Der Merger zwischen NEC Electronics und Renesas Technology war eine richtig große Sache, ist dadurch doch das weltweit drittgrößte Halbleiterunternehmen entstanden. Danach wurde es allerdings merklich ruhiger. So ruhig, dass sich Skeptiker fragen, ob das neue Unternehmen Renesas Electronics die Fehler der beiden alten Unternehmen weitermacht und damit zum Misserfolg verdammt ist.
Markt&Technik: Die beiden Unternehmen waren vor dem Merger in den roten Zahlen. Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um wieder schwarz zu werden?
Rob Green: Wir haben diverse Kostensenkungsmaßnahmen initiiert. So verlagern wir beispielsweise einen Teil der Fertigung. Konkret werden Kapazitäten im Bereich Assembly und Test von Japan in unsere Fabriken in Malaysia und China transferiert. Außerdem straffen wir unsere R&D-Aktivitäten, so dass auch hier Kosten gespart werden können. Darüber hinaus werden wir in Zukunft verstärkt auf lokale Anbieter zurückgreifen. Und wir werden uns in der Summe von 4.000 Mitarbeitern trennen.
Diese Maßnahmen wirken angesichts der Probleme etwas verhalten.
Wenn zwei Unternehmen sich zusammenschließen, gibt es immer gewisse Überlappungen. Diese müssen eliminiert werden und wurden auch eliminiert. Das ist für den Markt aber nicht sichtbar. Daneben haben wir natürlich auch unseren gesamten IT-Bereich vereinheitlicht, eine Maßnahme, die von außen ebenfalls nicht sichtbar ist, aber dennoch enorme Vorteile mit sich bringt.
Ich hätte aber noch viel mehr erwartet. So zum Beispiel, dass auf der Produktseite zumindest eine geringfügige Konsolidierung stattfindet. Aber so wie es aussieht, hält das Unternehmen an allen Bereichen fest.
Für die Außenwelt mag das so wirken, aber die Zukunft wird zeigen, dass der Eindruck täuscht. Auch wenn wir keine großen Abkündigungen gemacht haben, hat sich dennoch im Produktbereich einiges geändert. Beispielsweise entwickeln wir im Controller-Bereich einen einheitlichen Satz an Peripheriefunktionen, die in Zukunft auf allen MCU-Plattformen zum Einsatz kommen werden.
Wenn Sie schon den Mikrocontroller-Bereich und die Konsolidierung ansprechen: Warum hält Renesas Electronics an allen fünf Cores fest?
Das gilt nur mittelfristig. Bereits heute ist entschieden, welche Cores wir langfristig beibehalten und welche nicht. Aber Veränderungen im Mikrocontroller-Bereich brauchen ihre Zeit, man kann nicht einfach Familien abkündigen und die Kunden im Regen stehen lassen. Deshalb entwickeln wir im ersten Schritt eine Entwicklungsumgebung, die zukünftig alle MCUs aus dem Hause Renesas unterstützt. Dieser Schritt hat unter anderem den Vorteil, dass es für den Entwickler dann gar keinen Unterschied mehr macht, auf welchem Core sein Controller basiert.
Reichen diese Maßnahmen wirklich aus, um das Unternehmen wieder fit zu machen?
Wenn Sie einen radikalen Schnitt vermissen, vergessen Sie eines: Beide Unternehmen waren im letzten Jahr den Auswirkungen der weltweiten Rezession ausgesetzt. Also mussten beide Unternehmen bereits damals Maßnahmen ergreifen, die das Überleben garantieren sollten. Das heißt, viele aus Ihrer Sicht vielleicht eher einschneidende Maßnahmen fanden bereits
vor dem Merger statt. Das heißt, bereits damals wurden die Fertigungskapazitäten konsolidiert, wurde die Mitarbeiteranzahl reduziert, etc..
