»HF-MEMS-Relais sind ‘erwachsen’ geworden«

7. April 2009, 11:57 Uhr | Nicole Kothe, Markt&Technik
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

MEMS-Technik füllt die Lücke

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MEMS-Technik füllt die Lücke

Relais auf MEMS-Basis könnten nun die Lücke zwischen den elektromagnetischen HF- und den Halbleiterrelais schließen: »MEMS-Hochfrequenzrelais vereinen im Prinzip die Vorteile beider Lösungen, indem sie die hohe Signalintegrität elektromechanischer Bauteile mit der hohen Schaltgeschwindigkeit und der langen Lebensdauer eines MOSFET-Relais kombinieren«, erklärt Vogt.

Die MEMS-Technik findet sich heute bereits in einer ganzen Reihe von Anwendungen, unter anderem in Beschleunigungssensoren, Gyroskopen, Druck- und Durchflusssensoren. Dabei wurden die Prozesse und Mikrobearbeitungs- Verfahren immer weiter verfeinert. Dank der Erfahrungen, die bei der Produktion von Millionen solcher Bauelemente gesammelt wurden, bieten MEMSHochfrequenzschalter heutzutage eine hohe Zuverlässigkeit. Die neuesten Bausteine sind extrem kompakt und werden zu den vom Markt erwarteten Preisen angeboten. »MEMS-Hochfrequenzschalter stehen kurz davor, ihr bisheriges Nischendasein im Bereich Automated Test Equipment (ATE) zu verlassen und einen breiteren Markt zu erobern, der von HFPrüfinstrumenten über allgemeine HF-Systeme bis hin zu Anwendungen in Telekommunikationsnetzen und weiteren Hochfrequenzapplikationen reicht«, prognostiziert Vogt.

Nach Angaben der Marktforscher von Yole Development könnte der Markt für HF-MEMSProdukte bis 2011 auf 700 Mio. Dollar wachsen – von gerade mal 5 Mio. im Jahr 2007. Nahezu die Hälfte davon wird auf Prüfinstrumente entfallen, und die ATEBranche mit ihren automatischen Halbleiter-Prüfsystemen dürfte zu den ersten Triebfedern dieser Nachfrage gehören. Weitere viel versprechende Anwendungsgebiete sind HF-Instrumente, Telekommunikations-Infrastrukturund Basisstationen, die Luft- und Raumfahrttechnik sowie die Wehrtechnik.

In allen diesen Bereichen könnten MEMS-HF-Schalter konventionelle Relais meist ersetzen, ohne das übrige System zu verändern. »Die Nachfrage nach einem Relais-Ersatz in existierenden Systemen dürfte auch dadurch gestärkt werden, dass für leistungsfähige CPUs, Grafikprozessoren und Chipsätze neues Equipment entwickelt werden muss«, so der Experte. »Besonders Anwendungen mit PCI Express, DDR2 und DDR3 sowie die immer schneller werdenden Grafikkarten und Memory Controller Hubs dürften die Bandbreite von ATESchaltmatrizen auf das Zwei- bis Dreifache der heute benötigten Frequenzen anheben. Zum Testen der nächsten Generation von System- LSIs wird man HF-Relais für Signalfrequenzen von mehr als 10 GHz benötigen.«

Bedeutsam könnten MEMSHF-Relais auch für Bestrebungen sein, die Effizienz softwaregesteuerter digitaler Funkgeräte z.B. für das Militär zu verbessern. Die neuen Bauelemente könnten hier an die Stelle der Halbleiterschalter (meist PIN-Dioden) und der zugehörigen Bauelemente treten, die derzeit für die Schaltaufgaben in »Frequency-Hopping«-Kommunikationssystemen eingesetzt werden. Vorteile wären eine deutliche Abnahme von Größe und Gewicht und ein geringerer Stromverbrauch. Die niedrigere Leistungsaufnahme wiederum verringert die Verlustleistung, so dass sich das Wärmemanagement der Systeme weniger komplex gestaltet. Und auch die Performance würde profitieren, denn im Vergleich zu Halbleiterschaltern bieten MEMSRelais mehr Bandbreite und erzeugen weniger Störsignale.

Thermische, magnetische und elektrostatische Aktivierung

Für die Realisierung von MEMS-Relais wurde eine Reihe verschiedener Betätigungsmethoden auf thermischer, magnetischer und elektrostatischer Basis entwickelt. Alle diese Verfahren haben Vor- und Nachteile betreffend ihrer Spannungs- und Stromfestigkeit, ihres Leistungsbedarfs und ihrer Schaltgeschwindigkeit.

• Die thermische Methode beruht darauf, dass mit einem Widerstand eine geringfügige Erwärmung herbeigeführt wird, die den Schalter bewegt. In einem Beispiel ist eine komplexe Kombination aus drei MEMS-Prozessen (Lithographie, Galvanik und Abformung) erforderlich. Auf diese Weise wird eine Mechanik mit Abmessungen im Mikrometer-Bereich hergestellt, die einen gebogenen, an beiden Enden befestigten Balken aufweist. Spulenförmige elektrische Heizelemente werden auf galvanischem Weg unterhalb des Balkens platziert. Infolge der Erwärmung biegt sich der Balken und stellt dadurch den elektrischen Kontakt her. Wird das Heizelement abgeschaltet, kühlt sich der Balken ab, nimmt wieder seine ursprüngliche Form an und öffnet den Kontakt damit wieder.

