Alle für den Fortschritt, aber jeder für sich

4. Februar 2009, 16:17 Uhr | Christine Demmer, Markt&Technik
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Technischen Disziplinen tragen Mitschuld

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Regina Buhr

Hauptursache hierfür sei der, wenn überhaupt, viel zu spät angebotene Technikunterricht. Die Praxis zeige, so Buhr, dass Maßnahmen, die sich an Abiturienten und Abiturientinnen richten und für die Aufnahme naturwissenschaftlicher oder technischer Studiengänge werben sollen, in diesem Lebensabschnitt nicht oder nicht mehr den Neigungen der Schüler entsprächen. Die Interessenschwerpunkte von Schülerinnen und Schülern bilden und festigen sich lange vor der gymnasialen Oberstufe.

Für die Expertin ist technische Bildung deshalb keine isolierte Angelegenheit in den einzelnen Gliedern der Bildungskette, sondern ein auf vielfältige Weise miteinander vernetzter und aufeinander bezogener Bildungsprozess. Der müsse bereits in der frühkindlichen Erziehung beginnen und in Schule, Hochschule sowie in der Erwachsenenbildung fortgesetzt und curricular vernetzt werden.

Technischen Disziplinen tragen Mitschuld

»Gängige Erklärungsmuster für das abnehmende Interesse am Ingenieurstudium wie die Abwahl von einschlägigen Grundlagenfächern in der Oberstufe oder Technikfeindlichkeit in der Jugend halten einer empirischen Überprüfung nicht stand«, fand Buhr heraus.

Vielmehr trügen die technischen Disziplinen daran selbst eine Mitschuld. Denn während es in der beruflichen Bildung über Jahrzehnte einen massiven Orientierungswandel hin zu »modernen « Dienstleistungsberufen gegeben habe, hätten die technischen Berufe und Studiengänge adäquate Strategien eines Imagewandels vermissen lassen.

Soll heißen: Eine Führungskraft (70er Jahre) ist ein Manager (80er Jahre) ist ein Leader (90er Jahre). Eine Sekretärin ist eine Assistentin ist ein Junior, Internal oder In-House Manager. Aber ein Ingenieur ist ein Ingenieur ist ein Ingenieur. Und macht beruflich im Prinzip heute noch dasselbe wie vor Jahrzehnten. Wie gesagt: Im Prinzip.

So berechtigt der Klageanlass auch ist, so vielfältig sind die Lösungsansätze und entsprechend die wechselseitige Zuweisung von Schuld. Grundschullehrer sagen, für Technik böten die engen Lehrpläne keinen Raum. Pädagogen der Sekundarstufen I und II bedauern laut mit dem Hinweis auf den ohnehin gestiegenen Leistungsdruck und leise mit dem Fehlen von Lehrern für Technikunterricht. Hochschullehrer kritisieren entweder pauschal alle zeitlich vorgelagerten Erziehungsstufen oder schlagen zunächst eine umfassende Diskussion des Problems an sich vor.

Technikfolgen im Blick und Fragen nach der Nachhaltigkeit

So plädiert Professor Hans Schulte von der Universität Flensburg, in Personalunion 2. Vorsitzender der der Deutschen Gesellschaft für Technische Bildung e.V. (DGTB), für eine Integration des Technikunterrichts in die Lösung gesamtgesellschaftliche Phänomene. »Technische Bildung muss sich im Rahmen sachtechnischer Analyseprozesse bei der Gestaltung von Technik nicht nur auf den technischen Gegenstand und das technische Verfahren konzentrieren, sondern gleichzeitig die möglichen Technikfolgen im Blick haben und Fragen nach der Nachhaltigkeit von Technik stellen.«

 


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  2. Technischen Disziplinen tragen Mitschuld
  3. Kinder mit technischen Verfahren und Herausforderungen groß werden lassen

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