Bezieht sich »näher am Markt« dann auch auf bestimmte geographische Regionen?
Überhaupt nicht, gerade die neuen Möglichkeiten, für die Schlagworte wie IoT und Industrie 4.0 stehen, erlauben es auch relativ kleinen Unternehmen, global präsent zu sein. Klein oder mittelgroß heißt ja im High-Tech-Bereich nicht provinziell. Wir zählen mit jetzt 50 Mitarbeitern wirklich nicht zu den Großen. Aber wir müssen in den wichtigen Regionen präsent sein und wissen, was sich in den Weltregionen abspielt. Gerade haben wir eine Tochter in den USA gegründet. Dazu war ich selber vier Monate im Silicon Valley. Als Standort haben wir übrigens Chicago ausgewählt, weil hier viele gut ausgebildete Arbeitskräfte zur Verfügung stehen und unsere Kunden sowieso über die ganze USA verteilt sind. In Tallinn in Estland unterhalten wir ein IoT-Entwicklungsstandort, wo es nicht nur um die Einbindung von Sensoren, sondern auch von Aktoren geht, was öfter mal in der Diskussion vergessen wird. Aktuatoren sind etwa für 3D-Drucker wichtig, aber auch für intelligente Türschlösser, die sich zu einem sehr interessanten Markt für uns entwickeln.
In den Märkten, auf die sich Mittelständler konzentrieren, gelten also in den unterschiedlichen Weltregionen ähnliche Regeln?
Grundlegend gilt: Wer vor allem in Hinblick auf riesige Stückzahlen für den Einsatz in Consumer-Produkten entwickelt, der kann auf die Belange von Medizintechnik oder Industrie nicht intensiv eingehen. Bei eher mittelständisch organisierten Firmen laufen aber all diese Fäden zusammen: Die spezielle Marktkenntnis paart sich mit tiefem technischen Know-how und dem Interesse, langfristige Strategien zu entwickeln, langfristig liefern zu können und sich an einmal erstelle Roadmaps zu halten, die in Zusammenarbeit mit den Kunden entstehen. Es ist eben ein Unterschied, ob ein Consumer-Produkt nach sechs Monaten vom nächsten abgelöst wird oder ob eine Entwicklung in der Medizintechnik drei Jahre in Anspruch nimmt, an die sich ein drei Jahre dauernder Zulassungsprozess anschließt, und das Produkt dann schließlich nach sieben Jahren auf den Markt kommt. In einem solchen Umfeld lernen die Kunden gerade den besonderen Charme mittelständischer Geschäftsmodelle kennen.
Da geht es aber eher um kleine Stückzahlen?
Das muss nicht sein. Im Gegenteil: Drohnen beispielsweise erleben gerade einen rasanten Aufschwung. Hier kommt es darauf an, dass die Motoransteuerungen viele technische Features bieten, dass sie klein sind und wenig Leistung aufnehmen. Dasselbe gilt für den Einsatz in vielen unterschiedlichen Anwendungen in der Industrie. Die Grenzen zwischen professionellen Einsätzen und dem Einsatz in Consumer-Geräten verschwimmen zunehmend: In 3D-Druckern sind anspruchsvolle Motorsteuerungen gefragt – in der Industrie genauso wie in 3D-Druckern für den Gebrauch zu Hause –, die ebenfalls einen schnellen Aufschwung erleben. Oder eben in intelligenten Türschlössern, die nicht nur in Krankenhäusern und anderen Zweckbauten, sondern zunehmend auch in Häusern und Wohnungen eingesetzt werden.
Was wir technisch alles machen können, zeigen wir beispielsweise zusammen mit der isländischen Firma Össur, die intelligente Prothesen und Rehabilitationsgeräte entwickelt und Weltmarktführer auf diesem Gebiet ist. Es ist erstaunlich, wie smarte Prothesen behinderte Menschen mobil machen, was unter anderem im Behindertensport zu sehen ist. Daran mitzuentwickeln, ist sinnvoll und macht riesigen Spaß. Die Stückzahlen sind hier – noch – relativ klein, aber die Erkenntnisse fließen in Produkte ein, deren Stückzahlen sehr viel höher liegen, wie zum Beispiel in Robotik-Anwendungen.
Sie spüren also, dass sich die Einstellung großer Kunden gegenüber Start-ups und kleineren Unternehmen geändert hat – und ein Mittelständler wie Trinamic davon profitiert?
Wir können uns heute besser positionieren als früher. Der „deutsche Mittelstand“ hat Marken-Status, und er steht international für Beständigkeit und Verlässlichkeit – das Gegenteil also zu kurzfristiger Gewinnmaximierung. Größe allein ist nicht mehr gleichbedeutend mit Verlässlichkeit. Das kommt uns sehr entgegen.