MEMS-Relais dieser Art können hohe Leistungen übertragen und erzielen hohe Betätigungskräfte. Nachteilig sind die relativ langsamen Schaltzeiten sowie die Leistungsaufnahme von ungefähr 150 mW im aktivierten Zustand, die beinahe so hoch ist wie die eines Reed-Relais. Mit einer Fläche von etwa 1 mm2 ist der Mechanismus in einigen Implementierungen relativ klein.

Magnetische MEMS-Relais kommen selbst bei großen Kontaktabständen auf hohe Betätigungskräfte. Sie eignen sich deshalb speziell für hohe Stromstärken, denn sie unterbinden Leckströme, wenn das Relais hochfrequente Signale schaltet oder hohe Spannungen an den geöffneten Kontakten liegen.

• Das elektrostatische Prinzip hat sich als bevorzugtes Betätigungsverfahren herauskristallisiert. Es nimmt am wenigsten Leistung auf, schaltet am schnellsten und braucht viel weniger Platz als andere Aktuatormethoden – der MEMS-Hochfrequenzschalter Omron 2SMES-01 nimmt z.B. bei einer Schaltfrequenz von 1 kHz nur maximal 5 µW auf. Beim Anlegen einer Gleichspannung an zwei Elektroden wird eine elektrostatische Kraft erzeugt, wodurch die beiden Elektroden zusammengezogen werden. An einem zweiten Anschlusspaar sind die Kontakte realisiert, die den Signalpfad für das HF-Signal öffnen und schließen.

Omrons Lösung

Omron ist es gelungen, durch proprietäre Ätztechniken eine extrem flexible Federstruktur aus Silizium herzustellen. Durch sorgfältige Wahl der Werkstoffe und der Geometrie werden hier viele Einflüsse eliminiert, die im Mikrometerbereich an Relevanz gewinnen. »Abgesehen davon besitzt monokristallines Silizium eine hohe Festigkeit und widersteht wiederholten Vibrationsund Druckbelastungen«, ergänzt Vogt. »Wie sich in unterschiedlichsten MEMS-Sensor- und -Aktor- Implementierungen erwiesen hat, lässt sich mit diesem Werkstoff über lange Zeitspannen eine zuverlässige und wiederholbare Komponentenperformance erzielen. Entsprechend zeichnen sich die MEMS-Relaismechanismen von Omron durch ein sehr zuverlässiges wiederholbares Ein- und Ausschaltverhalten aus, während sich die Abmessungen auf ein Minimum beschränken.«

Die zum Auslösen des Schalters benötigte Energie liegt im Nanojoule- Bereich. Im Gegensatz zum traditionellen elektromagnetischen Verfahren benötigt man somit theoretisch keine Leistung, um den Schalter im geschlossenen Zustand zu halten. In der Praxis allerdings ist wegen der Leckströme eine geringe Energiemenge zum Wiederaufladen der Elektroden erforderlich. Die bewegliche Feder wird auf einem Siliziumwafer hergestellt. Die Struktur wird dann nach dem Sandwich-Prinzip zwischen einer Grundplatte und einer Abdeckung angeordnet, die beide jeweils aus einem Glaswafer konstruiert sind. Danach werden diese drei Teile zu einem HF-Schalter in einem Wafer-Scale-Gehäuse anodisch gebondet. »Dieses Verfahren gewährleistet eine hohe Zuverlässigkeit mit einer Lebensdauer von mindestens 100 Mio. Schaltspielen«, betont Vogt. »Es ist uns gelungen, zwei HFMEMS- Schließer in einem Gehäuse unterzubringen..«

MEMS-Hochfrequenzschalter im praktischen Einsatz

Einen entscheidenden Beitrag zur Langlebigkeit von MEMS-HFSchaltern leistet die Tatsache, dass sie für das stromlose Schalten ausgelegt sind. Werden empfindliche Mikromechanismen betätigt, während hohe Ströme fließen, besteht die Gefahr der Funkenbildung. Das lässt sich vermeiden, indem man dafür sorgt, dass das Prüfsignal abgeschaltet wird, bevor der HF-MEMS-Schalter geöffnet oder geschlossen wird. Um darüber hinaus ein durch Kontaktprellen nach dem eigentlichen Schaltvorgang verursachtes Schalten unter Strom zu unterbinden, darf die Signalquelle erst kurze Zeit nach Betätigen des Schalters eingeschaltet werden. »Auf diese Weise lässt sich mit einem extrem kleinen, nur 5,2 x 3,0 x 1,8 mm messenden Baustein eine außergewöhnliche HF-Performance bei garantierten 100 Millionen Schaltzyklen erzielen«, resümiert Vogt. »HF-MEMS-Relais sind in der Tat ‘erwachsen’ geworden.«


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  2. MEMS-Technik füllt die Lücke

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