Aufgaben in den Betrieben sonst noch zu erledigen sind. Auch ein Indianerhäuptling war nichts ohne seine Fährtenleser und seine Kampfkrieger.«

 


  1. Chef ist, wer wie ein Chef arbeitet
  2. Für vieles keine Zeit mehr<br />
  3. Häuptling und Indianer