Insgesamt gibt es 1,6 Mio. erwerbstätige Ingenieure in Deutschland, die über alle Branchen hinweg für eine Wertschöpfung von über 178 Mrd. Euro sorgen. Allein die fünf Branchen mit den höchsten Ingenieuranteilen (Technische/FuE-Dienstleistungen, Elektroindustrie, Maschinenbau, Fahrzeugbau, EDV/Telekommunikation) erreichten im Jahr 2011 ein Volumen an Güterexporten und Dienstleistungseinnahmen aus dem Ausland in Höhe von 562 Mrd. Euro, was vom Gesamten einen Anteil von 44,8 Prozent ausmacht. Dabei belief sich der erzielte Überschuss auf 223 Mrd. Euro.
Der Ingenieur erfüllt demzufolge in unserer Wirtschaft und Gesellschaft eine äußerst wichtige Funktion. Doch schon seit Jahren wird ihm häufig nicht die Anerkennung und Stellung zuteil, die er verdient - sei es in der Gesellschaft oder auch in Betrieben. Er wird fast wie eine Ware hin- und hergeschoben, von der man einmal weniger oder einmal mehr benötigt. Derzeit ist die Ware wieder knapp und man beklagt einen eklatanten Ingenieurmangel, der im Jahr 2010 wegen 61.000 offener Ingenieursstellen zu einem Wertschöpfungsverlust von 3,3 Mrd. Euro geführt haben soll. Dieser sei im Jahr 2011 laut VDI sogar auf 8 Mrd. Euro gestiegen und würde für 2012 noch weiter anwachsen, weil der aktuelle Ingenieurmonitor derzeit 110.400 unbesetzte Stellen ausweise.
Doch diese Angaben kann der Arbeitsmarktforscher Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin, nicht nachvollziehen. Er geht davon aus, „dass der gegenwärtige Run auf ingenieurwissenschaftliche Studienplätze eher ein Überangebot an diesen Fachkräften erwarten lässt“. Nach seinen Analysen können die Absolventen, die gegenwärtig aus den Unis kommen, den Gesamtbedarf an Ingenieuren decken.
Wo liegt nun die Wahrheit? Aus meiner Beobachtung der Ingenieurszene als langjähriger, ehemaliger Chefredakteur der Elektronik weiß ich, dass die einschlägigen Verbände schon in den 80er-Jahren von einem sich abzeichnenden Ingenieurmangel sprachen. Damals hatte ich mich - im Nachhinein leider - überreden lassen, an Broschüren mitzuarbeiten, die für den Ingenieurberuf warben. Das Ergebnis, das sich dann Anfang der 90er-Jahre abzeichnete, war freilich fatal. Eine große Zahl der Absolventen bekam entweder keinen Job, oder sie wurden zu deutlich niedrigeren Gehältern eingestellt oder lediglich als Praktikant übernommen.
Mittlerweile haben zwar viele Firmen ihre Lektion gelernt (siehe die Personalpolitik in der vergangenen Krise), aber dafür haben die Ingenieure neuerdings mit ganz anderen Problemen zu kämpfen, nämlich mit Zeitverträgen, mit projektbezogenen Anstellungen, mit Zeitarbeitsfirmen usw.
Woran liegt es nun, dass viele Ingenieure keinen festen Job bekommen? Ist es das Geld? Es wäre aus meiner Sicht sicher wünschenswert, wenn ein Institut einmal herausfinden könnte, wie es um den Ingenieurbedarf tatsächlich bestellt ist. Es ist doch nichts frustrierender, als wenn man nach einem anspruchsvollen Studium keinen adäquaten Job bekommt. Deshalb sollte man den Studierwilligen von Anfang an klar machen, wie es um ihre Zukunftschancen bestellt ist - diesen Respekt verdienen sie, wenn man die Ingenieure schon als Eckpfeiler des „Geschäfts-modells Deutschland“ bezeichnet.