Interview mit Rob Green, CEO von Renesas Electronics Europe

Renesas Electronics nach dem Merger: Auf leisen Sohlen zum Erfolg

6. Dezember 2010, 10:52 Uhr | Iris Stroh
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Auf leisen Pfoten zum Erfolg

Weil das Geld fehlte?

Nicht nur, es hängt vielmehr auch damit zusammen, dass das gesamte Unternehmen aufgrund seiner heutigen Größe viel optimistischer und kämpferischer in die Zukunft blickt. Früher hätte man wohl eher entschieden, Entwicklungen inhouse zu machen, oder es eben ganz zu lassen. Heute wird das Ziel definiert und das dafür notwendige Geld investiert. Und es ist ja eine Investition, die sich erst auszahlen muss. Aber wir sind natürlich zuversichtlich, dass sie sich auszahlen wird.

Noch etwas zur veränderten Nutzung der Ressourcen oder der höheren Effektivität im R&D-Bereich. Mit der Nokia-Übernahme haben wir Zugriff auf wichtige Building-Blöcke erhalten. Auf Basis dieser Building-Blöcke werden wir mehrere Plattformen entwickeln. So ist beispielsweise ein neuer Applikationsprozessor mit dem Namen R-Mobile geplant. Daneben wird es aber auch eine Multimedia-Plattform geben, die R-Home heißt. In diese Plattform fließen auch unsere EMMA-Prozessoren ein. Zu guter Letzt wird es noch R-Car geben, ein Applikationsprozessor für die Automobilindustrie. All diese Plattformen basieren zum Teil auf den gleichen Building-Blöcken.

Junshi Yamaguchi, Chairman von Renesas Electronics, will, dass das Unternehmen in Zukunft 60 Prozent seines Umsatzes außerhalb Japans erwirtschaftet. Heute liegt dieser Anteil unter 50 Prozent. Hat das Auswirkungen auf Ihre Arbeit hier in Europa?

Ja, denn damit verbunden ist auch die Entscheidung, dass wir in Europa in manchen Bereichen eine Führungsrolle übernehmen. Dazu gehört zum Beispiel alles rund um das Thema LED-Beleuchtung, aber auch Weiße Ware, kleine Handheld-Geräte, industrielle Automatisierung und Smart Metering. Unsere Firmenstrategie sieht vor, dass wir zukünftig von Europa aus weltweit die Systemspezifikationen für diese Applikationen festlegen. Das gilt aber auch für einige Consumer-Anwendungen wie beispielsweise Settop-Boxen sowie für die Mobilkommunikation.

Heißt das, dass Europa seine Design-Aktivitäten in diesem Bereich ausbauen wird?

Das heißt, dass wir in Europa alle Informationen über diese Applikationen sammeln werden, daraus eine Marketing-Strategie ableiten und basierend darauf Produktvorschläge nach Japan leiten. Dieser Vorgang ist bereits formalisiert und ich bin mir sicher, dass in nicht allzu langer Zeit auch die ersten Ergebnisse sichtbar sein werden.

Renesas hält mittlerweile einen Marktanteil von über 30 Prozent im Controller-Markt. Glauben Sie, dass dieser Marktanteil gehalten oder sogar noch vergrößert werden kann?

Ich denke, dass der Marktanteil sogar noch ausbaufähig ist. Zum einen weil immer mehr Mikrocontroller in immer neue Applikationen wandern, der Markt also wächst. Zum anderen müssen die Mikrocontroller heute im Vergleich zu früher viel mehr auf die einzelnen Applikationen zugeschnitten sein. Das heißt, um Erfolg zu haben, ist heute viel Applikationswissen notwendig, und über das verfügen wir - nach dem Merger sogar über noch mehr.

Aber besteht im Markt keine Skepsis, dass hier ein zu großer Player entstehen könnte?

Nein, 30 Prozent Marktanteil sind überhaupt kein Problem. Das fängt vielleicht bei einem Marktanteil von über 50 Prozent an.

