Sind Quantencomputer tatsächlich schon in wenigen Jahren einsatzbereit, wie derzeit so oft zu hören ist?
Erst jüngst enthüllte eine Studie von Capgemini: Ein Viertel der befragten Unternehmen, die am Quantencomputing arbeiten, glauben, dass sie in drei bis fünf Jahren Realität sein werden.
Da wundert sich der interessierte Laie – hat er wesentliche Durchbrüche verpasst? Oder versteht er zu wenig von der zugrundeliegenden Technik? Und warum verstehen offenbar so viele Menschen plötzlich so viel davon? Den neuen Insidern gehen Fachbegriffe der Quantenmechanik wie Verschränkung und Superposition problemlos über die Lippen, und sie fachsimpeln trefflich über topologische Ansätze und Zeitkristalle. Wo und wie haben sie sich so schnell das Expertenwissen angeeignet, um auf höchstem Niveau mitdiskutieren zu können?
Da tröstet doch zumindest, dass sich auch so manch ausgewiesener Experte über den Hype rund ums Quantencomputing ein wenig wundert. Einen Quantencomputer zu bauen, der in der Praxis eine RSA-Verschlüsselung knacken könnte, benötigt viele Millionen, wenn nicht sogar Milliarden von Qubits, nur um die erforderliche Error Correction für die Tausenden logischen Qubits durchführen zu können, die »wirklich« rechnen. Ein solcher Quantencomputer sei aber derzeit weit von jeder Realität entfernt. Das erklärt kein geringerer als Sankar Das Sarma, Direktor des »Condensed Matter Theory Center« der University of Maryland. Mehr als 100 wissenschaftliche Artikel hat er veröffentlicht, und viele seiner ehemaligen Doktoranten arbeiten jetzt an Quantencomputer-Projekten rund um die Welt.
Nichts würde er lieber sehen, als dass schon morgen die neue Technik in praktischen Anwendungen Einzug hält. Aber wo steht die Technik heute? Auf einer ähnlichen Entwicklungsstufe wie die Luftfahrt zu Zeiten der Brüder Wright? Gar schon auf der Stufe der ersten Düsenflugzeuge? Oder erst bei Leonardos Skizzen künstlicher, fliegender Objekte? Schwer zu sagen.
Einfacher dürfte es sein, den Quantencomputer-Hype mithilfe des gesunden Menschenverstandes darauf abzuklopfen, wo sich tatsächlich Chancen auftun und wo sie auf absehbare Zeit eher nicht zu finden sein werden. Und sich daran zu erinnern, dass neue Technologien schon immer Glücksritter und Hochstapler angezogen haben, die wenig von dem verstehen, über das sie reden, aber viel über die Wünsche und Träume ihrer Mitmenschen und wie sich damit Geld verdienen lässt. Sich dies in aller Demut ins Bewusstsein zu rufen, dürfte vor manchen Übertreibungen schützen.