Und der Druck, sich verstehen zu müssen, war zu Anfang der schwierigen Beziehung zwischen Automobil- und Elektronikindustrie noch nicht sehr ausgeprägt. Denn den bei weitem größten Umsatz machten die meisten IC-Hersteller in den Computer- und den Consumer-Märkten. Warum also auf die seltsamen Wünsche der Automobilhersteller eingehen? Sie verlangten ja nicht nur nach langen Lieferzeiten, sie stellten auch sehr hohe Anforderungen an die Qualität der ICs. Denn sie müssen über die gesamte Lebensdauer des Autos durchhalten, ohne auszufallen. Denn Ausfälle im Feld kommen doppelt teuer. Einmal wegen der erforderlichen Reparatur und zum zweiten, weil Unzuverlässigkeit am Image der Automobilmarken kratzt. Auch nach jahrelanger Dienstzeit dürfen die ICs nicht ermüden und aus Altersgründen vorzeitig aufgeben.
Und das unter den rauen Umgebungsbedingungen im Auto: Vibrationen, Schockeinwirkungen, Temperaturwechsel und weitere Witterungseinflüsse. Doch den großen Aufwand zu betreiben, um die hohe Qualität sicher zu stellen, das waren die IC-Hersteller bisher nur aus exotischen Märkten wie der Luft- und Raumfahrt sowie der Militärtechnik gewohnt – und sie waren die Preise gewohnt, die dort bezahlt wurden. Das war weit entfernt von dem, was die Automobilhersteller bezahlen konnten und wollten.
Doch als die Elektronik vehement in die Autos Einzug hielt, näherten sich die beiden Industrien an. Plötzlich gingen – auf beiden Seiten – Dinge, die noch vor Jahren undenkbar waren. Die IC-Hersteller bauten ICs, die auf die Anforderungen im Auto zugeschnitten waren. Dafür stiegen auch die Stückzahlen der Halbleiter im Auto rasant, es wurde also zunehmend lukrativ, für die Automobilindustrie Abwandlungen in den Fertigungsprozessen zu fahren und gewisse Spezialitäten zu entwickeln.
Parallel dazu fand in der Hableiterindustrie eine durchaus als revolutionär zu bezeichnende Entwicklung statt: Der Aufstieg der Foundries. Weil die Investitionen in neue Fabs und deren Equipment immer höher werden, kommen einzelne Firmen – auch die größten – allmählich an die Grenzen des Möglichen. 8 Milliarden Dollar für eine neue Fab? Um die Investition zu rechtfertigen, müssten dort so viele ICs gefertigt werden, dass es selbst für die größten Hersteller schwierig würde, genügend Kunden zu finden. Deshalb lagern die Integrated Device Manufacturers (IDMs) zunehmend die teure Fertigung der ICs – für die die Prozesstechnik nicht der differenzierende Faktor ist – an die sogenannten Foundries aus, die sich auf die Fertigung spezialisieren und für viele Firmen im Auftrag produzieren.
So können sie die Auslastungen erzielen, die die Investitionen in die teuren Fabs rechtfertigen. Zurück zur Automobilindustrie: Sie ist es gewohnt, die Prozesse bei ihren Zulieferern detailliert zu überwachen. Da war es für sie zunächst ein gewöhnungsbedürftiges Konzept, dass ihre IC-Zulieferer die Fertigung einfach an in ihren Augen eher obskure Foundries auslagerten. »Noch Anfang des letzten Jahrzehnts wollten einige Automotive-Firmen die Fertigung in Foundries einfach nicht akzeptieren«, erklärt Weyer mit einem Lächeln, wohlwissend, dass auch diese Zeiten vorbei sind und die normative Kraft des Faktischen ihre Wirkung gezeigt hat.