Auch wenn Renesas bereits heute über viele 32-Bit-Cores verfügt: Gibt es dennoch Pläne, auch ARM-basierende Lösungen anzubieten?

Nein, ganz sicher nicht. Wir sind die Nr. 1 im Controller-Markt und das mit einem sehr großen Abstand zur Nummer 2 - und das haben wir ganz ohne ARM geschafft. Es ist zwar richtig, dass viel über ARM diskutiert wird, aber das spiegelt nicht direkt die Bedeutung von ARM im Markt wider: Wir halten über 30 Prozent und das ohne ARM und es gibt ja noch viele andere Architekturen.

Außerdem bin ich davon überzeugt, dass wir Vorteile bieten, die einfach zwingend sind. So liefern wir beispielsweise MCUs für den Automotive- und Industriemarkt, für die wir eine Verfügbarkeit von 10 bis 15 Jahren garantieren. Dieser Punkt ist in diesen Märkten viel wichtiger als die Frage nach dem Core.

Darüber hinaus entwickeln wir derzeit einen gemeinsamen Peripheriesatz, der in alle unsere Controller eindesignt wird. Das heißt, in Zukunft bieten wir ein Maß an Skalierbarkeit und Kompatibilität, das seinesgleichen sucht. Denn unsere Produkte zeichnen sich dann durch eine einzige, gemeinsame Entwicklungsumgebung und einen vereinheitlichten Peripheriesatz aus. Und das ist viel wichtiger, als dass wir Controller anbieten, die auf einem so genannten Standard-Core von ARM basieren. Denn auch wenn es viele Anbieter mit ARM-basierenden Controllern gibt, diese Produkte sind nicht kompatibel zueinander.

Und es besteht auch kein Druck seitens des Marktes?

Der Markt ist viel stärker an einer zuverlässigen Versorgung und viel weniger an dem Core interessiert. Natürlich treten wir in Konkurrenz zu ARM-Produkten, aber sobald es zu einer detaillierten technischen Betrachtung der Produkte kommt, schneiden wir gut ab. Mir fällt kein einziges größeres Geschäft ein, wo wir mit unseren V850-Controllern gegen ARM-basierende MCUs verloren hätten.

Die Anzahl der Design-Starts im ASIC-Bereich ist stark zurückgegangen, einhergehend damit auch die Anzahl der ASIC-Anbieter. Mit dem neuen Unternehmen wäre es leicht gewesen, diesen Bereich einschlafen zu lassen, aber Renesas hält daran fest. Warum?

Der ASIC-Markt an sich hat eine durchaus attraktive Größe. Um hier erfolgreich zu sein, ist ein großes IP-Portfolio von entscheidender Bedeutung. Und genau über das verfügen wir, was uns zu einem sehr konkurrenzfähigen Player in diesem Bereich macht. Deshalb sind wir im Industriebereich der weltweit größte ASIC-Anbieter. Warum sollten wir also hier nicht an unserem Erfolg festhalten?

Malcolm Penn hat Befürchtungen geäußert, dass im nächsten Jahr die Rezession kommen könnte, von der wir im letzten Jahr immer gesprochen haben, die aber aus der Sicht von Penn gar nicht stattgefunden hat. Wenn seine Prognose zutrifft, könnte dies für die noch junge Renesas besonders gefährlich werden?

Zum einen beurteilen wir den Markt bei weitem nicht so negativ wie Malcolm Penn, weil er in seine Vorhersagen natürlich auch die Mikroprozessoren von Intel und die Speicher einbezieht, die für uns überhaupt keine Rolle spielen.

Zum anderen haben wir im letzten Abschwung 2009 - ob Rezession oder nicht - als NEC Electronics zumindest in Europa Marktanteile gewinnen können. Wir haben sowohl bei den Mikrocontrollern für Automotive-Anwendungen als auch bei Optokopplern und Power-MOS zugelegt. Warum sollte sich das nicht wiederholen lassen, zumal heute die Voraussetzungen für uns günstiger sind?


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