Deshalb ist es heute möglich, eher im Fine-Tuning-Bereich tätig zu sein, anstatt abermals dramatische Veränderungen vollziehen zu müssen. Und derlei Maßnahmen/Aktivitäten gibt es viele. In diesem Zusammenhang möchte ich nur auf die Entscheidung hinweisen, dass wir mit 40-nm-Strukturen aufhören, die eigene Pro-zessentwicklung voranzutreiben, und ab 28-nm-Geometrien auf die Dienstleistungen von Foundries setzen werden.
Apropos eigene Fertigung - auch wenn bereits vor dem Merger die Fertigungskapazitäten konsolidiert wurden: Sind nicht immer noch zu viele Linien am Netz?
Unsere Kapazitätsauslastung liegt derzeit über alles gerechnet bei über 90 Prozent. Das heißt, dass wir in manchen Geometrien sogar über zu geringe Kapazitäten verfügen. Deshalb investieren wir auch in neue Prozesstechnologien und deren Ramp-up. Das ist notwendig, um die Einführung von neuen Produkten besser unterstützen zu können. Konkret ersetzen wir einen Teil unserer 6-Zoll-Linien mit 8-Zoll-Linien, und auch Teile unserer 8-Zoll-Fertigung wird auf 12 Zoll umgestellt. Damit können wir einerseits unsere Fertigungskosten senken, andererseits sind wir aber auch in der Lage, unseren Kunden eine höhere Zuverlässigkeit zu bieten. Denn in Zukunft werden in zwei Fabriken vollständig kompatible Prozesse laufen. Also selbst wenn in einer Fabrik ein Problem auftreten sollte, könnten wir dank der zweiten Fabrik die Fertigung weiter aufrechterhalten.
Welche Veränderungen gibt es noch, die Renesas Electronics auf die Erfolgsspur bringen sollen?
Ein wichtiger Punkt ist die Größe. Heute sind wir ein Unternehmen mit knapp 10 Mrd. Dollar Umsatz. Und wir wachsen, wobei uns natürlich auch die Markterholung hilft. Damit haben wir im Halbleitermarkt die erforderliche kritische Masse erreicht. Und das ist für einen IDM enorm wichtig. Denn beide Unternehmen einzeln betrachtet waren zwar ebenfalls IDMs, aber eben nicht groß genug, um die notwendigen Investitionen tragen zu können. Wir konnten zwar gute Produkte entwickeln und gute Dienstleistungen anbieten, aber das reicht als IDM nicht aus. Das führte dazu, dass beide Unternehmen, wie Sie schon sagten, Geld verloren haben.
Außerdem sind wir jetzt wieder in der Lage, einen operativen Gewinn zu erzielen. Dieses Ziel haben wir uns bereits für das erste Firmenjahr gesetzt und bislang sieht es so aus, als ob wir es auch erreichen würden.
Aber in diesem Jahr ist noch kein Nettogewinn geplant . . .
Nein, schon alleine deshalb nicht, weil mit einem Merger auch viele Kosten verbunden sind. Aber das ist unser erklärtes Ziel für das nächste Jahr.
Gibt es noch mehr Unterschiede zu früher?
Ja, ein weiterer Unterschied liegt in der bereits angesprochenen, höheren Effizienz in unseren R&D-Aktivitäten. Ein sehr gutes Beispiel sind die MCUs: Heute konzentrieren wir uns in diesem Bereich mehr oder minder mit den gesamten Entwicklungsressourcen auf die Entwicklung eines gemeinsamen Peripheriesatzes, früher hat jeder etwas anderes gemacht, viele Dinge wurden doppelt gemacht.
Einen weiteren Unterschied lässt sich an der Nokia-Akquisition aufzeigen. Das war eine ziemlich große Übernahme, mit der wir unsere neue Strategie im Mobilfunkbereich unterstützen. Mit dieser Übernahme erhielten wir Zugriff auf die LTE-Technik, ein wichtiger Building-Block, der sich hervorragend mit unseren Applikationsprozessoren, Batteriemanagement-Funktionen und HF-Aktivitäten kombinieren lässt. Vor dem Merger hätten wir solch eine Akquisition nicht durchführen können.